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Rezensionen zu
All das zu verlieren

Leïla Slimani

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Ein Leben, das außer Kontrolle gerät

Von: milkysilvermoon

29.07.2019

Auf den ersten Blick führt Adèle ein angenehmes Leben: Die Journalistin arbeitet für eine Pariser Tageszeitung. Mit ihrem Mann Dr. Richard Robinson, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn Lucien lebt sie in einem schicken Pariser Viertel. Finanziell geht es der Familie gut, sie reist gerne einmal übers Wochenende ans Meer. Dennoch ist Adèle unglücklich und führt ein Doppelleben. Sie trifft sich heimlich mit anderen Männern und lebt mit Fremden ihre sexuellen Obsessionen aus. Dabei setzt sie alles aufs Spiel, denn sie könnte viel verlieren… „All das zu verlieren“ ist der gelungene Debütroman von Leïla Slimani. Meine Meinung: Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln, die sich zum Teil aus mehreren Abschnitten zusammensetzen. Erzählt wird zunächst aus der Perspektive von Adèle, später aus der von Richard. Der Roman ist chronologisch aufgebaut, allerdings gibt es mehrere Rückblenden. Diese Struktur ist gut durchdacht. Der Schreibstil wirkt eher reduziert, schnörkellos, detailarm und nüchtern, ist aber gleichzeitig auch intensiv, schonungslos und eindringlich. Die Autorin beweist eindrucksvoll, wie gut sie mit Sprache umgehen kann und wie viel sich in wenigen Sätzen vermitteln lässt. Schon nach wenigen Seiten entwickelt die Geschichte dadurch einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Mit Adèle steht eine interessante Protagonistin im Vordergrund, die das Potenzial hat zu polarisieren. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, sie auf Anhieb als sympathisch empfunden zu haben. Obwohl ihre Gedanken und Gefühle recht deutlich werden, konnte ich ihr Verhalten größtenteils nicht nachvollziehen oder gar gutheißen. Dennoch hat der Charakter etwas an sich, das ihn spannend und reizvoll macht, sodass ich ihre Geschichte sehr gerne verfolgt habe. Stellenweise drängt sich der Eindruck auf, dass die Protagonistin etwas überspitzt dargestellt wird. Das hat mich beim Lesen allerdings nicht gestört. Absolut authentisch finde ich Richard. Die Nebenfiguren bleiben größtenteils recht blass, was in diesem Fall aber zur Geschichte passt. Mit nur etwas mehr als 200 Seiten ist der Roman ziemlich kurz. Trotzdem steckt inhaltlich eine Menge darin, denn die Geschichte verfügt über viel Tiefgang. Es geht um mehr als nur die Lebensgeschichte einer zerrissenen Frau und die Abgründe, die sich dabei offenbaren. Ein Pluspunkt ist die gesellschaftskritische Komponente, durch die der Roman immer wieder aufwühlt und zum Nachdenken anregt. Das Cover gefällt mir gut, weil es die innerliche Zerrissenheit von Adèle illustriert. Der deutsche Titel weicht leider stark vom französischen Original („Dans le jardin de l'ogre“) ab, den ich um einiges passender finde. Mein Fazit: Mit „All das zu verlieren“ konnte mich Leïla Slimani überzeugen. Es ist ein fordernder, aber sehr besonderer Roman, der mich in seinen Bann gezogen hat. Mit Sicherheit wird es nicht die letzte Geschichte der Autorin bleiben, die ich gelesen habe.

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Die 36-jährige Adèle lebt das Leben einer gutbürgerlichen Französin. Ein Job bei einer Pariser Zeitung, ein 3-jähriger Sohn, ein Ehemann, der Chirurg ist und eine großzügige Wohnung gehören zu ihrem Alltag. Doch Adèle ist eine Nymphomanin, süchtig nach Sex mit Bekannten, Kollegen und Fremden, wobei ihre Begegnungen zunehmend gewalttätiger und selbstzerstörerischer werden. Leïla Slimani schafft in dem Roman „All das zu verlieren“ viele teils sehr verstörende Bilder. Am Anfang hat mich die Geschichte begeistert. Ich finde Einblicke in das Leben von modernen Frauen von heute, Frauen, die nach Außen ein „normales“ Leben leben immer sehr spannend. Was mir aber in einer Geschichte wichtig ist, ist nicht nur das Beobachten selbst, sondern auch ein Hintergrund. Warum wurde die Protagonistin so, wie sie ist. Woher kommt ihre Depression, ihr Selbsthass, ihre Wut. Dies wurde für mich nicht geklärt, die Geschichte ließ mich ratlos und fast deprimiert zurück. Adèle ist hier ein Sexobjekt, eine Puppe im Garten eines Ungeheuers, wie es im Originaltitel Dans le jardin de l’ogre heisst. Als Leser ist man lediglich ein Beobachter, die Protagonistin passiv gegenüber ihrer Sucht. Dabei jedoch meisterlich beschrieben, schon nach ein paar Seiten ist man von dem leichten aber keinesfalls banalen Schreibstil mitgerissen. „All das zu verlieren“ erschien im Original 2014, zwei Jahre vor „Dann schlaf auch du“, welches mich beeindruckt hat. Es ist eventuell anmaßend, trotzdem kommt mir dieses Buch wie eine Schreibübung für das, was noch kommen sollte vor. Das Thema ist keine leichte Kost, der Schreibstil der Autorin ein Genuss.

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Nachdem Leila Slimani uns mit ihrem Gänsehaut-Thriller "Dann schlaf auch du" das Fürchten lehrte, ist nun ein weiteres ihrer Werke in deutscher Sprache erschienen, das in einem gänzlich anderen Genre angesiedelt ist und die literarische Wandelbarkeit der französisch-marokkanischen Autorin eindrucksvoll unter Beweis stellt. In "All das zu verlieren", dessen Protagonistin die französische Zeitung Libération zu Recht als „moderne Madame Bovary“ bezeichnete, entwirft Slimani das Psychogramm einer Frau, die ihrem Lebens- und Selbstüberdruss mit aller Macht entfliehen möchte und dabei in eine selbstzerstörerische Abwärtsspirale gerät, deren Irreversibilität ihr nur selten bewusst wird. Obwohl die weibliche Hauptfigur in keiner Weise eine Sympathieträgerin ist, geschweige denn eine Identifikationsfigur, gelingt Slimani ein gewagter Drahtseilakt: Auch wenn man als Leser weder Mitgefühl für die destruktive Protagonistin aufbringen noch ihre Ansichten nachvollziehen kann, offenbart der Blick hinter die Fassade eine zutiefst freud- und beziehungsunfähige Frau, deren große Einsamkeit zutiefst berührt. Und es ist genau diese Erkenntnis, die uns auf menschlicher Ebene zu ihr durchdringen lässt – wenn auch nur in kurzen Augenblicken. Der Inbegriff des Spießertums Oberflächlich betrachtet fehlt Adèle nichts zu ihrem Glück: Sie lebt mit ihrem Mann Richard, einem angesehenen Arzt, und ihrem kleinen Sohn Lucien in einem exklusiven Pariser Stadtviertel und arbeitet als unabhängige Journalistin für eine Tageszeitung. Doch ihre Unzufriedenheit frisst sie auf: Sie hasst es zu arbeiten – lieber würde sie den ganzen Tag chillen und shoppen. Ihr Leben ist für sie der Inbegriff des Spießertums. Und so hat sie denn auch für die Ambitionen ihres Mannes, der von morgens bis abends arbeitet, um ihr ein angemessenes Leben zu ermöglichen, keinerlei Verständnis. Seine Strebsamkeit findet sie verachtenswert. Auch in dem Haus auf dem Land, das ihr Mann kaufen möchte und das ihr gut gefällt, sieht sie sich in ihrer Zukunft nicht. Doch wo liegt ihre Zukunft? Süchtig Adèle fühlt sich vernachlässigt und flüchtet sich in zahlreiche Affären mit den unterschiedlichsten Männern. Dabei ist sie nicht wählerisch und nimmt jeden, der in ihre Reichweite kommt. Doch schon bald werden ihre One-Night-Stands zur Sucht so wie ihr permanenter Wunsch nach Aufmerksamkeit zur Manie wird. Immer öfter, immer schneller, immer brutaler holt sie sich das, was sie braucht. An ihre kleine Familie denkt sie dabei selten. Solange sie im Fokus steht, ist sie glücklich – wenn man dies angesichts ihrer emotionalen Verfassung überhaupt so nennen kann. Doch das trügerische Hochgefühl hält nie lange an. Sobald sie aus dem Bett eines fremden Mannes steigt, ist sie angewidert – von ihrem Lover und von sich. Ihre beginnende Magersucht, die aus ihrem wachsenden Selbstekel resultiert, lässt sich schon bald nicht mehr verheimlichen, doch noch kann sie beruflichen Stress als Ursache dafür angeben. Getrieben Als Adèle eine Affäre mit einem guten Bekannten ihres Mannes beginnt, ist sie sich des Risikos voll bewusst. Sie wird immer paranoider und ist ständig von der Angst getrieben, dass Richard hinter ihr Doppelleben kommt. Wie ein gehetztes Tier ist sie permanent auf der Hut – vor sich selbst und den anderen – und will nicht wahrhaben, dass ihr Leben ihr jeden Tag ein Stück mehr entgleitet. Richard kann sich ihr bizarres Verhalten nicht erklären und verliert immer häufiger die Geduld. Auch ihre gute Freundin Lauren beobachtet Adèles zunehmende Rastlosigkeit und ihren körperlichen Verfall mit großer Sorge. Doch Adèle will von alledem nichts hören – bis schließlich die größtmögliche Katastrophe ihr Leben in Scherben legt… Verstörendes Psychogramm einer Hedonistin In ihrem Roman "All das zu verlieren" zeichnet Leila Slimani das verstörende Porträt einer Frau, deren Sucht ihr Leben dominiert. Sehenden Auges geht sie dabei ihrer Selbstzerstörung entgegen, ohne dabei auch nur im geringsten an die Konsequenzen für sich und ihre Familie zu denken. Die permanente Unzufriedenheit, die ständige Frustration und der tagtägliche Missmut der Antiheldin sind eine Herausforderung für den Leser, denn so sehr man sich auch bemüht, die Beweggründe für ihr irritierendes Verhalten zu eruieren, umso weniger erschließt sich ihre widersprüchliche Natur, da sie schlicht nicht greifbar ist. Slimanis Adèle ist nicht nur, wie bereits oben aufgeführt, eine moderne Madame Bovary. Sie hat auch die tragische Ausstrahlung einer "Belle de Jour", deren Leben zwischen Tagträumen und unkontrolliertem Ausleben ihrer Bedürfnisse zum Scheitern verurteilt ist. Doch man kann Slimanis Roman, der brillant geschrieben ist, auch als Allegorie verstehen: Adèle als Symptom, als Grenzgängerin unserer schnelllebigen Zeit, die sich auf der ständigen Suche nach Beachtung im launenhaften Feelgood-Modus selbst verliert. Als Vergnügungssüchtige, die angeödet von ihrer Zweckehe mit einem Mann, den sie allein des Ansehens wegen geheiratet hat, nur im schnellen Rausch existieren kann. Und nicht zuletzt als leichtfertige, oberflächliche Hasardeurin, die alle Limits überschreitet, um Selbstreflexion zu vermeiden. Es ist kein leicht verdauliches Thema, dem sich Slimani widmet – doch es ist sicherlich eines, das nachdenklich stimmt und aufwühlt. Eines, das die unschönen Auswüchse einer Zeit illuminiert, in der man Alltagsflucht als sinngebend definiert und jeder seine eigene Moral bestimmt. Wohin das führt, lässt sich nicht absehen. Welche Tragödien es hervorbringen kann, zeigt uns die Autorin auf schonungslos reale Weise – jedoch ohne mahnenden Zeigefinger. Die gesellschaftliche Wirklichkeit ist Mahnung genug. Mein Fazit: Ein erstklassig geschriebener Roman – unbedingt lesenswert!

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Nach dem zuletzt erschienen Roman "Dann schlaf auch Du", wurde nun Leïla Slimanis 2014 erschienener Debütroman "All das zu verlieren" aufgelegt, der sich sofort als spannender Text entpuppt, den man gar nicht beiseite legen möchte... Klar ist mittlerweile: Leïla Slimani ist derzeit wohl eine der interessantesten Stimmen und Autorinnen Frankreichs, lang nicht so sensationsheischend wie der mit seinen platten Ergüssen absolut überbewertete Michel Houellbecq, dessen neuestes Werk ich gar nicht mehr zur Hand nehmen wollte. Umso toller liest sich nach "Dann schlaf auch Du" nun auch ihr - endlich auf deutsch erschienenes - Erstlingswerk über die ausschweifende Sexsucht einer vom Leben gelangweilten Frau, unklar ob pathologisch oder nicht. Das ist auch eher nebensächlich. Viel faszinierender die gesellschaftliche Relevanz dieses Romans, dass eine Frau sich die Männer nimmt, wie sie es will. Das ist beeindruckend und stark und nachvollziehbar, dass vor allem chauvinistische Gesellschaften damit ein Problem haben. Die unverblümt klaren und deutlich ausgelebten sexuellen Wünsche der Protagonistin, die eher masochistisch veranlagt ist, werden relativ unemotional, fast schon mechanisch beschrieben, das degradiert die Männer zu Maschinen, zu reinen Objekten. Bisher kannte man derartige Obsessionen nur aus der Schreibe von männlichen Autoren. Gut so, legt Leïla Slimani nach. Offen bleibt, woher diese Sexsucht, diese Besessenheit kommt, offen bleibt in gewisser Art und Weise auch, wie es am Ende damit weitergeht. Das ist auch gut so. Denn es geht nicht nur darum, die Geschichte dieser Frau zu erzählen, sondern um die gesellschaftliche Relevanz des Themas. Was bei Männern offensichtlich ganz ok ist, ist es eben auch heutzutage bei Frauen immer noch nicht. Das hallt lange nach. Und auch diese tiefempfundene Einsamkeit, in der sich diese Frau trotz vermeintlich harmonischer Ehe und (unbefriedigendem) Kinderglück  befindet. Nur Sex gibt Adèle (so heisst die Hauptfigur) - die vom biederen Alltag als Arztgattin eher gelangweilt ist - einen kurzfristigen Kick, mit sexueller Befreiung und/oder Emanzipation hat das aber nichts zu tun. Vielmehr verliert sie sich darin, verliert sich selbst, verliert sich in der Sucht. Keine Rettung in Sicht. Sehr zu empfehlen!

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Adèle lebt mit ihrem Ehemann Richard, einem erfolgreichen Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn Lucien in Paris. Sie arbeitet für eine Pariser Tageszeitung und hat, wie es scheint, ein sorgenfreies Leben. Dennoch ist sie nicht zufrieden. Sie trifft sich mit fremden Männern, hat Sex mit ihnen, kann nicht anders. Nur so kann sie sich spüren, fühlt, dass sie noch am Leben ist. Sie weiß, dass die Gefahr groß ist alles zu verlieren, doch sie geht jedes Risiko ein, um die Leere in sich zu füllen … Slimani hat mit ihrem Roman wieder einmal einen wunden Punkt unserer Gesellschaft getroffen. Sie beschreibt die Zerrissenheit dieser Frau, die in ihrer Kindheit nicht besonders viel Liebe erfahren durfte, und nun mit ihrem vielbeschäftigten Mann und ihrem kleinen Sohn nicht die totale Zufriedenheit erleben kann. Sie sucht den Kick, indem sie sich anderen Männern hingibt. Sie wirft sich ihnen regelrecht an den Hals. Für uns Leser wirkt die Art von Adèle eher abstoßend. Aber man leidet mit ihr, kann teilweise ihr Handeln verstehen und spürt die Zerrissenheit in ihr. Sie hat Angst vor dem Spießbürgerleben. Sie will nicht nur dafür da sein die Kinder zur Schule zu fahren, zum Gitarrenunterricht, zu überlegen was die Kinder essen wollen … Sie ist genervt, auf dem Spielplatz, genervt von der Spießigkeit ihres Mannes, der nichts dem Zufall überlässt. Doch es wird von ihr erwartet zu funktionieren. Sie sollte tun, was von ihr verlangt wird. In ihrem anderen Leben macht sie Männer verrückt. Sie spürt die Lust und das Begehren. Als Richard ihr auf die Schliche kommt, zieht die Familie fort. Er will sie wieder ganz für sich. Eingesperrt, unselbständig, still. „Sie hat keine Arbeit mehr, keine Freunde, kein Geld. Nichts, nur dieses Haus, wo der Winter sie gefangen hält und der Sommer ihr etwas vorgaukelt… wie ein verstörter Vogel, der mit seinem Schnabel gegen die Scheiben stößt, …“ Doch letztendlich wird Richard alleine dastehen, denn keiner lässt sich einsperren, wie ein Vogel im Käfig. Ein Buch, das man nicht mehr weglegen mag. Wie ein Sog hat mich die Autorin durch die Geschichte gezogen. Sehr detailliert beschreibt sie Gefühle und Handeln. Absolute Leseempfehlung. 5 Sterne

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"Sie ist euphorisch, wie Betrüger es sind, die man noch nicht entlarvt hat. Voller Dankbarkeit, geliebt zu werden, und starr vor Angst bei der Vorstellung, all das zu verlieren." (Track 22) Adèle lebt mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn im 18. Arrondissement in Paris, arbeitet in einer Redaktion, hat anscheinend alles, was man sich wünschen kann. Doch Adèle fühlt nichts als Leere, und sie versucht, diese Leere durch wahllosen Sex mit unzähligen Männern zu füllen. Sie führt ein Doppelleben zwischen ihrem gesellschaftlich akzeptiertem Leben als Ehefrau, Mutter und Journalistin und dem Leben, in dem sie immer wieder (sexuelle) Grenzen überschreiten muss. Sie ist getrieben, die Suche nach etwas, das die Leere füllt, hat Suchtcharakter und bringt sie dazu, alles zu riskieren und alles in Frage zu stellen. ‚All das zu verlieren‘ ist das Debüt der französisch-marokkanischen Schriftstellerin Leïla Slimani und meine erste Begegnung mit ihr. Ich empfand das (ungekürzte) Hörbuch als sehr überzeugend und authentisch, so dass ich sicherlich mehr von Slimani lesen oder hören werde. Das Hörbuch wird von Nora Waldstätten anspruchsvoll gelesen, und die Sprecherin trifft die Stimmung des Buches meiner Meinung nach perfekt, liest unaufgeregt, aber dennoch gefühlvoll und alles andere als eintönig. Die Geschichte um Adèle wird eindringlich und in schnörkelloser Sprache erzählt. Die Charakterisierung Adèles als eine Frau, die anscheinend alles erreicht hat, was man erreichen möchte, aber dennoch ausbrechen möchte bzw. muss, als jemand, der an seinem routinierten Leben fast erstickt und der verzweifelt versucht, diese unerträgliche Leere zu füllen, hat mich so sehr bewegt und berührt, wie wenige Bücher in den letzten Monaten. Dabei empfand ich das Buch lange Zeit wenig schockierend, zumal es nie obszön, billig oder pornografisch wird, obwohl Slimani detailliert von Adèles sexuellen Erlebnissen berichtet. Recht spät im Hörbuch kam aber dennoch ein Schockmoment, als Slimani von einem Ausmaß an Brutalität erzählt, der nur schwer zu ertragen war. Nichtsdestotrotz empfand ich genau diese Schilderung von Gewalt notwendig und angebracht, um Adèles Leiden und ihr übermächtiges Getriebensein verstehen zu können, und unentbehrlich, um Adéles Geschichte vollkommen authentisch zu erzählen. ‚All das zu verlieren‘ ist keine leichte Kost und kein (Hör-) Buch für zwischendurch, sondern das Psychogramm einer Frau auf der Suche nach sich selbst, die sich dadurch immer mehr verliert. Leïla Slimani: All das zu verlieren. Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Ungekürzte Lesung mit Nora Waldstätten. der Hörverlag, 2019; 22 Euro.

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"Es hört nicht auf, Adèle. Nein, es hört nicht auf. Liebe ist nichts als Geduld. Eine devote, ungeheure tyrannische Geduld. Eine unsinnig optimistische Geduld." Adèle scheint alles zu haben, was man braucht, um glücklich zu sein. Einen Job, erfolgreich, ihr eigener Chef. Einen Ehemann, Chirurg, einen kleinen Sohn, eine Wohnung im besten Viertel von Paris. Adèle scheint alles zu haben, was man braucht, um glücklich zu sein. Und dennoch streift sie Nacht für Nacht durch die Straßen, das Abenteuer im Blick, auf der Suche nach etwas, das die Leere in ihr füllt. Komplizierte Frauenfiguren sind ihr Spezialgebiet. Schon mit "Dann schlaf auch du" offenbarte Leila Slimani das Innenleben ihrer Charakterdarstellerinnen, zog die Frage der Mutterschaft und der Unabhängigkeit in den Mittelpunkt der Betrachtung und zeigte auf eindrucksvolle Art und Weise, wie sich das Wesen einer Person innerhalb einiger weniger Augenblicke in all seine Einzelteile zerlegen kann. Auch bei "All das zu verlieren" stellt Slimani wieder die Empfindungen ihrer Charaktere in den Fokus und präsentiert mit Adèle eine Protagonistin auf der Suche nach dem Sinn - und nach sich selbst. Große literarische Ausschweifungen und aufgeladene Metaphern sind nicht ihr Ding. Slimanis Sprache ist direkt, ohne groß zu beschönigen dringt sie weit vor in die Tiefen der unausgesprochenen Dinge, legt eine Dunkelheit über ihre Erzählung, über Adèles Leben, die nur an wenigen Stellen durchbrochen wird. Erneut schreibt sie über die verborgenen Abgründe unserer Gesellschaft, über weibliche Sexualität und Betrug, über Gewalt. Sie bricht Tabus, nicht schrittweise und vorsichtig, sondern furchtlos und stürmisch, ohne Rücksicht auf mögliche Verluste. "Alles, was sie sagen, dient nur einem einzigen Zweck: zur Sache zu kommen. Hier, in dieser Gasse, in der Adèle sich an einen grünen Mülleimer drückt." Nach und nach entgleitet Adèle ihr Leben, immer wieder möchte man ihr zurufen, dass sie doch bitte endlich zur Vernunft kommen möchte, doch Adèle ist nicht in der Lage ihren selbst geschaffenen Teufelskreis zu verlassen. Erst mit der Zeit kommt der Leser hinter Adèles wahre Motive, erst dann, als einer Konfrontation nicht mehr aus dem Weg gegangen werden kann. Auch mit "All das zu verlieren" polarisiert Slimani, doch Kritik an ihr und ihren Büchern interessiert sie wenig. Sie ist laut, attackiert und spricht mittlerweile für eine ganze Generation. Es sicherlich nicht ein Buch für jeden Leser. Zu schwache Gemüter werden an den vielen Gewaltszenen keine Freude haben, zu sehr stellt Slimani dieses Mal die menschlichen Abgründe in den Vordergrund. Dennoch - mit "All das zu verlieren" zeigt Slimani erneut, dass sie aus der französischen Literatur, der Literatur allgemein, nicht mehr wegzudenken ist und nimmt die Stellung, die ihr das ZEITmagazin vor nicht allzu langer Zeit zugeschrieben hat: "die neue Stimme der französischen Literatur." ______________________________________________________________________________ ISBN:9783630875538 Seiten:224 Verlag: Luchterhand Erscheinungsjahr: 2019 ©Die Coverrechte liegen bei RandomHouse. Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar. ©ZEITmagazin von 25.08.218 (https://www.zeit.de/zeit-magazin/2018/35/leila-slimani-frankreich-schriftstellerin-frauenrechte-sex-buch/komplettansicht) 

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Die 36-jährige Journalistin Adèle scheint auf den ersten Blick alles zu besitzen, was eine Französin in Montmartre ein gutbürgerliches Leben führen kann: einen Ehemann, der sich als Chirurg auf Magen-Darm-Krankheiten spezialisiert hat, einer süßer 3-jähriger Sohnemann, ein Job in einer Pariser Zeitung und eine großzügige Wohnung mitten auf der Stadt. Sie gehen in den noblen Restaurants essen, sie reisen, sie treffen mit dem freunde auf einen guten französischen Wein. Doch Adèle kann mit diesem wohlhabenden Bürgertum nichts anfangen, ihr Interesse gilt allein ihren sexuellen Obsessionen. Sie ist eine süchtiger, eine Frau, eine Mutter die fast alles für ihre Sucht aufgibt. Sie eilt durch die Nacht, durch die grauen Straßen, nur wegen Sex. Sie verließt ihrer schlafende Ehemann, sie verließt ihrem Ehebett in der Dunkelheit, nur wegen Sex. Wahllos trefft sie sich mit Männern egal Arbeitskollege, egal Bekannte, egal fremde, ihr Blick erkennt in einer ganz normaler Mann einen Sex Gefährten. Egal wo in Frankreich, egal ob in eigener Wohnung oder in ein Hotelzimmer, sie jagt einen Höhepunkt nach dem anderen, oft brutal, erniedrigend, schmerzhaft. Adèle ist eine Nymphomanin... Es ist keine Liebesgeschichte mit etwas Erotik fürs romantische Lesestunden. Was Adèle hier erlebt, ist kein Blümchensex. Es ist ein Buch über Perversion, über Nymphomanie, über brutalen Verlangen. Schon ab ersten Seiten erzählt der Autorin Schonungs- und furchtlos, von der Zerrissenheit einer Frau und die Brutalität ist fühlbar nah. „Sie will nur ein Objekt inmitten einer Meute sein. Gefressen, ausgesaugt, mit Haut und Haaren verschlungen werden. Sie will in die Brust gekniffen, in den Bauch gebissen werden.“(Seite 10) Was Adèle dazu bringt, bleibt in Geheimnis, jedoch als erfahrene Leser spürt man ihre verloren sein, ihre Einsam- und Verletzlichkeit. Am Ende lässt der Autorin die Leser mit den gleichen Gefühlen, was Adèle ganzen Zeit gefühlt hat, zurück. Ein wunderbares Werk, die ich nur weiterempfehlen kann. Aufwühlend, ergreifend, realistisch!

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