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Rezensionen zu
Sex und Lügen

Leïla Slimani

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€ 12,00 [D] inkl. MwSt. | € 12,40 [A] | CHF 17,50* (* empf. VK-Preis)

Ich habe mich gefragt, wie und ob es möglichst objektiv gelingen kann, einen feinfühligen und zugleich aufrüttelnden Text über die Thematisierung von weiblicher Sexualität im islamischen Kontext zu schreiben. Denn es handelt sich nicht nur um ein heikles Thema, das es mit Vorsicht zu entfalten gilt, vielmehr bedarf es bestimmten Quellen, die Auskunft über die Situationen von Betroffenen geben ohne sie zu entblößen oder in Gefahr zu bringen. Leila Slimani ist eine Annäherung an dieses Thema unverkennbar geglückt. Ihr neues Werk ist ein nachdrückliches Plädoyer für die Freiheit individueller Sexualität. Die Texte von Slimani gehen unter die Haut. Das erzählerische Tabubrechen zählt zu den Hauptthemen ihres Werkes. Nachdem sie 2014 in Dans le jardin de l’orge das verstörende Porträt einer Nymphomanin zeichnet und Ende 2017 in Dann schlaf auch du die ambigue Mutterrolle in der modernen, westlichen Gesellschaft diskutiert, liefert sie nun mit Sex und Lügen. Gespräche mit Frauen aus der islamischen Welt starken Stoff für die aktuellen Debatten um Feminismus und #metoo. Slimani positioniert sich mit diesem Band strikt gegen die fortwährende Unterdrückung der Frau im islamischen Land Marokko. In einer Ansammlung von persönlichen Geschichten verschiedener Frauen, lässt sie Freundinnen, Prostituierte und Leserinnen zu Worte kommen, die in intimen Berichten ein destruierendes Gesellschaftssystem angreifen, das vor allem Frauen essentielle sexuelle Rechte abspricht. Dabei geht es der Autorin, wie sie im Intro einführt, weniger darum, einen soziologischen Essay, sondern die Gedanken und Worte betroffener Frauen zunächst „ungefiltert“ darzulegen. Dazu gehören ebenso enttabuisierende Versprachlichungen von Traumata und Träumen wie Wut, Angst und schließlich Hoffnung. Dabei treffen Erzählungen von pubertierenden Verliebtheiten junger Mädchen auf erschreckende Details, die von lähmender Angst beim harmlosen Händchenhalten berichten oder fehlgeleiteter elterlicher Fürsorge, die jegliche emotionale Wünsche zu hindern sucht. Ganz im journalistischen Stil stellt Slimani den privaten emotionalen Bekenntnissen unanfechtbare offizielle und inoffizielle Fakten entgegen: „Der Begirff h’chouma“, schreibt die Autorin eingangs, „in etwa übersetzbar mit ‚Schande’ oder ‚Scham’, der jedem von frühester Kindheit eingetrichtert wird, bildet eine weitere Säule der marokkanischen Gesellschaft“, und verweist damit auf moralisch-gesellschaftliche Grenzziehungen, deren Verstoß strafgesetzlich geahndet wird. So wird jede Form außerehelichen Beischlafs laut des marokkanischen Strafgesetzbuches mit Haftstrafen bis zu einem Jahr und Fälle von Ehebruch bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. Erschreckende Realität. Leila Slimani desavouiert damit ein tyrannisches Gesellschaftssystem, das etliche Menschen unterdrückt und fordert mit den mutigen Berichten einzelner Frauen Aufmerksamkeit für ein menschenrechtsverletzendes Gesellschaftsumfeld, gegen das es zu rebellieren gilt. Bitte lesen!

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Obwohl auch in Europa die Emanzipation der Frau noch nicht abgeschlossen ist, kommt uns heute hier vieles normal vor, für das Frauen in anderen Kulturkreisen noch kämpfen müssen, oder wofür sogar noch gar kein Bewusstsein geschaffen wurde. Fluchen wir hier zulande darüber dass junge Frauen aufgrund hypothetischer Schwangerschaften nicht eingestellt werden, denkt man auf der anderen Seite des Erdballs darüber nach wie man ein Kind loswird, nur weil es unehelich gezeugt wurde. Die Autorin versucht diesen Frauen eine Stimme zu geben. Sie hat Geschichten von marokkanischen Frauen zusammen getragen, persönliche Geschichten, die die Zerrissenheit der Frauen in Marokko dokumentieren. Immer hin und hergerissen zwischen Moderne und Tradition, obwohl natürlich ein sehr großer Teil der Probleme daraus erwächst, dass die Gesetze von Männern gemacht werden. Die selbstständige Frau in mir musste doch so einige Male während der Lektüre nach Luft schnappen. Die Autorin nimmt die Geschichten der Frauen und setzt sie in Kontext mit der Religion und der aktuellen Situation im Land sowie dem Status Quo der Gesetzgebung. Und hier wird deutlich, dass die wenigen Frauenrechtlerinnen (noch) einen Kampf gegen Windmühlen führen. Dennoch gibt es ermutigende Ansätze, die eine Verbesserung der Situation möglich machen könnten. Mir war der Umfang dieses Buches entschieden zu gering. Ich hätte so gerne noch viele weitere private Geschichten der Frauen gelesen, da sie wirklich einen guten Einblick geben in eine Kultur, in die man sonst kaum einen Einblick hat. Dennoch muss man dazu sagen dass (diesen Geschichten) zu folge anscheinend nicht alle Vorurteile des Westeuropäers bzgl. des arabischen Raumes und des Frauenbildes dort aus der Luft gegriffen sind. Es sind tatsächlich große Baustellen bzgl. des Frauenbildes vorhanden und die Frauen begreifen das langsam auch selbst. Es bleibt ihnen zu wünschen, dass die Entwicklung sich fortsetzt. Obwohl mich dieses Buch begeistert hat (wegen eines Einblickes), so ist es natürlich auch erschütternd. Ich bekam da schon stellenweise eine Gänsehaut- viele Dinge, die die Frauen beschreiben, wären hier schlichtweg undenkbar. Für mich ein äußerst empfehlenswertes Buch, allerdings, wie gesagt, zu dünn. Da hätten noch mehr Geschichten hineingehört.

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