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Rezensionen zu
Über alle Grenzen

Hera Lind

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€ 12,00 [D] inkl. MwSt. | € 12,40 [A] | CHF 17,50* (* empf. VK-Preis)

Inhalt: Voller Begeisterung zieht die bayrische Familie Alexander in den späten 1950er-Jahren vom Chiemsee nach Thüringen, wo der Vater Direktor im Erfurter Zoo wird. Ein Paradies für die Kinder Lotte, Bruno und deren Schwestern. Doch dann wird die Mauer gebaut, und es gibt kein Zurück. Obwohl der musikalisch hochtalentierte Bruno gerade frisch verheiratet und Vater geworden ist, flieht er Hals über Kopf in den Westen. Er ist frei, hinterlässt aber eine geschockte Familie, deren Leben nun vollends aus den Fugen gerät. Besonders als Bruno den Vater anfleht, seiner Frau und dem Baby zur Flucht zu verhelfen… (übernommen) Meine Meinung: Dieser Roman passiert auf wahren Begebenheiten und zeigt das Schicksal einer Familie im geteilten Deutschland auf. Burschi - hochtalentiert musikalisch - möchte einfach seine Träume leben und durch eine unüberlegte Handlung flieht er. Was diese Flucht an Wellen schlägt, ist authentisch schockierend im Buch dokumentiert. Sogar die Familie seiner Schwester muss noch für seine Handlung geradestehen und sehr bewegend wird ihr Alltag in der DDR geschildert. Der Roman erzählt in der Vergangenheit der DDR abwechselnd mit der Gegenwart, wo wir den Alltag als Pflegefall mit all seinen Hürden und Schwierigkeiten kennen lernen, aber auch der liebevollen schwesterlichen Betreuung begegnen. Durch die wechselnde Erzählperspektive der Vergangenheit und der Gegenwart wurde mir als Leser teilweise befürchtete Schrecken genommen bzw. auch bestätigt, was manchmal der entstehenden Spannung die Auflösung nahm (zB die Flucht, ob sie glückt). Sehr berührt hat mich auch das Nachwort, wo wir über die realen Personen des Romans und ihren authentischen Erlebnissen erfahren. Fazit: zwei emotionale Themen (Flucht aus der DDR und das Leben als Pflegefall) wurden zu einem authentischen Roman zusammengefasst. Mir persönlich hätte für die Geschichte auch ein Thema gereicht, um es vollends emotional auszuschöpfen. So war ich etwas hin und her gerissen, aber das Buch ist mir lesenswerte mauerniederreißende 4 Sterne wert.

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Ein deutsches Schicksal

Von: Christine A. aus Düsseldorf

16.05.2019

Es ist ein verlockendes Angebot für den Tropenmediziner und Tierarzt Werner Alexander. Ende der 50iger Jahre wird ein Direktor für den Erfurter Zoo gesucht. Die ganze Familie übersiedelt von Bayern in den Osten. Da konnte noch niemand ahnen, dass nur wenige Jahre später diese Entscheidung in eine Katastrophe führte. Inzwischen wurde die Mauer gebaut und die Familie Alexander fühlt sich im Osten gefangen, die Direktorenstelle wurde längst mit einem linientreuen Parteigänger ersetzt. Später führt dann noch die versuchte Republikflucht des Sohnes Bruno zu ständigen Repressalien und Bruno ins Gefängnis. Die zweite Zeitebene des Romans spielt in der Gegenwart. Lotte hat nach vielen Jahren ihren verschollenen Bruno ausfindig gemacht. Nach den vielen Gefängnisjahren hat er keinen Platz in der Gesellschaft mehr gefunden, seine Familie zerbrach an seinem Alkoholmissbrauch und seinen Gewaltausbrüchen. Er vegetiert inzwischen krank und verwirrt in einem Pflegeheim vor sich hin. Lotte setzt alles daran, dem Bruder die letzte Lebenszeit besser zu machen und auch seine Kinder zu finden um sie zur Aussöhnung zu bewegen. Es sind also gleich zwei große Themenkreise, die Hera Lind in ihrem Buch zusammenfasst. Wobei wir im Nachwort von Protagonistinnen hören, auf deren Erlebnissen und Aufzeichnungen die Rahmenhandlung des Buches beruht. Lebendige, erlebte Geschichte – das hat mich neugierig gemacht und interessiert. Sehr anschaulich finde ich das eingeschränkte Leben in der DDR geschildert. Die Bespitzlungen und Eintragungen der Stasi sind für die Familie einschneidend, die Kinder bekommen keine Zeugnisse mehr, eine weiterführende Schule ist unmöglich, all das weiß man aus vielen Berichten. Fast unfreiwillig komisch präsentiert sich die Stasi, wenn später in den Überwachungsprotokollen eine nasebohrenden Tochter aufgeführt wird, die von der Schwester ein Taschentuch gereicht bekommt. Schikane und genaues deutsches Beamtentum ergeben zuweilen eine absurde Mischung. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass Hera Lind sich nicht ganz exakt in den Sprachgebrauch der damaligen DDR einfühlen konnte. Zu viele Anglizismen und aktuellere Redewendungen sind ihr da in den Text gerutscht. Der zweite Themenkreis – das Wiederfinden des Bruders in einer Pflegeeinrichtung – zeigt das ganze Elend des Pflegenotstandes. Bruno, der kaum noch artikulieren kann und Sozialhilfeempfänger ist, wird eigentlich nur noch verwahrt. Lotte kämpft ganz entschieden gegen diese Missstände an und führt geradezu einen Kreuzzug gegen Heimleitung, überarbeitete Pfleger und Gleichgültigkeit. Ich kannte Hera Lind bisher nur von ihrem Erstlingswerk „Ein Mann für jede Tonart“ und auch ihren weiteren beruflichen Werdegang hatte ich nicht verfolgt, so dass dieses Buch tatsächlich eine positive Überraschung für mich war. Ich fand es emotional erzählt und auch durch die authentischen Bezüge besonders interessant.

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Ein wirklich sehr berührender Roman

Von: Rebecca K.

11.05.2019

In den späten 1950er Jahren zieht Familie Alexander vom Chiemsee nach Erfurt wo der Vater den Posten des Zoodirektors übernimmt. Ein kleines Paradies für die fünf Geschwister der Alexanders, aber dann kommt der Mauerbau und nun gibt es wirklich kein Zurück mehr in die alte Heimat. Bruno der einzige Sohn der Familie kommt damit nicht so ganz klar, so dass er gerade frisch verheiratet die Flucht in den Westen wagt. Die Familie bleibt geschockt zurück, doch als Bruno seinen Vater anfleht seiner Frau und seinem Kind zur Flucht zu verhelfen setzt er die Existenz seiner Familie aufs Spiel. Die Romane die auf Tatsachen beruhen von der Autorin Hera Lind empfinde ich immer mit so viel Liebe und Hingabe erzählt, dass ich diese immer sehr gerne Lese. Hier bei diesem Roman hat mich auch die Ost-/Westgeschichte neugierig gemacht und so habe ich sehr gespannt mit dem Lesen begonnen. Der Einstieg ins Buch ist mir recht leicht gefallen und ich bin auch recht zügig durch den Roman durchgekommen was ich so nicht erwartet hätte. Die Zerrissenheit von Bruno aber auch vom Rest der Familie konnte man während des Lesens sehr gut fühlen, auch konnte ich die Gedanken und Gefühle verstehen und bin wirklich froh nicht in der DDR aufgewachsen zu sein. Ich fand es auch berührend wie Lotte sich um ihren Bruder kümmert und ja fast schon mütterlich umsorgt. Nur ganz ehrlich wie sie sich den Nachkommen von Bruno gegenüber verhalten hat, fand ich nicht gut man kann niemanden zwingen und das muss man respektieren. Dem Handlungsverlauf in beiden Handlungssträngen konnte man sehr gut folgen und es war auch wirklich alle so erzählt, dass man alle Entscheidungen nachvollziehen konnte. Auch fand ich während des Lesens gut, dass alles aus der Sicht von Lotte erzählt war und es so nicht verwirrend war zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu wechseln. Der Spannungsbogen war bis zum Schluss erhalten und so konnte man sich so seine Gedanken machen ob auch wirklich alles gut ausgehen wird. Die Handlungsorte empfand ich während des Lesens als so detailliert beschrieben, so dass man sich alles ohne Probleme vor dem inneren Auge entstehen lassen konnte. Auch die verschiedenen Figuren des Romans waren alle sehr liebevoll beschrieben und so konnte man sie sich sehr gut beim Lesen vorstellen. Alles in allem aht mich der Roman zum Lachen und Weinen gebracht, aber auch zum Hoffen und Bangen sowie auch zum Nachdenken und ja es war ein wirklich berührender Roman für den ich sehr gerne alle fünf Sterne vergebe.

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„Über alle Grenzen – Roman nach einer wahren Geschichte“ von Hera Lind im Diana Verlag erschienen. Mit 383 Seiten. In der „Ich“ Form geschrieben von Lotte. Abwechselnd werden Geschichten von früher und jetzt erzählt! Der bayrische Familienvater Hr. Alexander bekommt im Jahr 1960 eine neue Arbeitsstelle als Direktor im Erfurter Zoo/DDR. Seine Frau und Kinder ziehen mit ihm um. Kurz darauf wird die Mauer gebaut zwischen der BRD und der DDR. Die Politische Situation verändert sich immer mehr. Da aber die Familie Alexander eher der BRD zugetan ist, beginnen langsam die Probleme. Wer sich gut mir der DDR stellte konnte Studieren, bekam tolle Job, Telefon, Auto usw..Da die Familie Alexander immer noch „Westkontakt“ pflegt wird ihnen so manches verwehrt bleiben. So wollte auch die Tochter Lotte studieren, durfte aber nur eine Ausbildung zur Sekretärin machen. Was sich bei den vielen Ansuchen schreiben, auszahlte. Sohn Bruno durfte sich Musikalisch Hocharbeiten und wurde ein berühmter Geiger. Jahr 2010. Lotte wohnt mit ihrem Mann Paul in Bayern und sucht schon seit langem ihren Bruder Bruno. Bis auf einmal sein Name in einem Pflegeheim in Norddeutschland auftaucht. Bald machen sich die beiden auf die Reise und besuchen Bruno. Lotte erschrickt, Bruno ist schwer krank. Er ist abgemagert, Alkoholiker, spricht kaum und Inkontinenz. Lotte bemüht sich Bruno in ihrer Nähe in ein Pflegeheim unterzubringen. Nach vielen Ansuchen bei Behörden, wurde die Verlegung genehmigt. Ab sofort kümmern sich Lotte und Paul um ihn. Lotte erzählt von ihrer Zeit in der DDR und versucht die vielen Jahre von Bruno nachzuvollziehen. Sie haben sich schon seit Jahren nicht mehr gesprochen oder gesehen. Wie konnte es nur soweit kommen, dass Bruno so krank wurde? Wie ging es mit der Familie Alexander in der DDR weiter? Konnte jemand nach Bayern zurück ziehen? Meine Meinung: In diesem Buch wurden zwei wahre Geschichten miteinander verflochten. Es entstand daher eine sehr spannende aber auch kritische Geschichte gegenüber der damaligen DDR. Ich hab mit der Familie mitgelitten und wollte einfach, dass es für alle besser wird!! Die Familie durfte so wenig über ihre eigene Zukunft entscheiden, das ist heutzutage undenkbar. Alleine zu lesen, dass die Bayrische Verwandtschaft „Westpakete“ schickte, um der Familie in der DDR etwas Gutes zu tun, ist so rührend. Wir können in ein Geschäft gehen und kaufen, essen, probieren und ansehen was wir wollen, damals in der DDR stand das nicht gerade an der Tagesordnung! Ich bin immer noch sehr aufgewühlt und hab das Buch verschlungen. Das Cover sieht super aus und macht auf die Geschichte darin neugierig. 5 von 5 Sternen

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Ich muß gestehen, dass Hera Lind einfach nicht mein Fall ist. Ihre Bücher ziehen mich nicht. Nun lag aber dieses Buch auf meinem SUB, also gab ich ihm eine Chance. Die Geschichte ist rund, hat viel Spannung, Liebe und Leid, ist aus zwei wahren Geschichten zusammengefaßt. Dies wird uns nicht vorenthalten. Beide Erzählerinnen geben im Nachwort ihre Erfahrungen zur Buchentstehung. Es geht um das Leben in der DDR und die Fluch daraus. Das Leid was die zurückbleibenden Familienmitglieder derdulden müssen, eine offizielle Ausreise mit allen Represalien und entwurzelt sein der Flüchtenden. Eine lebenslange Suche nach Verstehen, Vergeben und Anerkennen des Leids des anderen. Dieses Buch ist wichtig, gerade in unserer Zeit um zu verstehen, dass wir nie wieder in solche Regime abrutschen sollten. Fazit: Das Buch und die Geschichte sind gut zu lesen. Doch wurde ich persönlich einfach nicht mit den Schreibstil warm. Und da Rezis sehr subjektiv sind, möchte ich auch nur 3 Sterne vergeben. Autor: Hera Lind

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Man spürt bereits in den ersten Zeilen, dass es in diesem Roman um mehr gehen muss. Es ist nicht nur die Familiengeschichte, die sehr harmonisch klingt. Nein, es schwingt schon im Hintergrund etwas ganz anderes mit. Etwas bedrohliches, etwas unglaubliches, etwas unbegreifbares. Auch hier versteht es HERA LIND wieder, sehr geschickt ihre Wortwahl einzusetzen, um dem Leser Gefühle rüberzubringen. Gefühle, die ganz unterschiedlich sind, aber dennoch sehr tief gehen. 📚 Fazit 📚 Es handelt sich hier um zwei Geschichten, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben, sich jedoch perfekt ergänzen. Ob es nun die Vergangenheit ist oder die Gegenwart, alles wirkt sehr natürlich und wohl überlegt. Vieles ist damals nicht richtig gelaufen und auch heute, im Hinblick auf die Gesundheitsreform und die Pflegeheim müsste dringend neu überdacht werden. Immer wieder hört und liest man von den Situationen, denen Pflegekräfte ausgesetzt sind, aber auch die Patienten, die einfach vernachlässigt werden, da kein Personal da ist. Aber was wären wir, ohne die Älteren? Wieso werden sie in unserer Gesellschaft so ausgegrenzt. Wer den Staat nur Geld kostet, bringt nichts mehr. Dabei hat diese Generation Deutschland zu dem gemacht, was es heute ist.

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Dieses Buch erzählt die Geschichte einer deutschen Familie in Deutschland. Was nichts Besonderes wäre, wenn sich diese Geschichte nicht in einem zweigeteilten Deutschland abgespielt und das Leben aller Beteiligten dramatisch verändert hätte. Lotti berichtet als Ich-Erzählerin von ihrem und dem Leben ihrer Familie von ihrer Kindheit bis zur Ausreise in die BRD. Sie kommt in den 1950er Jahren als Kind mit ihren Geschwistern von Bayern nach Erfurt, von der BRD in die DDR. An sich schon ungewöhnlich und für mich als DDR-Kind interessant, denn ich dachte immer alle wollen nur in den Westen… hier war es an-dersherum. Allerdings war das auch vor dem Mauerbau – und danach sah sich die Familie eingesperrt in einem Land, das nicht ihres war. In diesem ersten Drittel des Buches blieben mir die Familie und auch Lotti etwas fremd. Die Familie pflegte weiterhin ihr bayerisches Brauchtum und die Autorin sparte an dieser Stelle nicht an Klischees („Mia san mia“, S. 62). An dieser Stelle be-fremdete mich die Geschichte etwas, denn ich hoffte doch, etwas über die Schwierigkeiten und Repressalien zu erfahren, mit denen die Familie konfrontiert war. Erst ab ca. Seite 150 wurde es für mich wirklich interessant, denn dann ging es um die Republikflucht von Lottis Bruder und die Auswirkungen, die das auf die Familie hatte. Diese Schil-derungen fand ich sehr spannend, denn da wird ein Stück Zeit-geschichte auf der Grundlage tatsächlicher Begebenheiten er-zählt (im Nachwort erfährt man dies von der Person, die für Lotti Pate stand). Mit der sprachlichen Umsetzung durch die Autorin habe ich mich zum Teil aber schwer getan. Ich möchte fast die Hand dafür ins Feuer legen, dass Anfang der 80er Jahre in der DDR niemand von einem „Job“ gesprochen oder „Wir haben Power!“ gesagt hat, geschweige denn das Wort „cool“ im Alltag verwendet hat. Anglizismen gab es nach meiner Erinnerung in der DDR so gut wie gar nicht – und sie wurden auch nicht gern gesehen. Neben der deutsch-deutschen Geschichte im historischen Teil des Buches wird parallel noch einen weiterer Erzählstrang auf-gemacht – die Jahre 2010/2011, in denen sich Lotti um ihren mittlerweile pflegebedürftigen Bruder kümmert. In diesem Teil steht der Umgang mit Pflegebedürftigen im Vordergrund. Hier wird Lotti als fast schon übereifrige Schwester geschildert, die ihrem vom Schlaganfall und Krebsleiden gezeichneten Bruder eine angenehme restliche Zeit bereiten will. Lottis hingebungsvolle und kämpferische Art empfand ich einerseits als bewundernswert, andererseits zum Teil schon fast als be-sessen, was mir ein ambivalentes Verhältnis zur Hauptfigur be-scherte. Insgesamt lässt mich das Buch mit einer zwiegespaltenen Meinung zurück. Die Schilderungen der Lebensbedingungen von Personen, welche unter Stasi-Beobachtung standen, sind grandios. Der Rest des Buches geht daneben für mich ein wenig unter.

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Ende der 1950er-Jahre zieht die Familie Alexander von Bernau am Chiemsee nach Thüringen, wo Werner eine Anstellung als Zoo-Direktor in Erfurt erhalten hat. Die Kinder freuen sich auf die Tiervielfalt, der studierte Tropenmediziner und Landtierarzt auf seine neue Stelle - nur die Mutter ist traurig, ihre bayerische Heimat verlassen und in der DDR ein neues Leben beginnen zu müssen. Vom Mauerbau und der zunehmenden Abriegelung des Staats und Einschränkung der persönlichen Freiheiten konnte zum damaligen Zeitpunkt niemand etwas ahnen. Mit der Flucht des Sohnes Bruno beginnt für die Familie eine Abwärtsspirale, die nicht nur die Verhaftung von Bruno und später des Vaters wegen Beihilfe zur Republikflucht, sondern auch eine Bespitzelung von Brunos Schwester Lotte und ihrem bisher staatstreuen Ehemann Paul sowie einer Schikane ihrer beiden Töchter zur Folge hat. Erst 2010 wird Lotte ihren gebrochenen Bruder Bruno wieder sehen, der sich in einem Pflegeheim in Neumünster befindet. Ihre Liebe zu ihm ist grenzenlos und so beschließt sie, ihn zu sich nach Bayern zu holen, um sein verbleibendes Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. "Über alle Grenzen" ist der neue Tatsachenroman von Hera Lind, der auf persönlichen Erfahrungen mit dem Unrechtsstaat DDR bzw. mit Pflegeheimen in der Gegenwart beruht. Der Roman ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und handelt in den Jahren 2010/2011, als sich Lotte ihrem Bruder Bruno aufopferungsvoll annimmt und blickt dabei zurück auf die Jahre 1960 bis 1985. Schockierend ist zu lesen, welche Auswirkungen die Entscheidung des Sohnes bzw. Bruders Bruno auf ihn als Republikflüchtling und auf die in der DDR verbliebene Familie hat. Würde der Roman nicht auf einem wahren Schicksal beruhen, könnte man kaum fassen, was die Familie von der Elterngeneration bis hin zu den Enkelkindern durchmachen muss. Die Geschichte, wie die Familie am Leid, das ihr in Form von psychischem Druck oder körperlicher Misshandlung widerfährt, zu zerbrechen droht, macht betroffen. Der Roman rückt die Familie Alexander in den Fokus, lässt dabei aber alle politischen Vorgänge und den Alltag in der DDR außen Acht. Ich hätte mir gewünscht, dass die Geschichte stärker in den historischen Kontext eingebunden gewesen wäre. Dies hätte bei mir vielleicht auch das Verständnis für Brunos in meinen Augen sehr egoistischen Entscheidungen erhöht. Ich empfand die Protagonisten phasenweise sehr naiv und die Darstellung etwas einseitig. Während der Teil der Protagonisten die sich für ihre Rechte und ihre Freiheit engagierten, aber auch rücksichtslos waren und die fatalen Folgen ihrer Handlungen ausblendeten, wurden die vorsichtigen und angepassteren Familienmitglieder unterschwellig mit Vorwürfen überzogen. Geradezu nervig empfand ich es, wie Lotte in der Gegenwart beweihräuchert wird, ihren "Burschi" verhätschelt, jedes Verhalten seinerseits sie erfreut, selbst wenn er statt in die Windel sein großes Geschäft direkt ins Pflegebett verrichtet oder die Zahnprothese mutwillig zerstört. Lotte behandelt ihren Bruder so, als würde sie ihm etwas schulden. Begreifen konnte ich ihr Verhalten erst, nachdem ich die Nachworte des Romans gelesen habe. Als mir klar wurde, dass die Geschichte nicht von einer Familie handelt, sondern tatsächlich die Erlebnisse von zwei verschiedenen Frauen und ihren familiären Schicksalen nacherzählt wurden, war ich etwas ernüchtert. Vielleicht ist dies eine Generationenfrage, aber ich empfand die Darstellung der Vergangenheit viel interessanter, aufwühlender und selbstverständlich auch spannender als die rührselige Pflege des "Burschi" in der Gegenwart. Auch wenn ich Respekt für die Schwester habe, die sich so aufopferungsvoll und selbstlos um ihren pflegebedürftigen, behinderten Bruder gekümmert hat, fand ich diesen Teil als Roman ungeeignet und letztlich überflüssig. Stattdessen hätte die Geschichte der Familie Alexander von den 1960er bis zu den 1980er-Jahren mit historischen Fakten oder einer stärkeren Involvierung der beiden anderen Schwestern in das Geschehen weiter ausgeschmückt werden können, um die Geschichte rund zu machen.

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