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Rezensionen zu
Das Verschwinden der Adèle Bedeau

Graeme Macrae Burnet

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Fazit: Wenn Autoren mit einem Buch erstmals auch international so richtig viel Erfolg haben, dann erscheint in der Folge oftmals in kurzen Abständen so ziemlich alles, was sie bislang verfasst haben. So ist zum Beispiel zu erklären, warum ich mich seinerzeit durch das im Original eigentlich schon vor Urzeiten erschienene „Der Planetenwanderer“ von George R. R. Martin kämpfen musste und so ist auch so erklären, warum ich noch vor Abschluss von „Das Lied von Eis und Feuer“ mit einer Anthologie aller seiner jemals geschriebenen bzw. erhaltenen Einkaufszettel und Tankquittungen rechne. Zudem ist man von diesem im Nachhinein erschienenen Frühwerk dann oftmals eher enttäuscht, weil es qualitativ nicht mit dem international bekannten Werk mithalten kann, sonst hätte es, das Frühwerk, sich seinerseits ja bereits durchgesetzt. Und so hätte es auch im Falle von Graeme Macrae Burnet sein können, denn sein neuer Roman „Das Verschwinden der Adéle Bedeau“ erschien im Original bereits vor dem allenthalben und im letzten Jahr auch von mir hochgelobten „Sein blutiges Projekt„, das es immerhin auf die Shortlist des renommierten Man Booker Prize schaffte. Glücklicherweise stellen sich jegliche vielleicht vorhandenen Sorgen hinsichtlich der literarischen Qualität als unbegründet heraus, denn „Das Verschwinden der Adèle Bedeau“ ist nichts anderes als ein ganz großartiger Roman – wenn man die Stimmung mag, die er verbreitet. Zu Beginn stellt uns der Autor seinen Protagonisten Manfred Baumann und dessen Wohnort, das Städtchen Saint-Louis im Elsass, vor. Baumann ist als Leiter einer Bank beruflich augenscheinlich recht erfolgreich, führt ansonsten allerdings ein Leben, das strengen Routinen unterworfen ist, zu denen unter anderem gehört, dass er in der Mittagspause in immer dasselbe Lokal geht, wo er immer denselben Mittagstisch bestellt und die immer gleiche Menge des immer gleichen Rotweins trinkt. In diesem Lokal trifft er auch erstmals auf die dort als Kellnerin tätige Adèle Bedeau. Bis auf eine kurze Unterhaltung auf dem Heimweg haben beide jedoch nicht viel miteinander zu tun. Als Adèle eines Tages nicht zur Arbeit auftaucht, scheint Baumann der einzige zu sein, der sich wirklich Sorgen um sie macht. Erst als ihre Abwesenheit länger dauert, tritt auch die Polizei in Person von Kommissar Georges Gorski auf den Plan, der die Ermittlungen aufnimmt. Im Zuge dieser Ermittlungen wird auch Baumann vernommen, verneint aber, Adèle außerhalb des Lokals jemals begegnet zu sein, obwohl es Beweise dafür zu geben scheint, und verhält sich auch ansonsten auffällig. Gorski ist sicher, mit ihm den Verantwortlichen für Adèles Verschwinden gefunden zu haben. Der eigentliche Kriminalfall gerät in Burnets Buch sehr schnell in den Hintergrund, im Grunde ist sein Roman oftmals mehr Charakterstudie als Krimi. Allerdings eine ausnehmend gute. Detailliert wird beleuchtet und erklärt, wie die beiden Protagonisten Baumann und Gorski aufgrund ihrer Vorgeschichte zu den Menschen wurden, die sie sind. So leidet Gorski beispielsweise unter einem vor Jahrzehnten unaufgeklärt gebliebenen Mordfall, in dem er für die Ermittlungen zuständig gewesen ist, sowie unter seiner Ehefrau, der er sich im Rückblick viel zu früh an den Hals geworfen hat, die sich selbst für etwas Besseres hält und die keine Gelegenheit auslässt, ihren Mann spüren und wissen zu lassen, dass er „nur“ Polizist ist und wie enttäuscht sie darüber ist, nicht in „besseren“ Kreisen zu verkehren. Baumann wiederum wirkt so verschroben, wie man nur sein kann. Sein Leben zeichnet sich durch die immer gleichen Routinen ab. An immer denselben Wochentagen werden immer dieselben Lokalitäten aufgesucht, in denen er immer dasselbe tut oder bestellt. Niemals würde er von diesen Routinen abweichen, hat er doch den Eindruck, ständig unter Beobachtung seiner Mitmenschen zu stehen. Und wenn er von seinen Gewohnheiten abwiche, so Baumanns Logik, so würden die anderen das bemerken und er würde sich wessen auch immer verdächtig machen. Wie so häufig würden die anderen Menschen im Falle einer Abweichung von seiner Routine genau das über ihn denken, was die meisten Menschen über ihre Mitmenschen denken, nämlich gar nichts. In der Gedankenwelt von Baumann ergibt seine zwanghafte Handlungsweise allerdings durchaus Sinn und Burnet erklärt detailliert, wie es dazu kommen konnte. Darüber soll an dieser Stelle natürlich geschwiegen werden. Wären die beiden Charakterstudien als solche vielleicht etwas wenig, so ist es darüber hinaus in erster Linie die verbreitete Stimmung, die den Roman trägt. Und diese kann durchaus als ausgeprochen trostlos bezeichnet werden. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein, das muss man halt eben nur mögen. Burnet zeichnet ein eher düsteres Bild von Saint-Louis und seinen Bewohnern, von denen im Grunde genommen keiner, aber auch wirklich keiner, als Sympathieträger taugt. Ich mochte dieses eher graue Flair des Buches, manchen mag es aber vielleicht zu trostlos vorkommen. Burnets Roman wird allenthalben mit dem Werk von Georges Simenon verglichen, was ich nicht beurteilen kann, weil ich Simenon noch nicht gelesen habe, zeitnah aber vermutlich mal ändern sollte. Der aufmerksamen Leserschaft des Romans wird aber nicht entgehen, dass sich Burnet auch an anderen Stellen der Weltliteratur bedient hat. So findet sich Camus‘ Existenzialismus nicht nur inhaltlich wieder, er wird auch ganz offen thematisiert. Zudem enthält der Roman, zumindest in meiner Wahrnehmung, Züge von Dostojewskis „Schuld und Sühne“ und irgendwie fühlte ich mich auch an Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker“ erinnert, auch wenn ich diesen Eindruck vielleicht exklusiv habe. Den einzigen Ansatz zur Kritik bietet im Grunde genommen das Nachwort, von dem ich allerdings immer noch nicht weiß, ob ich es als überflüssig betrachten oder nicht doch lieber schelmisch grinsen soll. Wie schon in „Sein blutiges Projekt“, dem er einen realen Hintergrund andichten wollte, versucht Burnet, hier die Illusion zu erschaffen, bei „Das Verschwinden der Adèle Bedeau“ handele es sich lediglich um die Übersetzung eines im französischen schon vor Jahrzehnten erschienenen und 1989 von Claude Chabrol verfilmten Romans. Es wird nicht wundern, dass weder der französische Roman noch die besagte Verfilmung jemals existiert haben. Von dieser Idee, seinen Büchern einen realen Hintergrund zu verleihen, mag man halten, was man möchte, die Umsetzung jedoch – das Ganze also eben noch so gerade im Nachwort dranzuhängen – erschien mir persönlich etwas unpassend. Als Einleitung, Prolog oder was auch immer, zumindest aber der eigentlichen Handlung vorangestellt, hätte es besser gewirkt. Aber das ist letztlich Leiden auf hohem Niveau. Wer also Romane mag, die mit ihren Charakterstudien und ihrer Stimmung überzeugen, in leichten Zügen etwas Kammerspielartiges haben, und wer dafür auf actiongeladenes Feuerwerk und hochdramatische Spannung verzichten kann, der dürfte mit „Das Verschwinden der Adèle Bedeau“ glücklich werden. Ich zumindest wurde es.

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Im kleinen elsässischen Ort Saint-Louis nahe Basel und ca. 80 Kilometer von Straßburg entfernt, lebt es sich wie aus der Zeit gefallen. Und auch dieser Roman selbst scheint, als wäre er zeitlos. Zuerst veröffentlicht im Jahr 2014, nun in Neuauflage bei btb erschienen, gaukelt uns der Autor Graeme Macrae Burnet im Nachwort vor, er wäre lediglich der Übersetzer des Romans. Der echte Autor wäre ein Raymond Brunet, der das Buch bereits 1982 veröffentlicht habe. Hier muss man als Leser tatsächlich genauer recherchieren um nicht aufs Glatteis geführt zu werden. Die Handlung könnte sich jedenfalls in der Tat auch in den frühen 1980er Jahren abgespielt haben, so auffällig ist die Abwesenheit der technischen Meilensteine Mobilfunk und Internet. Im unbekannten Jahr der Handlung sind die Hauptmedien die Regionalzeitung "L'Alsace" und der Dorfklatsch im Restaurant de la Coche. Hier arbeitet die titelgebende Kellnerin Adèle Bedeau (19) und hier geht auch der Bankdirektor Manfred Baumann (36) aus und ein. Der unscheinbare Single und Einzelgänger geht einer strengen Lebensroutine nach, doch als die Kellnerin Adèle verschwindet, gerät diese von einem auf den anderen Tag aus den Fugen. Kriminalkommissar Georges Gorski beginnt im Fall Adèle Bedeau zu ermitteln, wobei Manfred Baumann immer mehr in den Fokus seines Interesses gerät. Hat der seltsame Mann etwas mit Adèles Verschwinden zu tun? Erzählt wird abwechselnd aus der Perspektive Baumanns und Gorskis, wobei wir peu à peu die Lebensgeschichte der beiden Antagonisten serviert bekommen. Der allwissende Erzähler führt dabei alle Erzählstränge sowie Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges zusammen. Die Erzählweise ist dadurch sehr apart und man hat das Gefühl ein Komplize des Erzählers zu sein bzw. einen Film zu schauen. Wenn ich nun definieren würde ob “Das Verschwinden der Adèle Bedeau” ein Kriminalroman ist oder nicht, würde ich schon zuviel verraten, denn ein Großteil der Handlung besteht aus der Frage ob sie tot ist bzw. ermordet wurde oder nicht. Wenn es aber in einem Krimi nicht nur um getötete Leichen geht, sondern auch um die Abgründe und Tragödien der menschlichen Existenz, dann ist dieser Roman definitiv ein solcher. Am ehesten würde ich ihn aber als psychologischen Spannungsroman bezeichnen, denn hochspannend ist er allemal. Hauptsächlich wird eine hochdetaillierte Charakterstudie des - so kann man es wohl sagen - Protagonisten Manfred Baumann angefertigt, die die Tiefenschichten seines psychologischen Profils analysiert. Der Roman ist zusätzlich eine schöne Milieustudie des Lebens in der französischen Provinz der (jüngeren?) Vergangenheit. Wer “leise”, “unblutige” Krimis mit viel Charakter und Ermittlerstory mag, dem kann ich diesen kleinen feinen Roman nur wärmstens ans Herz legen.

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