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Rezensionen zu
Die Gewitterschwimmerin

Franziska Hauser

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Als Adele ganz zu Anfang des Romans mit fast 80 stirbt, ist ihre Tochter Tamara zunächst erstaunt über den Schmerz, den sie darüber empfindet. „Ich würde nicht in der Öffentlichkeit heulen, wenn alles in Ordnung wäre. Die Frau muss denken, ich hätte meine Mutter geliebt. Habe ich das?“ S. 8 Als LeserIn erschrickt man hier erst einmal ein wenig – wie kann man nicht um seine Mutter trauern? Sowieso lässt sich diese Tamara auf den ersten Seiten schwer einschätzen: Ihre Sprache derb, gegenüber den Verwandten und Bekannten bei den Trauerfeierlichkeiten schroff und generell sarkastisch. Wieso hat sie also offenbar eine Mauer um sich errichtet? Auf den folgenden etwas mehr als 400 Seiten lernen wir Tamara besser kennen. Sie erzählt ihr Leben rückwärts, beginnend im Jahr 2011 mit dem Tod der Mutter, bis hin zu ihrer Geburt 1951. Parallel wird die Geschichte ihrer Familie aus einer Außensicht chronologisch vom Jahr 1889 an erzählt. Tamaras Großvater Friedrich ist da noch ein kleiner Junge, der später das KZ überleben wird. Sein Sohn Alfred geht mit seiner ersten Frau Esther nach dem Krieg nach Frankreich in den Widerstand, trennt sich aber von ihr, weil er glaubt, mit allem, was ihn an die schwierige Zeit erinnert, abschließen zu müssen. Später lesen wir dann auch von Alfred und seiner zweiten Frau Adele, davon, wie Adele auf ihre eigenen Töchter eifersüchtig ist, weil sie Alfreds Aufmerksamkeit mit ihnen teilen muss, wie sie die Augen davor verschließt, dass ihr Mann sich nachts zu seinen Töchtern schleicht, wie Alfred und Adele ständig auf Reisen sind und die Kinder mit Irmgard, der Haushälterin, zurücklassen, die so etwas wie eine Ersatzmutter wird. Von Adeles Kälte gegenüber den Töchtern, um die sie sich nur kümmert, wenn sie krank sind. Mir hat vor allem der Einstieg in „Die Gewitterschwimmerin“ sehr gefallen, als ich hineingeworfen wurde in das Leben Tamaras, die, das war sofort klar, eine interessante, eine versehrte Figur ist, ohne dass man zunächst genau wüsste, warum. Tamara wurde zur Zynikerin, sie eckt an, ihre Beziehungen halten nicht, während ihre zwei Jahre jüngere Schwester nach innen flieht, psychisch krank und zur Alkoholikerin wird, immer wieder versucht, sich das Leben zu nehmen, bis ihr das schließlich gelingt, was wir schon früh im Roman erfahren. Im Mittelteil wird der Roman zu einer packend und gut konstruierten Familiengeschichte, in der in den Kapiteln, die abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Tamara und aus der Außenperspektive erzählt werden, auf geschickte Weise aufeinander Bezug genommen wird. Es gibt hier kaum jemanden, mit dem man sich identifizieren möchte, bei allen haben das Leben und die unterschiedlichen Entbehrungen, die sie erfahren haben, ihre schlechtesten Eigenschaften zutage gefördert. Die Gewaltschilderungen und der sexuelle Missbrauch sind dabei teils nur schwer zu ertragen und die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien Tamaras und ihrer Schwester Dascha nachvollziehbar geschildert. So sieht man am Ende zwangsläufig den Beginn des Romans in einem anderen Licht. „Die Gewitterschwimmerin“ ist ein manchmal harter, eindringlicher Roman, eine auch sprachlich überzeugend erzählte Familiengeschichte über mehr als ein Jahrhundert hinweg, das miterzählt und zum Leben erweckt wird. Franziska Hausers Roman, für den sie sich von ihrer eigenen Familiengeschichte hat inspirieren lassen, stand – meiner Meinung nach völlig zu Recht – 2018 auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis.

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