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Rezensionen zu
Schwitters

Ulrike Draesner

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Wie Kunst Menschen verbindet, zu ihrem Lebensinhalt wird und unter den unwirtlichsten Umständen entsteht, schildert Ulrike Draesner feinsinnig aus den unterschiedlichsten Perspektiven und Zeitpunkten in Kurt Schwitters Leben (1887–1949) oder vielmehr den Leben derer, die ihn begleiteten. Dennoch ist ‚Schwitters‘ kein „Kunst-Roman“. Es ist eine Geschichte von Flucht, Exil und Heimatlosigkeit und der einen Konstante – Schwitters Kunst –, die ihn und alle mit ihm verbundenen Menschen am Leben hält. Hannover 1936, bei Kurt Schwitters jüdischen Nachbarn fährt ein Lastwagen vor. Menschen und Gegenstände werden verfrachtet – die Familie ist nicht mehr deutsch. Schwitters ist zwar deutsch, seine Kunst gilt aber als entartet und als Epileptiker ist er gleich nochmals unwert und den Verfolgungen der Gestapo ausgesetzt. Mit dieser Eingangsszene beginnt Draesners Roman über den bis in unsere Zeit hin prägenden Dadaisten Kurt Schwitters. Wie die Autorin selbst klargestellt hat, ist der Roman keine Biografie, obwohl detailliert recherchiert die letzten elf Lebens- und Schaffensjahre von Schwitters beschrieben werden. Ebenso wenig werden „Sachbuch-Leser“ bedient – der Roman scheint etwas dazwischen zu sein. Ein hybrides Konstrukt, das sich durch Perspektivenwechsel, der Erschaffung einer „Schwitters-Kunst-Sprache“ und tiefen Einblicken in das Leben des Künstlers auszeichnet. Das „Deutsche Leben“ bildet den Ausgang des dreigeteilten Romans. Der Anfang harzt. „Kurts Satz hingegen war auf Kurtweise präzise. Also verwirrend.“ In etwa so präsentiert sich der Anfang des Romans, der zugleich das Ende seines „Deutschen Lebens“ markiert. Der Leserin bleibt nur wenig Zeit sich in den Roman einzulesen – er beginnt mitten in Schwitters Leben und dies mit einer zu Beginn gewöhnungsbedürftigen Tiefe, die den Roman im weiteren Verlauf jedoch auszeichnet. Es ist die Geschichte von Schwitters innerem Sein, in dem die Autorin auf bemerkenswerte Art und Weise verschwindet. Der Leser muss ankommen, sich zurechtfinden, sich an die Sprache gewöhnen und lernen, Schwitters zu verstehen. Gleichzeitig ist der Beginn ein Ende – Schwitters wird Deutschland für immer verlassen. Seine Frau Helma, seine „Nazi-liebende“ Schwiegermutter „Fiderallala“ und seine Mutter, vor allem aber seinen mehrere Stockwerke übergreifenden „Merzbau“ in seiner Hannoveraner Villa, zurücklassen und mit seinem Sohn Ernst und dessen Ehefrau im norwegischen Exil leben. Im letzten Augenblick vor dem Einfall der deutschen Truppen in Norwegen gelingt ihnen die Flucht nach England. Als „Enemy Alien“ auf der Isle of Man interniert, verbringt Schwitters sein erstes Jahr im zweiten Exil, um nach seiner Freilassung ins von V-2 Angriffen verwüstete London zu gehen. Seine Kunst nimmt Schwitters überall hin mit – nicht physisch, Schwitters lebt seine Kunst, jeder Gedanke, den Draesner Schwitters zuschreibt, scheint seine Kunst zu sein. Im Londoner Exil lernt er Edith „Wantee“ Thomas kennen, die für ihn bald unersetzlich wird, denn „sie war seine Brücke, seine Lebensversicherung, sein keineswegs heimlicher Trost.“ Schwitters Zwiespalt zwischen der Erinnerung an die Vergangenheit und dem Wunsch, im Vergessen zu versinken, versteht Draesner zu vermitteln. Seien es die Wortspiele, die Schwitters zwischen dem Deutschen und Englischen treibt, die Übersetzungsversuche seiner „Anna Blume“ oder den Vorsatz, die deutsche Sprache niemals wieder zu verwenden, nur um dann später doch wieder darauf zurückzukommen. „Zweite und dritte Sprachen konnten wunderbar getarnte Weisen sein, Abstand zu halten“ – Abstand zur Vergangenheit zu halten wird Schwitters dagegen nie vollkommen gelingen. Seine früheren Leben starben für ihn nicht; „irgendwann versuchten sie, sich unter der neuen Existenz, die sie begraben hatte, hervorzukämpfen.“ Prägendes Merkmal dieses Romans ist, wie Draesner gekonnt Details aus Schwitters früheren Leben an der richtigen Stelle in einen Kontext stellt und in einem neuen, manchmal klärendem, aber immer tiefergehenden Licht erscheinen lässt. Ulrike Draesner versteht es, die namensgebende Figur nicht nur über sich selbst sprechen zu lassen, sondern auch seine Begleiterinnen und Begleiter über ihn und die anderen Menschen in Schwitters Leben zu Wort kommen zu lassen. Diese Perspektivenwechsel zeichnen den Roman aus und machen ihn zu einem wunderbaren Stück Erzählkunst. Jede Person wird mehrfach durch andere oder eigene Blickwinkel beschrieben, die Leserin erfährt immer wieder Neues, Zurückliegendes, Gleiches, doch fortwährend anders. Dreigeteilt ist der Roman, weil die Geschichte nicht mit Schwitters „Englischem Leben“ und seinem Tod endet. Sein „Nachleben“ wird genauso gekonnt geschildert und gibt nun endlich auch Edith Thomas eine Stimme. Es sind gerade die Frauen im Hintergrund, die Draesner sprechen lässt und dadurch dem Protagonisten eine weitere, tiefere Betrachtungsebene verleiht; es erlaubt, ihn ein wenig mehr zu verstehen. Die Kunst, das Überlebensmittel im Roman – nicht nur für Schwitters, auch für Helma, „Wantee“ und seinen Sohn Ernst – verbindet und gibt dem Roman eine Konstante, an der sich der Leser orientieren kann. Kurt Schwitters Leitgedanke beim Erschaffen seiner Kunst war wohl: „Nachdenken über Wiederholung und Müll. Erkunden, wie aus zweckgebundener verbrauchter Materie allein durch Kombination und Rekombination etwas Unbegreifliches entstand. Das Geistige der Kunst hatte Kandinsky es genannt. Er nannte es Merz.“ Wie sehr sich auch Ulrike Draesner diesem Motto verschrieben hat, wird in ihrem neuesten Roman deutlich. Sie setzt „verbrauchte“ Materie einer Biografie durch Kombination und Rekombination zu etwas zusammen, das der Leserin wohl ungreifbar erschiene, würde Draesner nicht Dialoge, Gedanken und Schwitters Umwelt hinzufügen und in etwas Verständliches übersetzen – etwas Hybrides zwischen Biografie, Exil- und Kunst-Roman, eine Erzählung, die den Menschen Schwitters hinter seiner Biografie erfahrbar macht. So gelingt es, den Protagonisten, seine bildende und literarische Kunst mit Tiefe und dennoch nicht ohne die nötige Leichtigkeit zu beschreiben, die wohl durch eine ausschließlich biografische Darstellung, allein wegen des Wesens des Schwitter’schen Dadaismus, als der wohl pursten Form seiner Person, nicht möglich gewesen wäre. Wer sich auf Schwitters einlässt, der wird überrascht und berührt.

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Die 1962 geborene Schriftstellerin Ulrike Draesner ist sehr vielseitig in ihrem Tun. Sie schreibt Romane und Lyrik und sie übersetzt. Zuletzt waren ihre Übersetzungen der beiden Lyrikbände „Wilde Iris“ und „Averno“ der diesjährigen Literaturnobelpreisträgerin Louise Glück aus dem Englischen im Gespräch. Mit ihrem neuesten Roman „Schwitters“ über das Leben, des vor allem für sein Gedicht „Anna Blume“(siehe unten) bekannten Merz-Künstlers (1887 – 1948) bringt sie das Thema Sprache und das Schreiben in einer fremden Sprache auf den Tisch. Die Idee zum Roman kam auf sie zu, als sie 2015 als „poet in residence“ in Oxford lebte und plante, einen Roman in englischer Sprache zu schreiben. Den Roman darf man sich nicht als Künstlerbiographie vorstellen. Es geht eher um den Mensch Kurt, seine Beziehungen und um die Flucht vor den Nazis ins Exil. In Hannover konnte er nicht bleiben. Seine Kunst wurde in den Ausstellungen „Entartete Kunst“ gezeigt. Außerdem litt er an epileptischen Anfällen. So blieb Ehefrau Helma mit den beiden Müttern in der heimischen Villa zurück. Zunächst ging er 1940 nach Norwegen, wo bereits Sohn Erich lebte, der eine Norwegerin geheiratet hatte. Seinen Merzbau zurückzulassen war für ihn das schwerste und so begann er im Exil immer wieder mit kleineren Varianten davon. „Deutschland gewann Schlacht um Schlacht. Land. See. Luft. Militärisch fuhr das Deutsche Reich durch die Welt, als wäre die Welt ein Butterkuchen. Aufschneiden, mit deutschem Quark bestreichen, braune Rosinen drüberstreuen.“ Draesner schildert in drei Teilen (Das deutsche Leben, Das englische Leben, Das Nachleben) zunächst das recht bequeme Leben ohne Geldmangel in der geerbten Villa in Hannover. Dann lebt Kurt bei Sohn und Schwiegertochter in Lysaker, Norwegen, wo die Schwitters auch zuvor schon viele Sommer verbrachten. Doch bald schon sind sie auch dort durch den Einmarsch der Deutschen nicht mehr sicher. Die beschwerliche Reise nach England beginnt, auf der sie nach und nach fast alles an Besitz zurücklassen müssen. In England wird er zunächst als feindlicher Ausländer auf der Isle of Man inhaftiert. Doch sogar da ist er künstlerisch tätig. Schwitters muss im Exil seine Sprache wechseln. Erst Norwegen, dann England. Da er im Exil nicht in Deutsch schreiben will, beschränkt er seine Kunst auf Collagen, Skulpturen und nach Kriegsende wegen Geldmangel auch auf Porträtmalerei. In England erfährt er, dass die heimische Villa zerbombt wurde, später, dass Helma gestorben ist. Zu dieser Zeit lebt er allerdings schon längst mit einer anderen (wesentlich jüngeren) Frau zusammen und hat kaum noch Kontakt in die Heimat. Edith, genannt Wantee, trifft er in London, beide ziehen zusammen nach dem Krieg aufs Land im Lake Distrikt. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch, wieviel Rückenstärkung Schwitters von der jeweils aktuellen Frau erhält (was ja bei vielen großen Künstlern der Fall war), um weiter seiner Kunst nachgehen zu können. „“Please, help yourself, on all accounts.“ Das fühlte sich besser an als auf Deutsch: Er half sich auf allen Konten, schüttete Hilfe in sich hinein, Zucker, my Dear, Milchtee, knackte den vierten Ingwerkeks aus der Küche von Mrs. Pierce, wobei er Mr. Pierce kontenhaft (sozusagen für alle Fälle) anlächelte. Die englische Sprache kroch ihm in den Kopf und half ihm auf die Sprünge.“ Wantee und Kurt leben in Amberside in ziemlich prekären Verhältnissen. Kurt entscheidet sich dennoch in England zu bleiben. Den Kontakt nach Hannover stellt er fast komplett ein und als der Sohn ihn nach Norwegen einlädt, wo er nun wieder lebt, lehnt Kurt ab. Trotz des Geldmangels und der immer mehr schwindenden Gesundheit hat er eine Art neues Zuhause gefunden. Die raue Natur inspiriert ihn und Wantee steht in allem hinter ihm. Endlich entsteht auch in einer angemieteten Scheune ein neuer Merzbau. Beenden kann er ihn leider nicht mehr. Schon im Jahr 1948 stirbt Schwitters, kurz nachdem er die englische Staatsbürgerschaft erhalten hat. Im letzten Kapitel „Das Nachleben“ schildert Draesner noch den erbitterten lange währenden Streit zwischen Edith und Ernst um Kurts Testament und das Erbe. Und erzählt vom Transport der letzten Merzbau-Wand in ein englisches Museum. Draesners Art zu schreiben ist in diesem Roman sehr experimentell (siehe Auszug Foto oben). Oft legt sie Schwitters Sprachspielereien in den Mund, die auf Dauer das Lesen sehr stockend machen. Das mag sicher zu DADA-Schwitters passen, für mein Gefühl ist es manchmal etwas zu übertrieben. So verlieren sich auch oft Zusammenhänge. Im England-Teil spielt sie auch viel mit der englischen Sprache. Etwas, was sie auch in den eigenen Gedichten oft macht. Besonders gefallen mir die Textstellen, in denen Kurt durch die englische Landschaft streift und Ideen für seine Kunst schöpft. Hier gelingt es Draesner die Stimmung und Atmosphäre großartig einzufangen und zu vermitteln. Der Schutzumschlag birgt eine Besonderheit. Nach dem Aufklappen findet sich eine große Übersichtskarte über die biographischen Daten Schwitters.

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Der Begriff "Innere Emigration" bezeichnet Künstler und Intellektuelle, die im Widerstand zum NS-Regime standen, aber nicht ins Exil gingen, also aus Deutschland auswanderten. Der Hannoveraner Künstler (Maler, Dichter, Grafiker, etc.) Kurt Schwitters gehörte laut Geschichtsschreibung in den ersten Jahren der NS-Zeit auch der "Inneren Emigration" an. Der fiktive Schwitters im Buch lehnt diesen Begriff nach dem Krieg, immer noch im Exil, ab. Eine "geschützte Innerlichkeit des Künstlers" (S. 290) könne es innerhalb der menschenverachtenden Diktatur nicht gegeben haben. Es ist also eine Frage der Definition. Der reale Schwitters floh jedenfalls am ersten Tag des Jahres 1937, nachdem seine dadaistischen Werke von den Nazis als "entartet" diffamiert wurden, ins Exil nach Norwegen. Dorthin war sein Sohn Ernst bereits 1936 ausgewandert. Als die Deutschen in Norwegen einmarschierten, emigrierte Schwitters mit Sohn und Schwiegertochter nach Großbritannien. Nach verschiedenen Stationen in Internierungslagern fand Kurt Schwitters seine letzte Heimat in England, wo er 1948 starb. Ulrike Draesner schenkt uns in ihrem opulenten “Künstlerroman”, der keiner ist, wie sie im Nachwort sagt, Einblicke in Schwitters Leben. Die Kapitel bestehen aus fiktiven Momentaufnahmen, die sich aus der Biografie des Dada-Künstlers speisen. Da "Schwitters" aber vor allem ein Roman der Entwurzelung ist, beginnt die erzählte Handlung mit der Zeit kurz vor Schwitters’ Entscheidung zum Gang ins Exil, beschreibt vor allem die Zeit in Großbritannien, in der er sich in der neuen Lebenssituation zurechtfinden muss und endet mit seinem Nachleben, reflektiert aus der Sicht des Sohnes. Kurt Schwitters ist als Protagonist genau wie seine Poesie, wie seine Kunst: schwer greifbar, sperrig bis unzugänglich. Kein einfacher Mensch, den die Autorin zur Hauptfigur ihres Romans gemacht hat. Noch dazu im "schwierigen" mittleren Mannesalter, voller Todes- und Existenzängste, sich wie ein Ertrinkender ans Leben klammernd. Eine sehr vielschichtige Künstlerpersönlichkeit, dieser Schwitters, mit einer nicht minder komplexen Gedankenwelt. Dada und Merzbau eben, schwer vorstellbar für den Leser, was das eigentlich ist. Im Roman gibt es auch Kapitel, die aus der Sicht von Schwitters’ Familienmitgliedern geschrieben wurden. Zum einen aus der Perspektive seiner Ehefrau Helma. Als ihr Mann ins norwegische Exil ging, musste sie in Deutschland bleiben, um sich in Hannover um die alten Mütter der Eheleute sowie um den Immobilienbesitz (u.a. Mietshäuser) zu kümmern. Mir gefällt sehr dass auch sie, die körperlich ewig betrogene Ehefrau, zu Wort kommt und wir als Leser ihren Gedanken und Reflexionen folgen dürfen. Helma Schwitters war Muse und Modell ihres exzentrischen Künstler-Ehemanns, musste aber auch seine zahlreichen Affären und seine Launen verkraften. 1944, kurz vor Ende des Krieges, starb sie an Krebs, ihren Mann und Sohn hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Ernst, das einzige überlebende Kind von Kurt und Helma, kommt wie bereits gesagt ebenfalls im fiktiven Rahmen zu Wort. Der 1918 geborene Fotograf arbeitete sich als "Sohn von" an seinem Künstler-Vater ab, verwaltete sein Erbe, profitierte davon und machte in Norwegen, wo er nach 1945 zurückkehrte, eine ganz eigene Karriere. Auch über Schwitters’ letzte Lebensgefährtin, Edith Thomas, genannt Wantee, lernen wir viel im Roman. Sie gibt ihm die menschliche Nähe, die er fernab der Heimat braucht und die Sprache, die ihm anfangs fehlt: Englisch. Draesners Roman ist ein Sprachkunstwerk, voller rhetorischer Stilmittel und Erzählweise, "zusammentapeziert" wie eine Collage. Sie hat eine kraftvolle, bildhafte, poetische Sprache, die Stimmung erzeugt, eine ganz eigene Atmosphäre. Draesner versucht uns verschiedene Facetten dieses vielschichtigen Künstlermenschen Schwitters nahezubringen. Um die Komplexität seiner Persönlichkeit und der Welt, in der er lebte, zu erfassen, greift sie häufig auf das Stilmittel der Accumulatio zurück. Aber auch sonst entlehnt sie Sprachbilder aus Schwitters’ Kunstrichtung, dem Dadaismus, für ihre Romanbiografie. Sie weist in einem Nachwort darauf hin, dass alles, was sie schreibt, Fiktion ist (bis auf die belegbaren Daten und Fakten natürlich). "Schwitters" ist mit Sicherheit das anspruchsvollstes Buch, welches kein Klassiker ist, das ich seit langem gelesen habe. Ich habe mit dem Buch gehadert, mich teilweise durchgequält und Passagen überblättert. Dennoch käme es mir schändlich vor, es nicht mit fünf Sternen zu bewerten. Was will ich einfache Leserin schon eine so versierte Schriftstellerin wie Ulrike Draesner kritisieren? Mir fehlte jegliche Legitimation. Überdies ist DADA ebenso unzugänglich wie Draesners Roman es stellenweise ist. Ich denke es ist die Intention der Autorin dass ihr Roman enigmatisch, sperrig und unzugänglich wie ein dadaistisches Kunstwerk und gleichzeitig wunderbar poetisch und paradiesisch schön wie eine Landschaftsmalerei von William Turner ist. Man sollte sich dessen bewusst sein, wenn man es zur Hand nimmt. Ein intellektueller Roman über einen Intellektuellen und eine Geschichte der Entwurzelung eines Künstlers, die sehr berührt. In diesem Roman steckt wahnsinnig viel Kreativität, Kunstfertigkeit und Arbeit, insofern steht er dem Werk von Kurt Schwitters in nichts nach. Der Roman ist opulent und collagenhaft, manchmal nur schwer greifbar. Ein großartiges Werk, aber ich darf und kann eben nicht verhehlen, dass es nicht einfach zu lesen war.

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Die Jahre des Exils, vor allem aber die Jahre, in denen Kurt Schwitters dann mit seinem Lebensmenschen, Edith Thomas, kurz „Wantee“ (der ewige Hang zum Tee zärtlich verballhornt) einen neuen Dreh-, Angel- und Haltepunkt findet, rückt Ulrike Draesner in dieser stilistisch wie ästhetisch herausragenden und herausfordernden Annäherung an den MERZ-Schöpfer in den Mittelpunkt. Dabei gelingt ihr nicht nur eine sensible Charakterisierung des Künstlers, der auch zerrissen ist zwischen alten Familienbanden und neuer Liebe, sondern gewissermaßen auch eine Einführung in ein Stück Kunstgeschichte: Was DADA ausmacht, was MERZ ausmacht, das wird durch diesen Roman greifbar. Und dies immer auch in einer liebevoll-kritischen Distanz zum Künstler, der wie viele seiner Art durchaus den Hang zur Egomanie hatte.

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Mit Witz, unterhaltsam und auch tiefgründig liest sich der Roman von Ulrike Draesner mit dem Titel "Schwitters", der die Geschichte von Kurt Schwitter zum Inhalt hat. Exil - bedeutet, seine Heimat, sein Land verlassen zu müssen, seine Familie, Sprache und ein Publikum zu verlieren. Bedeutet aber auch, sich nicht unterkriegen zu lassen und trotz allem heiter im Gemüt zu bleiben. Die Autorin dieses Buch erzählt von Schwitters Lebensreise, von seiner Flucht, dem Exil und dem Leben als Künstler mit all seinen Höhen und Tiefen. Dieser Roman ist ganz besonders, er ist fesselnd, mitreißend und informativ zugleich und er ist lebensklug. Sprachlich ausgefeilt hat mir diese Romanbiografie extrem gut gefallen. Schon dem Umschlag, der doppelt um das Buch gefaltet ist, gebührt ein Pluspunkt, da er Kurt Schwitters gute und andere Lebensseiten beinhaltet, auf ganz unnachahmliche Art - lasst euch überraschen ... Im Alter von 49 Jahren muss Schwitters vor den Nationalsozialisten fliehen. Seinen gesamten Besitz ideell und materiell muss er zurücklassen, so auch seine Frau. Nun muss er eine andere Kunst ausüben, nämlich die Kunst des Überlebens. Irgendwann ist eine neue Frau an seiner Seite, sie hält ihn oben, hebt ihn immer wieder auf ... Wir steigen in Hannover in der Waldhausenstraße 5 in die Handlung ein - hier möchte ich gern das Museum in Hannover empfehlen, hier kann man Schwitters und sein Schaffen erleben. Es sind Fakten und Ausgedachtes, was Ulrike Draesner zu einem Lebensroman zusammenfügt, der ans Herz geht, der auch humorvoll ist, aber unbedingt tiefgründig die Kunst aus einem anderen Blickwinkel betrachtet ... aus dem schwieriger und dunkler Zeiten ... Widersprüchliches und Historisches, Absurdes .... das Leben mit der Kunst im Exil ... Eine zu 100 Prozent gelungene Publikation !!!

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“Vorsicht Spoiler!” Im Sommer erhielt ich vom Penguin Verlag eine Ankündigung für das Buch „Schwitters“ von Ulrike Draesner. „Ein tiefgründiger, dabei humorvoller Roman über die Kraft der Kunst in dunklen Zeiten.“ hieß es – die Neugierde war geweckt. Der Künstler und Schriftsteller Kurt Schwitters ist 49, als ihn die Nationalsozialisten zur Flucht aus Hannover zwingen. „Reichsbürger Kurt Schwitters, geächtet, arbeitslos“, wie er 1936 feststellt. Flucht - Erfolg, Werk, der MERZ-Bau in der Waldhausenstraße, die Eltern und seine Frau Helma bleiben zurück. Die Kunst weicht der Kunst des Überlebens mit dabei der 17-jährige Sohn Ernst. Ein zweites Leben in fremder Sprache. Erst in Norwegen, dann im April 1940 wieder Flucht. Weiter über London und endlich Lake District – hier beginnt Schwitters‘ zweites Leben. Ulrike Draesner lässt teilhaben an Suche des Künstlers nach einer Heimat, die er verloren hatte. Die dichte emotionale und bildhafte Sprache der Autorin lässt die Geschichte sehr nah an den Leser. Für Mr. Schwitters war das Deutsch nicht tot. „Es hatte sich in eine tiefe Höhle zurückgezogen. Dort rief es nach ihm.“ beschreibt Ulrike Draesner das zurücklassen des einstigen Lebens, „Köört damals, Körrt“, jetzt.“ ist zu lesen. Ein Bruch in der Identität, den die Autorin immer wieder aufzeigt. Jahre der Flucht - Sohn Ernst zieht es wieder zurück nach Norwegen. Die parallele Geschichte um die Annäherung an den Vater Kurt ist eingewoben in das Leben des Künstlers. Jeder kommt auf seine Weise an. 480 Seiten zwischen zwei Buchdeckeln: lebensbejahend und aufwühlend. Kunst als Überlebenselixier, das Stückchen Hoffnung, dass tagtäglich Kraft gibt weiterzumachen.

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