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Lisa Wingate: Die wahre Geschichte zu den »Libellenschwestern«

"Als Menschen sind wir dazu bestimmt, Geschichten zu teilen." Lisa Wingate im Interview.

Lisa Wingate
© Wyatt McSpadden Photography
Libellenschwestern basiert auf einem schockierenden Teil unserer Geschichte. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Für mich beginnt jede noch so kleine Geschichte mit einem Funken. Von dort aus reist die Geschichte weiter zu Recherche und dann in die Fantasie. Libellenschwestern begann auf höchst unerwartete Art und Weise.

Ich war in den späten Stunden einer Winternacht noch wach, habe gearbeitet und hatte den Fernseher im Hintergrund laufen. Eine Wiederholung von Investigation Discovery: Dangerous Women lief um ungefähr zwei Uhr nachts. Ich sah hoch und erblickte Bilder einer alten Villa. Der Empfangsbereich war gefüllt mit Kinderbetten und Babys. Es gab schreiende Kinder, lachende Kinder und Kinder, die ganz rot im Gesicht waren, verschwitzt und kränklich wirkend. Ich war sofort fasziniert von der bizarren, tragischen und erschreckenden Geschichte von Georgia Tann und ihrer Memphis-Zweigstelle der Tennessee Children's Home Society. Am schockierendsten war, dass das alles erst kürzlich passiert ist. Georgia Tann und ihr Pflegeheim haben von den 1920er Jahren bis 1950 agiert. Ich konnte nicht aufhören, an die Kinder zu denken, die Opfer von Georgias System wurden und gegen Geld für Adoptionen verkauft wurden.

Was wurde aus ihnen? Wo sind sie nun?
Nachdem ich mich mehr mit der Geschichte beschäftigt hatte, war ich schockiert, wie umfangreich Georgias Netzwerk war und welche tragischen Konsequenzen ihre Gier und ihre Bosheit hatten. Sie hat schätzungsweise 5.000 Kinder und Babys verkauft, die geradezu als Waren gehandelt wurden. Interessierte Eltern konnten sich Haarfarbe, Augenfarbe, Alter, Geschlecht, religiösen Hintergrund und sogar die genetische Veranlagung für Talente wie Kunst und Musik aussuchen. Tann hat immer wieder Zeitungsannoncen geschaltet, in denen sie Kinder als „Weihnachtsgeschenke“ anbot. Es war schlicht unfassbar und grauenhaft.

Wie lange haben Sie an diesem Buch gearbeitet? Gab es spezielle Methoden der Recherche?
Ungefähr zwei Jahre. Rill und ihre Geschwister aus der Geschichte mit ihrem Leben auf einem Shanty-Boot auf dem Mississippi nahmen Form an, als ich mich durch Geschichten von Eltern wühlte, die jahrzehntelang nach ihren gestohlenen Kindern suchten, und von Kindern, die nach ihren biologischen Eltern forschten. Viele der Kinder, die Tann vermittelt hat, waren wie die Foss-Kinder. Sie waren keine Waisen oder ungewollte Kinder, sondern wurden aus Vorgärten, Hinterhöfen und aus Geburtsstationen in Krankenhäusern entführt. Jahrelang haben adoptierte Kinder und ihre biologischen Eltern nach einander gesucht. Sie haben um das Recht gekämpft, die Adoptionsunterlagen einsehen zu dürfen, doch sie hatten erst 1996 Erfolg. Für viele Eltern und Familienangehörige, die ihr Leben lang um ihre verlorenen Kleinen trauerten, kam das einfach zu spät. Meine Hoffnung war es, auch irgendwie ihre Geschichten zu erzählen.

Was glauben Sie, werden die Leser am meisten an Ihrem Buch lieben?
So viel von dem, was wir beim Lesen einer Geschichte erfahren, kommt nicht aus dem Buch sondern aus uns selbst heraus. Für manche Leser wird Libellenschwestern eine Geschichte über Schwestern sein, für manche eine Geschichte über Familie, über Gut gegen Böse, oder über den Triumph im Angesicht schier unüberwindbarer Hindernisse.

Ich kann aber sagen, was mir persönlich am besten an Libellenschwestern gefällt. Für mich ist es eine Geschichte über zwischenmenschliche Beziehungen, über die Kraft, die Wichtigkeit, ja Notwendigkeit solcher Beziehungen. In einer Welt, in der wir jeden Tag mehr mit Technologie und weniger mit anderen Menschen interagieren, ist es einfach zu vergessen, was dem Leben seine Süße gibt. Ein Gespräch mit einem alten Freund. Ein Sonnenuntergang, den man sich gemeinsam von der Veranda aus ansieht. Eine Stunde, die man einfach nur zusammen im Bett liegt und redet. Ein Spaziergang Seite an Seite. Ein Anruf. Eine Umarmung. Eine Nachricht. Am Ende riskieren sowohl die Charaktere aus der Gegenwart, als auch aus der Vergangenheit in Libellenschwestern alles für die eine wichtigste Sache – einen Ort, an dem man so sein kann, wie man ist, mit Menschen, die einen so sein lassen. Das liebe ich am meisten an diesem Buch. Ich freue mich schon darauf zu hören, was den Lesern am besten gefällt!

Geschichten und Bücher sind darauf ausgelegt, geteilt zu werden. Was denken Sie macht eine Geschichte teilenswert?
Als Menschen sind wir dazu bestimmt, Geschichten zu teilen. Wir haben es getan, bevor es das geschriebene Wort gab, oder Wörter allgemein, oder Druckpressen, sogar vor E-Readern mit HD Retina Displays (unglaublich!). Seit Generationen haben Familien, Freunde oder Stämme um das Kochfeuer herum gesessen und Geschichten geteilt, die unterhalten sollten, die Freude brachten, die den Mut in der Schlacht oder die Moral im Leben unterstützten und den Jüngeren erklärten, wer sie sind und woher sie kommen. Gäste, die zum Essen eingeladen waren, kamen mit einer Geschichte und gingen mit einer neuen. Geschichten sind von Natur aus irgendwie unvollständig, bis wir unsere Gedanken hinzugefügt und sie an andere weitergegeben haben. Was macht eine Geschichte teilenswert? Na, natürlich die Art und Weise wie sie mit deiner eigenen Geschichte, deinem Leben, deinen Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen interagiert! Nichts auf der Welt kann unser Herz so bewegen wie Geschichten. Wenn wir sie teilen und unsere Gedanken dazu mit anderen besprechen, dann sind wir auf der tiefsten Ebene miteinander verbunden.

Wussten Sie schon immer, dass sie einmal Autorin werden wollten, oder kam diese Idee erst später in Ihrem Leben?
Ich habe es geliebt zu schreiben, solange ich mich erinnern kann. Mein älterer Bruder konnte sehr gut schreiben, und wenn du die Jüngste in der Familie bist, dann willst du tun, was die Älteren auch tun. Als er einen Preis für sein Gedicht „Die Biene, die ins Meer ging“ gewann, war ich so beeindruckt von seiner schriftstellerischen Brillanz (und dem blauen Band), dass ich sofort in mein Zimmer ging und mein erstes Buch schrieb: Die Geschichte eines Hunds namens Frisky. Friskys Geschichte war passend illustriert und wurde in zahlreichen Editionen auf Schmierpapier veröffentlicht, die sich sehr gut auf dem Großeltern-Markt verkauften.

Libellenschwestern erzählt eine Geschichte innerhalb einer Geschichte. Sind Geschichten mit zwei Zeitsträngen, schwer zu schreiben?
Ja, solche Geschichten sind eine besondere Herausforderung, aber für mich ist es sehr ergreifend, eine Geschichte zu entdecken, bei der die Vergangenheit noch heute die Gegenwart beeinflusst. Ich glaube die Spannung ist der Reiz dieser Geschichten, in denen wir einen modernen Charakter dabei beobachten, wie er das Leben einer historischen Person erforscht. Die historische Geschichte wird weiter, größer und irgendwie auch realer, weil wir sehen, wie die Spuren der Vergangenheit die Gegenwart beeinflussen. Ich denke, die meisten von uns denken manchmal über die Gerüchte, die Geschichten und oft erzählten Anekdoten aus unserer eigenen Vergangenheit nach. Wie viel davon ist wahr? Was ist wirklich passiert? Wer waren die Leute, die vor uns da waren? Was für Geheimnisse hatten sie? Wir können gar nicht anders, als darüber zu spekulieren, was in unserer eigenen Familie verborgen liegen und wie es die heutigen Generationen geprägt haben könnte. Geschichten mit zwei Zeitsträngen handeln von der Entdeckung dieser Verbindungen und der Offenbarung tief vergrabener Geheimnisse.

Als Autor ist es wie ein komplizierter Tanz, zwei Zeitstränge und eine Geschichte innerhalb einer Geschichte im Gleichgewicht zu halten. Es ist doppelt so viel Arbeit und doppelt so riskant, aber bietet auch die doppelte Faszination und die doppelte Belohnung. Man muss doppelt so viel recherchieren, aber entdeckt dadurch auch doppelt so viele interessante historische Fakten, unbeantwortete Fragen und fast vergessene Teile der Geschichte. Diese Faszination lässt neue Fäden in dem Webrahmen einer Geschichte entstehen. Für mich ist die größte Herausforderung, dass beide Geschichten vollends begeistern und dass die historische Geschichte einen Sinn im Leben der modernen Charaktere erfüllt.

Libellenschwestern

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