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Rezensionen zu
Denn es will Abend werden

Anna Enquist

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€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

In diesem Roman setzt Anna Enquist die Geschichte von Heleen, Carolien, Jochem und Hugo fort, die am Ende von 'Streichquartett' Opfer eines bewaffneten Überfalls wurden. Carolien und Heleen wurden dabei schwer verletzt, alle vier kämpfen mit den Erinnerungen an das Geschehen. Doch statt zusammenzuhalten, herrscht zwischen den Freunden zunächst Funkstille, dann Abwehr und Scham. Jeder hat seine eigene Art, mit dem Erlebnis umzugehen und jeder meint, der andere mache es irgendwie falsch. Jochem bedrängt seine Frau Carolien dabei so sehr, dass das Paar kurz vor der Trennung steht: »Er erwartet etwas. Er schaut. … Misstrauisch, auch ermüdet. Wir zerren aneinander, und keiner rückt von der Stelle.« Wer einmal etwas Traumatisches erlebt hat, wird in diesem Buch vieles wiederfinden. Traumata zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie außerordentlich sind; etwas, mit dem man im 'normalen' Leben nicht rechnen muss. Und gerade deshalb lassen sich die mit einem Trauma verbundenen Gefühle kaum mit anderen Menschen teilen. Oft gerade nicht mit denen, die einem nahe stehen. Anna Enquist findet Worte und Bilder für das daraus resultierende Gefühl der Isolation und tiefen Einsamkeit. Plötzlich kann man verstehen, weshalb Paare, die einen Schicksalschlag durchlitten haben, sich später trennen. Ein berührendes Buch, das sich - trotz des schweren Themas - leicht lesen lässt und das gut unterhält. Bevor es anschließend leise nachhallt.

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eine posttraumatische Geschichte

Von: Brunzema, ULjana aus Bonn

21.08.2019

Anna Enquist "Denn es will Abend werden" Anna Enquist, die niederländische feinsinnige Autorin, die schon über 30 Bücher geschrieben hat, legt mit dem Roman "Denn es will Abend werden" ein neues sehr berührendes Buch vor. Es wird besonders die Leser ansprechen, die schon Enquists vorausgegangenes Buch "Das Streichquartett" gelesen und geschätzt haben, es ist aber auch eigenständig, ohne Vorkenntnis der letzten Geschichte, ein faszinierendes nachdenklich machendes Leseerlebnis. Die Geschichte des Streichquartetts, zweier musizierender Ehepaare, die sich regelmäßig auf einem Hausboot in Amsterdam getroffen hatten, wird hier weitererzählt. Es geht um das Beziehungsgewebe der vier Personen zueinander, posttraumatisch, nach einem Unfall, einer Geiselnahme, nach einer Explosion auf dem Hausboot. Die Instrumente sind zerstört worden, die Seelen der Musiker lädiert, dass eine der Protagonisten, Carolien, ihren kleinen Finger dabei verloren hat, ist nur ein Pars pro Toto. Jeder der vier entwickelt seine eigene Überlebens- und Verarbeitungsstrategie. Carolien gibt ihren Arztberuf auf, ihr Partner entwickelt Zwänge, was Sicherheit und Abschließen betrifft. Helen verausgabt sich plötzlich im Fitnessstudio und Hugo geht weit weg nach China, versucht zu vergessen und neue Horizonte zu finden. Alle vier bleiben wage im Kontakt und versuchen Nähe und Distanz auszuloten, ihre lange intime musikalische Freundschaft, die nunmehr belastet ist durch die gemeinsam erlebten Verletzungen. Eine große Trauer lastet über dieser Gegenwart und Anna Enquist erzählt unprätentiös, mit Ruhe, bodenständig, gelassen und einfach reif, am Leben gereift. Doch ein kleiner Licht- und Hoffnungsstreif leuchtet am Horizont: "Der Sehnsucht Zeit zum Wachsen lassen, das war es". Dies ist sicher einer der Schlüsselsätze des Romans. Und die Wege dieser Sehnsucht sind so unterschiedlich wie die Menschen, die hier unterwegs sind. Paradigmatisch und sehr bildlich die Szene, wo Carolien nach China fliegt, hoch in der Luft, und realisiert wie sie sich zwischen zwei Welten und zwischen zwei Leben befindet. Am Ende finden sich alle Protagonisten bei der Gerichtsverhandlung wieder, wo es um die Bestrafung des Täters und vor allem geht, wie man den Grad der Verletzung der Beteiligten quantitativ fassen kann. Man kann es nicht. Und der größte Verlust ist der Verlust des Vertrauens aller. Und so ist das Ende der Geschichte unglaublich tröstlich, wie ein feiner Diamant, voller Zartheit und Einfachheit. Mehr soll hier nicht verraten werden. Eine reife, unaufgeregte, feinsinnige Geschichte für lebenserfahrene Leser, die die feine Mischung aus Psychologie (der Psychoanalytikerin Anna Enquist) und der Muße einer Musikerin (der Konzertpianistin Anna Enquist) zu schätzen wissen.

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„Das Leben von früher schlägt die scharfen Reißzähne in das Leben von jetzt.“ S. 151 Carolien, Jochem, Hugo und Heleen haben viele Jahre zusammen in einem Streichquartett musiziert, waren eng befreundet. Carolien und Jochem sind verheiratet und haben vor einigen Jahren ihre beiden Söhne bei einem Unfall verloren. Das gemeinsame Musikmachen hat auch sie beide sie zusammengehalten, doch eines Tages wurden die vier Freunde bei einer Probe auf einem Hausboot überfallen und als Geiseln genommen. Das Geschehene hat sie allesamt traumatisiert und voneinander entfernt. Das Streichquartett gibt es nicht mehr. Carolien hat bei dem Überfall einen Finger verloren, sie hat ihre Arbeit als Allgemeinmedizinerin aufgegeben und nicht mehr Cello gespielt. Ihr Mann Jochem, der Instrumentenbauer ist, flüchtet sich in eine Art blinden Aktionismus und fühlt sich erst wieder sicher, als er diverse Sicherheitsschlösser und Alarmanlagen in sein Atelier sowie auch in die gemeinsame Wohnung eingebaut hat. Heleen verschwindet fast völlig von der Bildfläche, verändert sich auch äußerlich stark und fängt ein ganz neues Leben an. Und Hugo sucht sein Glück in China, wo er ein neues Business aufzieht, statt sich um seine kleine Tochter zu kümmern, die ebenfalls bei dem Überfall anwesend war und keinen Kontakt mehr zu ihren Vater zulässt. Von dem Überfall, auf den in Anna Enquists neuem Roman „Denn es will Abend werden“ immer wieder verwiesen wird, hat die Autorin in ihrem letzten Roman „Streichquartett“ erzählt. Man kann den neuen Roman völlig eigenständig lesen, da die genauen Geschehnisse des Überfalls nur so weit von Bedeutung sind, wie sie hier nun thematisiert werden. Ich hätte mir dennoch gewünscht, das Vorgängerbuch noch präsenter zu haben, aber auch so hat mich „Denn es will Abend werden“ bewegt und beeindruckt. Im Mittelpunkt des Romans stehen Carolien und Hugo, die so unterschiedlich mit dem Geschehenen umgehen und sich dabei immer weiter voneinander entfernen. Hugo will Carolien unbedingt davon überzeugen, wieder Cello zu spielen, während sie sich einfach nicht dazu in der Lage fühlt, wie gelähmt ist und auch die Rückkehr in die Praxis verweigert, obwohl sie von ärztlicher Seite als arbeitsfähig diagnostiziert wurde. Hugos Verfolgungswahn und sein ständiges Beharren darauf, dass sie etwas tun soll, erwirken bei ihr genau das Gegenteil. Er dagegen kann nicht verstehen, dass sie, in seinen Augen, nicht versucht, ihrer Starre zu entkommen. Es kommt ständig zu Konflikten. Schon vor dem Überfall stand es um die Ehe der beiden nicht zum Besten: Der Überfall ist das zweite Trauma, das die beiden verwinden müssen nach dem Verlust ihrer Kinder. Enquist beschreibt einigermaßen nüchtern und doch sehr eindringlich, wie ihre Figuren auf unterschiedliche Art und Weise versuchen, nach dem Erlebten wieder zurechtzukommen. Dabei sind alle vier isoliert. Das Quartett existiert nicht mehr, der Kontakt zueinander ist nur schwer auszuhalten und wird daher von ihnen lieber vermieden. Es ist schmerzlich zu lesen, wie sie an ihre Grenzen kommen, wie sie auch die Kluft zum anderen nicht überwinden können. Und wie es ist, wenn ein traumatisches Ereignis das Leben in ein Davor und ein Danach teilt. Dabei zeigt die Autorin gekonnt auf, was so ein einschneidendes Erlebnis alles verändern kann. Wie der soziale Zusammenhalt auseinanderbricht, wenn Freundschaften brüchig werden, und wenn man keiner geregelten Arbeit mehr nachgeht. Carolien flüchtet sich zu Hugo nach China, bricht aus, lässt das Erlebte hinter sich – doch wirklich entkommen kann sie ihm nicht. Enquist lotet die Nöte der Figuren wie auch ihre Beziehungen untereinander gekonnt und behutsam aus. „Denn es will Abend werden“, ein Zitat aus dem mehrfach (vor allem von Bach und Rheinberger) vertonten Abendgebet aus dem Evangelium nach Lukas, das sowohl Zuversicht und Geborgenheit als auch die kommende, ungewisse und angsteinflößende Nacht beschwört, gibt dem eindrücklichen und manchmal auch bedrückenden Roman einen vieldeutigen, passenden Titel.

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