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Rezensionen zu
Dann schlaf auch du

Leïla Slimani

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Bei dieser Rezension weiß ich wirklich nicht so richtig, wie ich anfangen soll. Dieses Buch ist nämlich wahnsinnig grausam, intensiv und gleichzeitig absolut packend, auch wenn es nicht besonders spannend ist. Mir fällt es jedenfalls richtiggehend schwer, meine Gedanken dazu in Worte zu fassen. Aber fangen wir, wie immer, mit dem Schreibstil der Autorin an. Dieser ist sehr sachlich, schnörkellos und extrem unemotional. Nur hier und da hatte ich überhaupt das Gefühl, dass Geschichte und Schreibstil überhaupt zusammenpassen. Vielleicht war das aber auch besser, da ich so die Handlung, die schon mit dem grausamsten Ereignis beginnt, gar hätte ertragen können. Diese Geschichte hat es in sich. Sie ist nicht wahnsinnig spannend, denn man weiß von Anfang an, was am Ende geschehen wird, doch sie weiß mit ihrer düsteren, lauernden Atmosphäre zu packen und mitzureißen. Man möchte einfach wissen, wie es zu dem Drama kommen konnte, von dem man in den ersten Seiten schon lesen kann. So entwickelt sie sich von Seite zu Seite, wird immer bedrückender und man lernt die jeweiligen Charaktere immer besser kennen, vor allem aber Louise, die ganz anders ist, als es anfangs noch scheint. Dazu aber später mehr. Dabei geht es einerseits um Muttersein, die ganzen großen und kleinen Probleme, die damit verbunden sind, um Ehe, Freundschaft, aber andererseits auch um Einsamkeit, psychische Erkrankungen und darum, dass manchmal der erste, zweite, sogar der dritte Eindruck noch täuschen kann. Doch dann kam das Ende des Buches, ganz abrupt und leider auch mit vielen Fragen. Bei vielen Büchern hätte ich das auch gar nicht besonders schlimm gefunden, aber hier hat es mich gestört, denn das ganze Buch arbeitet eigentlich darauf hin, dass man am Ende alles aufgelöst bekommt. Dementsprechend war ich wirklich enttäuscht. Was die Charaktere angeht, so sind diese alle komplett unterschiedlich, wobei man aber am meisten mit den Eltern Myriam und Paul, sowie deren Nanny Louise zu tun bekommt. Dabei waren mir diese drei allesamt sehr unsympathisch, kaum liebenswert, dennoch konnte ich ihre Denkweisen, ihre Taten und Gefühle irgendwie auch nachvollziehen. Für mich mussten die Charaktere so sein, wie sie sind und sie passen einfach perfekt in die Geschichte, machen diese zu dem, was sie ist. Myriam und Paul sind junge Eltern, die sich auf ihre Karieren konzentrieren wollen und deshalb jemanden suchen, der sich um die beiden noch sehr kleinen Kinder kümmert. Louise hingegen ist eine ältere Dame, welche die Situation scheinbar komplett im Griff hat, deren Hintergründe und vor allem Abgründe man aber erst im Laufe der Geschichte wirklich erfährt. Alles in allem weiß ich nicht, ob ich dieses Buch weiterempfehlen soll. Es ist ein Pageturner und es ist etwas Besonderes in der Art, aber es ist auch ziemlich melancholisch, düster und grausam. Auf jeden Fall sollte man starke Nerven hierfür haben und sich auf die Geschichte einlassen können.

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Wie konnte es dazu kommen? Warum tötet das Kindermädchen ihre geliebten Schützlinge? Ein distanzierter Blick auf eine dunkle Geschichte. Das Buch hat viel Aufruhr verursacht. Die Autorin wurde sehr für ihr Debüt gefeiert. Kann ich mich dem Hype anschließen? Ja. Das Buch ist wirklich außergewöhnlich aufwühlend. Das Ende ist der Anfang. Gleich das erste Kapitel lässt einen schwer schlucken. Die Nanny eines Pariser Ehepaars tötet die beiden kleinen Kinder. Dann springt die Erzählung zum Davor. Die beiden Eltern suchen mit Bedacht nach einem Kindermädchen. Fleißig und liebevoll soll sie sein. Auf jeden Fall legal im Land. Schließlich vertraut man dieser Person seine Kinder an, da darf man kein Auge zudrücken. Sie finden Louise – sie ist perfekt. Nicht nur kümmert sie sich rührend um die Kinder, auch die Wohnung bringt sie auf Vordermann. Doch das Glück währt nicht lange, langsam schleichen sich Zweifel ein. Louise übertritt mehr als einmal eine unsichtbare Grenze zwischen Privatsphäre und Arbeit. Der Leser verfolgt alles mit angehaltenem Atem, schließlich weiß man worauf das ganze hinausläuft. Man fragt sich: Hätte man es eher bemerken müssen? Das Buch ist eine emotionale Hausnummer! Definitiv nichts für zartbeseitete-Happy-End-Liebhaber. Der Hype rührt sicher auch daher, dass dieses Thema sehr düster ist. Geschieben ist das Buch laut Lehrbuch. Klar durchgetaktet und gewürzt mit Details. Wer einen Blick in eine düstere traurige Seele sucht ist hier goldrichtig!

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Gestaltung Constanze Becker hat genau die richtige Stimmfarbe um die Atmosphäre von Dann schlaf auch du zu transportieren. Ihre Stimme klingt etwas dunkler und härter. An manchen Stellen nimmt ihre Stimme dann einen weichen Ton an: Wenn es um die Schwächen unserer Charaktere geht oder deutlich wird, dass sie im Grunde einsam sind. Constanze Becker hat mir den Einstieg in den Roman leicht gemacht und die Geschichte getragen. Ich konnte mich kaum von Dann schlaf auch du lösen. Inhalt Myriam und Paul sind ein glückliches Paar. Sie haben zwei Kinder, die ihre Familie komplett machen. Doch bevor die Kinder kamen, haben sie sich das Familienleben ganz anders vorgestellt. Sie wollten ihre Kinder in den Alltag integrieren, aber nicht auf eigene Wünsche und Bedürfnisse verzichten. Doch nachdem Myriam das zweite Kind bekommen hat, schleicht sich Routine ein. Routine, die der Mutter nicht gut tut. Ihr reicht es nicht, bei ihren Kindern zu bleiben. Sie braucht eine Herausforderung: Also möchte sie zurück in den Beruf. Paul kann und möchte beruflich ebenfalls nicht kürzer treten. Sie brauchen also eine Nanny. Und dann tritt Louise in ihr Leben. Eine Frau, von der man glauben könnte, dass sie der Himmel geschickt hat. Schon zu Beginn der Geschichte bekommen wir den Höhepunkt geliefert, die Tragödie. Toll finde ich, dass diese im Klappentext dennoch nicht beschrieben wird, obwohl sie sich gleich in der ersten halben Stunde des Hörbuches abspielt. Dann bleiben die Fragen: Warum kam es zu diesem Unglück? Was hat dafür gesorgt, dass eine Familie zerbrach und niemand es verhindern konnte? Louise macht sich nützlich. Sie kümmert sich nicht nur um die Kinder, sondern bringt auch die Wohnung auf Vordermann. Paul und Myriam sind dankbar. Sie können sich in Ruhe ihrer Arbeit widmen und wissen, dass zu Hause alles in Ordnung ist. Doch sehen sie wirklich, was Louise leistet? Nehmen sie sie wirklich als Person wahr? Oder ist die Nanny für beide nur ein Schatten? Eie gute Fee, deren Liebenswürdigkeit als selbstverständlich hingenommen werden kann. Schließlich könnte sich Louise ja auch einfach abgrenzen. Es zwingt sie ja niemand, bis spät abends zu bleiben. Immer wieder gibt es Kapitel, die uns einen Einblick in Louises Leben geben. Sie zeigen, wie die Frau früher gelebt hat. Wie es um ihre eigene Familie stand. Obwohl Louise nach außen hin ausgeglichen und ruhig wirkt, sieht es in ihrem Innenleben ganz anders aus. Das zentrale Thema von Dann schlaf auch du ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Und damit sind nicht nur die organisatorischen Herausforderungen gemeint. Hier steht vor allem der Wunsch nach beruflicher Verwirklichung im Vordergrund. Toll finde ich, dass diese Problematik in der Geschichte durch zwei Seiten beleuchtet wird: Zum Einen Myriam und Paul, die ihre Kinder zwar lieben, aber auch die Herausforderung suchen. Und auf der anderen Seite Louise, die die Familie kaum alleine lassen möchte, weil sie nicht weiß, wie sie die Stunden ohne sie füllen kann. Weil sie in eine leere Wohnung kommt, in der niemand auf sie wartet. In der sie von niemandem gebraucht wird. Spannung Den Spannungsbogen hat Leila Slimani sehr gut aufgebaut. Wir erleben die junge Familie zu Beginn und nehmen schnell wahr, dass Myriam in der Rolle der Mutter nicht glücklich ist. Sie schafft es nicht, auf ihre Kinder einzusteigen. Sie vernachlässigt sich selbst und vermisst ihren Beruf. Als Louise in das Leben der Familie tritt, scheint das Glück perfekt. Doch nach und nach erleben wir, wie die Fassade zu bröckeln beginnt. Wie die eigentliche Problematik auf den Tisch kommt. Wir wissen, dass noch etwas passieren wird. Die Bilder der Tragödie, die sich am Anfang des Romanes abspielt, sind noch allzu präsent. Doch als es in Richtung Höhepunkt geht, schwächelt der Spannungsbogen etwas. Bis zu der Stelle, an der die Problematik klar auf den Tisch kommt, finde ich die Geschichte sehr gelungen. Mir fehlte aber der Schritt von Problematik bis hin zu Tragödie. Natürlich bekommen wir eine Erklärung geliefert, diese war mir anhand der vorherigen Tiefe aber fast etwas zu einfach gehalten. Ich konnte in Dann schlaf auch du nur wenige Belege für die Erklärung erkennen. Allerdings kann es auch einfach daran liegen, dass es für solch eine Tragödie eben keine Erklärung geben kann. Schreibstil Leila Slimani schlüpft hier in die Rolle der allwissenden Erzählerin. Sie lässt uns an dem Leben der Familie teilhaben, nimmt uns aber auch mit in die Welt von Louise und deren Familie. Zudem schreibt sie sehr viel in indirekter Rede. Natürlich gibt es auch Dialoge, aber der eigentliche Inhalt spielt sich zwischen den Zeilen, in den Gedanken und Handlungen der Charaktere ab. Leila Slimani hat es geschafft, die eigentlichen Konflikte des Hörbuches toll herauszuarbeiten, ohne etwas vorwegzunehmen oder zu sehr ins Erklärende zu gehen. Ich war fasziniert von ihrer Art Dann schlaf auch du zu erzählen. Gesamteindruck Ich war sehr neugierig auf Dann schlaf auch du und erhoffte mir einen packenden Thriller. Ich bin keinesfalls enttäuscht worden. Toll fand ich, dass wir zu Beginn der Geschichte die Tragödie mitbekamen und so hautnah verfolgen konnten, wie es dazu kam. Allerdings war mir die Auflösung zum Teil etwas zu schwach. Wir bekommen zwar eine Erklärung, allerdings hätte ich mir mehr Belege für diese Erklärung in der Geschichte gewünscht. Die eine Seite konnte ich zwar erahnen, die andere Seite war aber zu schwammig herausgearbeitet. Entschuldigt bitte, meine Andeutungen, aber ich möchte euch in meiner Rezension ja nicht schon die Auflösung verraten. Ich kann dieses Hörbuch jedem empfehlen, der einen guten Thriller sucht. Mir hat Leila Slimani mit Dann schlaf auch du unterhaltsame Hörstunden beschert.

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Im Jahr 2016 hat der Roman „Chanson Douce“ (Wiegenlied) der französisch-marokkanischen Autorin Leila Slimani den Prix Goncourt gewonnen, den wichtigsten Literaturpreis Frankreich. Und auch schon davor war es ein riesen Erfolg im Nachbarland. Und das liegt höchstwahrscheinlich am Thema. Es ist extrem, es trifft einen Nerv und es ist einfach der pure Wahnsinn. „Das Baby ist tot. Wenige Sekunden haben genügt. Der Arzt hat versichert, dass es nicht leiden musste. Man hat es in eine graue Hülle gelegt und den Reißverschluss über dem verrenkten Körper zugezogen, der inmitten der Spielzeuge trieb. Die Kleine war dagegen am Leben, als die Sanitäter kamen. Sie hatte sich gewehrt wie eine Wilde.“ Wenn es um Kinder geht, vor allem um Kindesgefährdung, ist bei den meisten die Grenze erreicht. Doch dieser Roman überbietet so einiges, obwohl wir unglaublich übersättigt von Thrillern der blutrünstigen, grausamen Art und ja Anfangs mag das vielleicht ein ähnliches Gefühl sein, aber schnell nimmt dieser Adrenalin Kick ab und der Roman wird nüchtern, es geht noch viel tiefer und berührt uns in einer Art Hilflosigkeit die wir nach Beendigung des Buches nicht einfach abstreifen können. Ein Traumpaar, Myriam und Paul Masse, sie gehören der gehobenen Mittelschicht in Paris an, sie sind gebildet, sie Juristin und er Musikproduzent. Dem glücklichen Paar schenkt der Herr Gott auch noch zwei tolle Wunschkinder, eine bezauberndes Mädchen und ein zuckersüße Junge, die von ihren Eltern unendlich geliebt werden. Aber Myriam sehnt sich nach dem zweiten Kind wieder zurück in die Berufswelt. Dass Paul Masse in seinem spannenden Job nicht kürzer treten kann, ist auch selbstverständlich (Ironie Ende). Großeltern sind nicht da, die möchten auf dem Land ihren letzten Lebensabschnitt genießen. Eindeutig: Es muss eine Nanny her, weil auch keine Krippe in der Nähe ist. Es werden Castings durchgeführt, um die perfekte Nanny zu finden und so offen und liberal die beiden auch sind, sie haben ganz bestimmte Kriterien. „Das Wichtigste ist, dass sie flexibel ist und nicht so dröge, dass sie schuftet, damit wir schuften können.“ Wir spüren die Arroganz der Reichen und Zahlenden stark am Ehepaar Masse und da kommt Louise perfekt gelegen, sie ist die Erfüllung aller Erwartungen: Französin, alleinstehend, keine Kinder, mittleres Alter und die Kinder lieben sie sofort. Wenn die Masses heim kommen ist der Haushalt gemacht, Essen steht auf dem Tisch, die Kinder sind gebadet, müde und zufrieden. Die Familie wird abhängig von „Nounou“ und ignoriert auch unheilvolle Zeichen. Doch Louise ist eine psychisch kranke Frau, die immer labiler wird und mit vielen eigenen Problemen zu kämpfen an, für die sich ihre Arbeitgeber kein bisschen interessieren. Leila Slimani erzählt diese Entwicklung einfach grandios und trifft bei mir einen Nerv. Ich hatte während dem Lesen einfach ständig die Frage „Aber warum tut man sowas?“ im Hinterkopf. Diese Geschichte ist zudem von einem realen Fall aus New York inspiriert worden. Was diesen Roman auch noch interessant macht ist die Gesellschaftskritik, die zwischen den Zeilen steckt, nämlich die Kluft zwischen arm und reich. Slimani hat hier einen soziologisches Buch geschrieben, dass uns zwar schockiert, aber nicht an die Protagonisten ran lässt, weshalb wir keine tiefere Verbindung zu ihnen aufbauen können. Das mag zwar schade sein, aber dennoch muss ich sagen, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat und es absolut lesenswert ist. Hiermit möchte ich mich auch an dem randomhouse Verlag und dem Luchterhand Verlag ganz herzlich für das Rezensionsexemplar bedanken. Liebe Grüße Feyza

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3 Dinge, die mir spontan zum Buch einfallen: ich werde nie verstehen, weshalb sich Leila mit Trema schreibt, wunderschönes Cover mit toll geriffeltem Papier, nein! die Frau hat nix mit den Slimanis auf Youtube zu tun! Das sagt der Verlag zum Buch: Sie wollen das perfekte Paar sein, Kinder und Beruf unter einen Hut bringen, alles irgendwie richtig machen. Und sie finden die ideale Nanny, die ihnen das alles erst möglich macht. Doch wie gut kann man einen fremden Menschen kennen? Und wie sehr kann man ihm vertrauen? Sie haben Glück gehabt, denken sich Myriam und Paul, als sie Louise einstellen – eine Nanny wie aus dem Bilderbuch, die auf ihre beiden kleinen Kinder aufpasst, in der schönen Pariser Altbauwohnung im 10. Arrondissement. Wie mit unsichtbaren Fäden hält Louise die Familie zusammen, ebenso unbemerkt wie mächtig. In wenigen Wochen schon ist sie unentbehrlich geworden. Myriam und Paul ahnen nichts von den Abgründen und von der Verletzlichkeit der Frau, der sie das Kostbarste anvertrauen, das sie besitzen. Von der tiefen Einsamkeit, in der sich die fünfzigjährige Frau zu verlieren droht. Bis eines Tages die Tragödie über die kleine Familie hereinbricht. Ebenso unaufhaltsam wie schrecklich. Meine bescheidene Meinung: Mal wieder ein Buch, bei dem es mir alles andere als leicht fällt, eine Rezension zu schreiben. Nicht, weil es besonders gut oder besonders schlecht wäre – im Gegenteil: ich weiß nicht, wo ich anfangen und wo aufhören soll… Die Handlung beginnt schon mal mit einem Paukenschlag und hat mich so sehr in ihren Bann gezogen, dass ich einfach weiterlesen musste. Dran glauben mussten auch noch gefühlte hundert Post Its, denn es gab Textstellen, die konnte man gar nicht zurücklassen, ohne sie nicht vorher markiert zu haben, wie zum Beispiel diese hier, die Louises Macht, die sie binnen kürzester Zeit erlangt hat, auf das Treffendste beschreibt: Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr perfektioniert Louise die Kunst, zugleich unsichtbar und unverzichtbar zu sein. […] Sie ist die Wölfin mit der Zitze, an der sie alle trinken, die verlässliche Quelle ihre Familienglücks. (S. 55) Louise hat einen Strauß Dahlien ins Wohnzimmer gestellt. […] Wir können unmöglich auf sie verzichten, denken sie. Sie reagieren wie verwöhnte Kinder, wie Hauskatzen. (S. 131) Slimani macht es dem Leser schwer, wenn nicht sogar unmöglich, Louise, Paul oder Myriam zu mögen und dies aus unterschiedlichen Gründen: bei Louise handelt es sich um etwas Offensichtliches, das ich jedoch nicht spoilern will, auch wenn es auf der ersten Seite schon ersichtlich ist. Bei Paul und Myriam war es in meinen Augen ebenso einfach: sie sind durch und durch Opportunisten. Sie möchten einfach alles auf einmal haben: Kinder, die behütet aufwachsen, regelmäßige Mahlzeiten bekommen und abends mit einer Gutenacht-Geschichte ins Bett gehen. Wer hier einhakt und sagt, dass das ja nun wirklich nichts Verwerfliches ist, kann ich bis hierhin zustimmen. Allerdings lechzen beide auch nach ihrer beruflichen Karriere und so wird es immer mehr Usus, dass Louise nicht nur die Nanny, sondern auch das Mädchen für alles gibt: neben dem Kinderaufpassen kocht sie, putzt, kauft ein und ermöglicht so allen Beteiligten einen reibungslosen Tagesablauf. Sie kommt morgens in der Früh, damit Myriam in die Kanzlei oder zu Gericht gehen kann und geht erst spät in der Nacht, wenn diese wieder den Weg in die Altbauwohnung im 10. Arondissement gefunden hat. Paul verbringt seine Nächte im Studio, gierig nach Musik, nach neuen Ideen, nach Lachanfällen. […] „Louise ist doch da!“, sagt er seiner Frau immer wieder, wenn sie sich besorgt über ihre häufigen Abwesenheiten zeigt. (S. 116) Wer nun denkt: arme Louise – die wird ja komplett ausgenutzt! liegt nicht ganz richtig, denn tatsächlich ist dieses Arrangement eine absolute Win-Win Situation für alle. Trotzdem kann man sich des Eindrucks, dass Louise einfach nur ausgenutzt wird, nicht erwehren. Selbst die Tatsache, dass das Paar die ältere Dame mit in den Griechenland-Urlaub nimmt, hinterließ bei mir einen mehr als bitteren Nachgeschmack; so beschreibt Slimani Pauls Reaktion auf die Tatsache, dass Louise nicht schwimmen kann, folgendermaßen: Die Nanny ist beschämt zurückgewichen. Sie wollen gerade eine Erklärung von ihr verlangen, als sie langsam murmelt: „Ich habe Ihnen nicht gesagt, dss ich nicht schwimmen kann.“ […] Paul ist peinlich berührt, und dieses Gefühl macht ihn wütend. Er nimmt es Louise übel, dass sie ihre Bedürfnisse und ihre Schwäche mit hierhergebracht hat. Dass ihre Leidensmiene ihnen den Tag vermiest. (S. 69) Und ja, ich weiß: dazu gehören immer 2 Parteien: die, die es macht und die andere, die es mit sich machen lässt. Und auch wenn ich Louise nicht mag, tut sie mir leid, da sie einen sehr bedürftigen Eindruck auf mich macht, der sich auch durch die Macht, die sie ob ihrer aufopfernden und omniipräsenten Art erlangt hat, nicht übertünchen lässt: Sie lebt als Witwe, deren Tochter bereits vor Jahren das Haus auf Nimmerwiedersehen verlassen hat, in einem schmuddeligen Einzimmer-Appartement am Rande von Paris. Auch hier schafft es Leïla Slimani wieder wortgewaltig und anschaulich, der Person Louise und auch der Stadt, in der sie lebt – Paris – ein hässliches Gesicht zu geben Die Einsamkeit hat sich aufgetan wie ein klaffender Riss, ind em Louise sich versinken sah. Die Einsamkeit, die an ihrem Körper, an ihren Kleidern haftete, fing an, ihre Züge zu modellieren und ihr die Gesten eines alten Mütterchens zu verleihen. […] Jeden Tag traf sie Schicksalsgenossen, Schwachsinnige, Clochards, Letue, die Selbstgespräche führten. (S. 98f) Das ist die Sorte Mann, die sie verdient. Der Typ,den keiner haben will, aber den sie, Louise, nimmt, so wie sie gebrauchte Kleidung nimmt oder schon gelesene Zeitschriften mit herausgerissenen Seiten oder sogar Waffeln, die die Kinder halb aufgegessen haben. (S. 140) Wie man unschwer sehen kann, ein nicht unbedingt lebensbejahendes Buch, eher eines, das nicht nur den Finger in die Wunden unserer Gesellschaft legt und ordentlich darin herumstochert – nein, das reicht Leïla Slimani nicht – sie streut noch meisterlich eine Prise Salz hinterher. Das Paris, das der Leser durch Louises Augen sieht, erinnerte mich leider sehr oft an das Lied The Streets of London von Ralph McTell, welches – passenderweise – ursprünglich Streets of Paris hieß. Ich bin die ganzen 223 Seiten (die sich wie ein Vierfaches lasen) ein gewisses beklemmendes Gefühl nicht losgeworden, was nicht zuletzt an den letzten beiden Sätzen liegt: Kommt, Kinder. Ab in die Badewanne. Irgendwann möchte ich das Buch nochmal im Original (Chanson Douce) lesen – die Übersetzung kam mir manchmal was die Zeitenübersetzung anging, etwas holprig vor (wenn z. B. bei durchgängigem Präsens stellenweise und plakativ Plusquamperfekt benutzt wird). Ein gewaltiges Werk, das noch lange in einem nachhallt und einen im besten Fall das eigene Tun auch mal überdenken lässt und veranlasst, bei unserem Gegenüber vielleicht etwas genauer hinzuschauen.

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"Das Baby ist tot." Die französisch-marokkanische Autorin Leila Slimani hat mit ihrem Buch „Dann schlaf auch du“, für das sie in Frankreich mit dem höchsten Literaturpreis des Landes, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet wurde, den Alptraum einer jeden Mutter in Literatur verwandelt. Ich glaube, wirklich jede Mutter kennt diese Furcht, dass man die Kinder zur Strafe dafür, dass man sie allein lässt, nie wieder lebend sieht. Ich wollte dieses Buch zunächst nicht lesen. Denn ich kann es, seitdem ich selbst Kinder habe, nur schwer ertragen, wenn in einem Buch oder Film Kindern Leid geschieht. Es fällt mir schwer, davon zu abstrahieren. Dennoch war ich neugierig und las diesen ersten Satz. „Das Baby ist tot.“, der sofort eine unglaubliche Sogwirkung erzeugte. Ich konnte das Buch nicht mehr beiseitelegen. Myriam und Paul sind ein ganz normales Pariser Paar, das so aber auch in New York, Berlin, London leben könnte. Sie hat ein Jurastudium erfolgreich abgeschlossen, er produziert Musik. Sie haben eine Wohnung mitten in der Stadt. Sie wünschen sich eine Familie. Als Mila kommt, ist es für Myriam selbstverständlich, zunächst zuhause zu bleiben. Sie hat ein hohes Ideal davon, wie sie als Mutter sein möchte. Dieses Ideal beinhaltet, dass sie sich sehr intensiv um ihr Kind kümmert, dass nur sie ihr Kind wirklich kennt und weiß, was es braucht. Schon nach geraumer Zeit fällt es ihr nicht mehr so leicht. Sie langweilt sich und die stupide Hausarbeit, das intellektuell wenig anregende Zusammensein mit einem Kleinkind sind ihr nicht genug. Nach etwas über einem Jahr kommt Adam auf die Welt, ein zweites Wunschkind für Myriam, die die Kinder auch nutzt, um vor den Ansprüchen der Berufswelt zu flüchten. Mit zwei kleinen Kindern aber kollabiert in Myriam etwas. Während ihr Mann weiter draußen arbeitet, fühlt sie sich wie im Gefängnis. Als sich ihr die Chance bietet, als Anwältin in die Kanzlei eines alten Studienkollegen einzusteigen, greift sie zu. „Sie hatte die Vorstellung immer weit von sich gewiesen, dass die Kinder ihren persönlichen Erfolg und ihre Freiheit beeinträchtigen könnten. Wie ein Anker, der einen mit nach unten reißt, der das Gesicht des Ertrunkenen in den Schlamm zieht. Diese Erkenntnis hat sie anfangs total deprimiert. Sie fand es ungerecht und entsetzlich frustrierend. Ihr war klar geworden, dass sie das Gefühl, unvollkommen zu sein, die Dinge nicht richtig zu machen, einen Bereich ihres Lebens zugunsten eines anderen zu opfern, nie wieder loswerden würde. Sie hatte ein Riesendrama daraus gemacht und partout nicht von ihrer Idealvorstellung der Mutterrolle abweichen wollen. Hatte darauf beharrt zu glauben, dass alles möglich sei, dass sie alle ihre Ziele erreichen würde, dass sie weder verbittert noch erschöpft sein würde. Dass sie weder die Märtyererin noch die Mutter Courage geben würde.“ Paul und Myriam geben ein Inserat auf und finden Louise, die scheinbar perfekte Nanny, Nounou genannt, die sich innerhalb kürzester Zeit in ihr Leben einnistet, die sich unentbehrlich macht, nicht nur die Kinder betreut, sondern auch den Haushalt schmeisst, unzählige Überstunden klaglos macht. Das klingt vielleicht wie ein Klischee, aber das Buch bedient an keiner Stelle Klischeevorstellungen. Die Zeichnungen der Personen, vor allem auch Louise', sind psychologisch feinsinnig und tiefgründig. Die Verzweiflung dieser Frau, ihre Einsamkeit, ihre Armut. Sie lebt vollkommen am Rande der Gesellschaft und niemand schaut hinter ihre Fassade aus rosa Nagellack und wohl riechendem Puder. Paul und Myriam vertrauen ihr rund um die Uhr ihre Kinder an, nehmen sie mit in den Urlaub, und bemerken trotz zunehmender Zeichen nicht, wie verzweifelt, wie nah am Abgrund diese Frau sich bewegt. Sie wollen es vielleicht auch nicht bemerken, denn es würde dieses Konstrukt bedrohen, das ihr Alltag ist und der ohne Nounou nicht funktionieren könnte. Auch Myriam wird sehr empathisch und für mich absolut überzeugend gezeichnet, in ihr das Dilemma der modernen Frau, die auch Mutter sein möchte. Die in jeder ihrer Rollen perfekt sein möchte, es könnte kaum besser beschrieben werden. Louise und Myriam. Zwei Frauen, die sich wie zwei Seiten einer Medaille gegenüberstehen. Zwei Typen, die beide nötig sind, um die moderne Gesellschaft rollen zu lassen. Der Autorin gelingt es, diese beiden Frauen liebevoll darzustellen. Der Leser kommt beiden sehr nah und es ist unmöglich, ein Urteil über sie zu fällen. Vielmehr nimmt man das Dilemma wahr, dass die Frauen stellvertretend für die gesamte Gesellschaft tragen. Wenn Egoismus das Mittel ist, Erfolg zu haben, dann stehen Mütter, die aufgrund ihrer Rollen per definitionem ein gehöriges Maß an Selbstlosigkeit benötigen, um die Bedürfnisse ihrer Kinder erfüllen zu können, in einer spagatartigen Grätsche über einem Abgrund. Jede Mutter, die Karriere machen möchte, benötigt jemanden, die an ihrer Statt für ihre Kinder sorgt. Wir wissen über Psychologie heutzutage viel zu viel, um nicht auch zu wissen, dass Kinder, deren Bedürfnisse konsequent missachtet werden, leiden. Wir wissen auch, dass es nicht damit getan ist, die Bedürfnisse von Kindern mechanisch zu erfüllen. Sie müssen wirklich geliebt werden. Wenn die Eltern dazu kaum Timeslots frei haben, dies aber eine andere Person, wie im Buch Louise, scheinbar perfekt übernimmt, klaffen die Problemzonen weit offen. Wie viele Kinder hat diese Frau bereits an Eltern statt versorgt und wie ihre eigenen Kinder geliebt? Wurde sie von irgendeinem Kind jemals wie eine Mutter zurück geliebt? Welche emotionalen Kosten verursacht ein solches Arrangement auf allen Seiten? All diese Abgründe unserer Gesellschaft, die sich an den Kinderfrauen und Müttern so deutlich ablesen lesen, beschreibt die Autorin glasklar und präzise, ohne Pathos. Da ist es nur konsequent, dass Paul, obzwar deutlich gezeichnet, letztendlich eine Randfigur bleibt. Er hat weder Schuldgefühle noch wird er von irgendwem verantwortlich gemacht. Slimanis Buch entwickelt vom ersten Satz an „Das Baby ist tot.“ eine inhärente Logik, die einen nicht mehr los lässt. Obwohl das Buch brutal ist, traurig, hat es doch von Anfang an eine Schönheit, die in der Sprache liegt, die so klar ist und auf den Punkt trifft. Es gibt keine Überflüssigkeiten, keinen Schnickschnack. Hier wird eine Geschichte erzählt. Vergeudet wird dabei nicht ein Wort. Es ist ein Brennglas, das auf den Zustand unserer modernen Gesellschaft gerichtet ist. Was geschieht in dieser Gesellschaft mit Müttern, mit Kindern, mit jenen Personen, die schlecht bezahlt unsere Kinder betreuen müssen und die im Berufsleben geforderte Flexibilität der Eltern mit eigenen Opfern erst ermöglichen? Was geschieht in unserer Gesellschaft mit berechtigten Bedürfnissen und tiefen Gefühlen? Es ist ein Buch über die Einsamkeit der Frauen in unserer Leistungsgesellschaft, die immer noch mit einem großen Teil der Arbeit und des schlechten Gewissens alleine zurecht kommen müssen und auch untereinander wenig Solidarität erfahren und geben. Das erfährt Myriam zum Beispiel knallhart mit ihrer Schwiegermutter: "Sie hat Myriam verantwortungslos und egoistisch genannt. Hat an ihren Fingern all die Dienstreisen aufgezählt, die sie unternommen hatte, selbst wenn Adam krank und Paul gerade mit der Fertigstellung eines neuen Albums beschäftigt war. ... Sie hatte nicht die Kraft, sich gegen diese Anklagen zu verteidigen, ... Da war nicht das kleinste bisschen Raum für Nachsicht und Mitgefühl. Nicht ein wohlmeinender Rat wurde erteilt, von Mutter zu Mutter, von Frau zu Frau." Last but not least ist es ein hochgradig feinsinniger und lückenlos gestrickter Thriller. Wir wissen von der ersten Seite an, dass die Kinder sterben und wer sie ermordet. Dennoch wird die Spannung von Seite zu Seite größer, will man immer unbedingter durchdringen, wie es dazu kommen konnte. Leila Slimani seziert die Vorgeschichte Schritt für Schritt. Sie erzählt einfach, was geschehen ist. So ist dieses Buch auch ein psychologisches Meisterwerk und ich möchte in vieler Hinsicht eine große Leseempfehlung für das Werk aussprechen! Herzlichen Dank an den Luchterhand Verlag für das Rezensionsexemplar. Dieses Buch wird mir sicher noch lange Stoff zum Nachdenken geben. (c) Susanne Becker

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Mit „Dann schlaf auch du“ baut Leïla Slimani ein eindringliches Portrait einer Familie auf, wie man sie aus Filmen oder Büchern kennt: Mann und Frau arbeiten Vollzeit und sehr energisch ihren ehrgeizigen beruflichen Zielen entgegen, während die Kinder von einer Nanny gehütet werden. Doch das war nicht immer so, denn Myriam ringt zunächst mit sich selbst, ob sie ihr Heiligstes einer Tagesmutter überlassen möchte, bevor sie wieder ins Karriereleben einsteigt. Ihr Mann Paul unterstützt sie und gemeinsam machen die Beiden sich auf die Suche nach der perfekten Nanny. Auftritt Louise: Die Frau mittleren Alters wohnt alleine und ist komplett flexibel. Ihr ganzes Leben lang hütet sie schon die Kinder anderer. Die Referenzen sind toll, die Nanny macht einen guten Eindruck und versteht sich auf Anhieb mit den Kindern — das muss das Kindermädchen ihrer Träume sein! Es entwickelt sich eine starke Abhängigkeit, nicht nur Pauls und Myriams von Louise, sondern auch umgekehrt: An den Wochenenden oder an freien Tagen sehnt sich die Nanny nach den Kindern, nach dem Haushalt „ihrer“ Familie, verliert sich immer tiefer in ein tiefes Loch, bis eines Tages die sonst stets gefasste Fassade der perfekten Kinderfrau zu brechen droht. „Meine Nanny ist eine Fee.“ Das sagt Myriam, wenn sie erzählt, wie Louise in ihren Alltag geplatzt ist. „Das Baby ist tot.“ — Mit diesem Satz beginnt Leïla Slimanis preisgekröntes Buch. Der Leser findet sich in einem Scherbenhaufen wieder, einer Szene, der Probleme, Streits und Eskalation vorangehen müssten – bis auf die Tatsache, dass es kaum etwas derartiges gab. Die mustergültige Nanny erledigte ihren Job tadellos, liebte die beiden Kinder abgöttisch und verlor so gut wie nie die Fassade. Bis auf die Male, wo sie sich auf die Nachbarin ihrer Familie stürzt und sie um Arbeit anfleht, damit sie ihre Rechnungen bezahlen kann. Die Leere, die sie einhüllt, sobald sie nach Hause fahren muss. Das endlose Schwarz, das ihr Leben ist. Doch genügen diese Gründe, um einen Mord an zwei kleinen Kindern zu verüben? Leïla Slimani hebt den Leser in die Rolle des Richters, der anhand der ihm vorliegenden Geschichte urteilen muss, ob es Gründe gab. Gründe, die Louises Tat in irgendeiner Weise rechtfertigen. Wir erfahren die Hintergründe der Nanny, ihre Vergangenheit wird uns in einigen Kapiteln näher gebracht. Wir erfahren, wie Paul und Myriam besorgt um die Gesundheit der Nanny sind, die ein leicht zwanghaftes Verhalten an den Tag legt und strikt gegen Verschwendung vorgeht, indem sie die Kinder beispielsweise ein von Myriam bereits weggeworfenes Hühnchen aus dem Müll fischt und bis zum Knochen verspeisen lässt. Wir erfahren, wie trist Louises Alltag außerhalb ihrer Arbeit ist, wie sie sich selbst und vor allem ihre Seele immer weiter in Richtung eines schwarzen Loch treiben lässt, wie sie immer abhängiger von ihrer Arbeit wird und Paul und Myriam sogar heimlich ihren Wunsch nach einem dritten Kind unterschmuggeln will, das die Beiden „für sie“ zeugen sollen, damit sie als Nounou der Kinder nicht ausgedient hat und sich die Familie noch weiter von ihr abhängig macht. Mit Schrecken kann der Leser beobachten, welche Abgründe sich während Myriams und Pauls Abwesenheit in Louise auftun, und wenn wir als Leser nicht schon den schlimmen Ausgang kennen würden, würde man ihn doch im Verlauf des Buchs irgendwann vermuten. Louise hat sich gegen Ende der Geschichte so sehr in das Leben der Familie eingenistet, dass selbst, als ihr Verhalten eine Grenze überschreitet, Myriam und Paul ratlos sind, wie sie die Nanny wieder loswerden können. Louise zu kündigen erscheint nicht als Möglichkeit: "Sicher, man könnte einfach einen Schlussstrich ziehen, das Ganze hier beenden. Aber Louise hat die Schlüssel zu ihrer Wohnung, sie weiß alles, sie hat sich so gründlich in ihrem Leben eingenistet, dass es jetzt unmöglich erscheint, sie daraus zu entfernen. Sie werden sie hinausdrängen, und die Nounou wird wiederkommen. Sie werden Lebewohl sagen, und Louise wird gegen die Tür hämmern, sie wird trotzdem hereinkommen, drohend, wie ein gekränkter Liebhaber." Fazit: Leïla Slimani schafft es, mit ihrem Roman „Dann schlaf auch du“ eine unangenehme Grundstimmung zu erzeugen, man ist permanent angespannt, ob die Nanny bereits vor ihrer Gräueltat damit beginnt, Brotkrumen zu streuen, die darauf hinweisen könnten, dass sie zu so etwas fähig ist. Bei eines Szene habe ich mir dies tatsächlich auch gedacht, und die Eindrücke anderer Personen von Louise, beispielsweise von ihrem Vermieter, dem ihre Art, ihre Kälte, unangenehm ist, bestätigen die Theorie von den ersten Anzeichen. Dadurch, dass der Leser bereits zu Beginn des Buchs das Grauen erfährt, was Myriam und Paul widerfahren ist, hat der Roman seine Spannung direkt nach vorne gepackt, einen wirklichen Spannungsanstieg zum Ende hin gibt es nicht, nur eben die bereits erwähnte Grundspannung. Mich persönlich hat das Ende des Romans enttäuscht. Nichtsdestotrotz erzählt Slimani diese Geschichte eindringlich, mit klaren Worten und in einem Schreibstil, der den Leser aufsaugt und erst wieder freigibt, wenn das Buch zu Ende ist. Punktabzug gibt es wegen dem leider nicht so gelungenen Ende.

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Tiefgründig

Von: Deltajani

20.10.2017

Ich hatte Angst, dass bereits schon zu viel verraten worden ist, denn mit 224 Seiten ist das Buch auch verhältnismäßig dünn. Doch viel mehr geht das Buch in die Tiefe und die Psyche von Louise. Warum sie so ist wie sie ist. Man lernt sie kennen und fühlt mit ihr. Man erfährt, dass sie Alleinerziehend ist und ihren Lebensunterhalt schon immer damit verdiente sich um die Kinder von anderen - denen es meist deutlich besser im Leben ging als ihr - zu kümmern. Es ist besonders eindrucksvoll dargestellt wie sich Louise immer mehr verändert, glaubt sie doch ihr perfektes Leben gefunden zu haben. Auch die Kinder lieben ihr neues Kindermädchen, und da Louise auch im Haushalt zur Hand geht gehört sie bald zur Familie mit dazu. Doch wie es Louise geht wenn sie sich nicht um die Kids kümmert sieht keiner, will keiner sehen. Louise sieht es als Chance ein besseres Leben zu haben und aus ihrem Loch zu entkommen. Doch sie merkt dabei nicht, dass sie immer mehr klammert, sich zum negativen verändert und Myriam und Paul immer öfter mit ihr nicht zufrieden sind. Während des Lesens erfährt man immer wieder Details aus der Sicht von Bekannten von Louise, ihrer Tochter, dem Vermieter. Und versteht so immer mehr was wohl in ihr vorgehen mag. Der Prolog ist im Grunde sogleich das Ende - als Leser weiß man somit von Anfang an auf was er sich einlässt und ist sofort von der Geschichte gefesselt. Die Charaktere sind so unterschiedlich, so facettenreich und man kann sich in jeden einzelnen hinenversetzen. Es ist eine wunderbar erzählte Geschichte, ein Roman der unter die Haut geht und einen vielleicht auch einmal nachdenken lässt über sein eigenes Leben, seine Prioritäten und vielleicht auch darüber wie sehr man sich für seine Mitmenschen interessiert.

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