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Rezensionen zu
Eine Liebe, in Gedanken

Kristine Bilkau

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„Sie hatte 1967 darauf gewartet, von ihm nach Hongkong geholt zu werden, doch er hatte sie immer wieder um Geduld gebeten….“ Eine Liebe. Ein Mann, eine Frau. Hamburg in den 60er Jahren. Die Frau, Antonia, genannt Toni, ist aus ihrem Schleswig Holsteinischen Dorf in die große Stadt gezogen. Die Abenteuerlust, die Lust, sich ein eigenes, ein größeres Leben zu erlauben, ist ein Grund unter vielen dafür, dass sie dem Mann, Edgar, so gut gefällt. Der hat bereits einen unehelichen Sohn. Aber mit diesem hat er wenig zu tun. Edgar lebt noch im Elternhaus, er hat eine Arbeit und sieht gerne das, was nicht funktioniert. Während Toni voller Lebensfreude ist und damit auch ihn ansteckt. Wenn er sich bei ihr über sein Leben beklagt, heitert sie ihn auf. Mit seinem VW Käfer fahren sie durch die Stadt und ans Meer. Sie werden ein Liebespaar, dem alle ansehen, dass sie zueinander gehören. Dass Toni wegen ihres Status als unverheiratete Frau die Pille nicht vom Arzt bekommt, diese Problematik teilt sie nicht mit Edgar. Sie haben trotzdem Sex. Dass Toni ein Kind durch eine Fehlgeburt verliert. Sie teilt es nicht mit Edgar. Sie flüchtet heim nach Schleswig Holstein, kuriert sich bei der Mutter aus und für Edgar ist sie einfach krank. Als sich für Edgar die Chance auftut, sein unbefriedigendes Leben zu verlassen und für die Firma nach Hongkong zu gehen, ist es Toni, die ihn dazu ermutigt. Als er geht, ist sie zwar traurig, weil er sie nicht fragt, ob sie mitkommt. Aber auch das teilt sie nicht mit Edgar. Sie freut sich wirklich für ihn. Aber sich selbst verbirgt sie konsequent, als wüsste sie, dass er nur die eine Seite von ihr liebt, die fröhliche. „Du hast mir ein schönes Leben gezeigt.“ Als endlich sein Telegramm kommt, dass sie nachkommen soll, kündigt sie ihren sehr guten Job, die Wohnung, das Leben in Hamburg und wartet auf das Flugticket, das er versprach, in Kürze zu schicken. Die Zeit des Wartens wird auch der Leserin fast unerträglich, so feinsinnig beschreibt die Autorin die Tage, die Antonia zunächst damit zubringt, ihr Leben aufzulösen, dann das neue, so gut es geht, vorzubereiten. Sie lässt sich von der Schneiderin ein Ensemble nähen, das sie zu ihrer Hochzeit mit Edgar in Hongkong tragen will. Sie sind offiziell verlobt. Ein Jahr wartet Antonia auf das Flugticket. Sie wartet. Ohne Job. Ohne Wohnung. Das Ticket kommt nie. Eine Frau, in Hamburg, heute. Verheiratet, bereitet gerade eine Ausstellung der Malerin Helene Schjerfbeck vor. Sie ist Mutter einer fast erwachsenen Tochter. Während sie versucht, das Leben ihrer gerade verstorbenen Mutter Antonia zu rekapitulieren, vor allen Dingen die Liebesgeschichte mit Edgar Janssen, muss sie gleichzeitig verbergen, wie schwer es ihr fällt, ihre eigene Tochter, die erwachsen wird, loszulassen. „Niemand hatte mich gewarnt, wie schwer es sein würde, ein Kind loszulassen, und welche Anstrengungen es kostete, sich das nicht anmerken zu lassen.“ Sie möchte mehr erfahren. Sie möchte wissen, wer ihre Mutter war. Sie spielt mit dem Gedanken, Edgar aufzusuchen. „Ich wollte ihn fragen, ob er je darüber nachgedacht hatte, dass diese Frau einmal alles für ihn auf eine Karte gesetzt hatte, für ihn allein, dass sie verloren hatte, in einer Zeit, in der Frauen dieser Mut nicht verziehen wurde;…“ Es ist fast, als würde sie erst nach deren Tod ermessen können, wer ihre Mutter Antonia wirklich gewesen ist. Das neue Buch von Kristine Bilkau, Eine Liebe in Gedanken, erschienen bei Luchterhand, ist so fein und sorgfältig geschrieben, wie ihr Debüt, Die Glücklichen. Sie ist eine Beobachterin der kleinen Dinge, die geschehen zwischen Menschen und unser Leben ausmachen. Sie fängt das filigrane ein, und beim Lesen wird einem plötzlich bewusst, wie viel in unseren Leben so filigran ist und verschüttet wird unter dem lauten, grellen, neonfarbenen Vordergrund. Dieses Buch hat mich traurig gemacht. Ich konnte manchmal ein paar Tage nicht darin lesen. Es hat mich an meine Mutter erinnert, aber auch an all die Frauen, die das Frauenbild ihrer jeweiligen Zeit erfüllend, sich selbst mit ihren Träumen in Warteschleifen parken, die ein Leben lang dauerten. Den Haushalt machen, die Kinder versorgen, die wirklichen Gefühle verbergen, funktionieren, lächeln. Antonia ließ mich denken an Peter Handkes Mutter, der er so ein unumstößliches Denkmal in dem Buch Wunschloses Unglück gesetzt hat. Toni ist allerdings eigensinniger und vielleicht auch mutiger. Sie gibt sich nicht zufrieden. Zwar heiratet sie, aber schon, als ihre Tochter noch sehr klein ist, trennt sie sich vom Vater wieder. Sie lebt noch einmal einige Jahre mit einem Mann zusammen, und trennt sich wieder. Am Ende lebt sie allein. Sie hat sich für sich entschieden und für ihre Tochter. Als diese erwachsen ist, lebt sie mit einem Schrank voller Bücher, ihren Interessen und ihren Erinnerungen. Sie ist eine begeisterte und tiefsinnige Leserin. Die Bücher nähren sie, genau wie ihre Liebe, in Gedanken. Die ihr niemals jemand nehmen kann. Niemand kann Antonia jemals nehmen, dass sie bedingungslos geliebt hat. Sie ist die Frau, die ein solches Gefühl zugelassen hat. Während Edgar Janssen der kleine Krämer bleibt, der einen Handel einfädelt, und dann doch nicht zuende führt, der die Welt der Gefühle rosarot nennt und seine Art der Feigheit mit Vernunft erklärt. „Natürlich können wir Zukunftspläne schmieden, aber wir dürfen uns nicht in Tagträumen verlieren. Wir müssen fest in der Gegenwart stehen, denn die Gegenwart ist das Rohmaterial für die Zukunft.“ Ein wunderbares Buch! Ich danke dem Luchterhand Verlag für das Rezensionsexemplar. (c) Susanne Becker

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Inhalt: Hamburg, 1964. Antonia und Edgar scheinen wie füreinander gemacht. Sie teilen den Traum von einer Zukunft fern von ihrer Herkunft. Im Krieg geboren und mit Härte und Verdrängung aufgewachsen, wollen die Welt kennenlernen, anders leben und lieben als ihre Eltern. Edgar ergreift die Chance, für eine Außenhandelsfirma ein Büro in Hongkong aufzubauen. Toni soll folgen, sobald er Fuß gefasst hat. Nach einem Jahr der Vertröstungen löst Toni die Verlobung. Sie will nicht mehr warten und hoffen, sondern endlich weiterleben. Tonis und Edgars Leben entwickeln sich auseinander, doch der Trennungsschmerz zieht sich wie ein roter Faden durch beide Biographien. Toni lebt in dem Konflikt zwischen ihren Idealen von Freiheit und Unabhängigkeit und dem Wunsch, sich zu binden, um Edgar zu vergessen. Fünfzig Jahre später, nach dem Tod ihrer Mutter fragt sich Tonis Tochter: War ihre Mutter gescheitert oder lebte sie, wie sie es sich gewünscht hat: selbstbestimmt und frei? Wer war dieser Mann, den sie nie vergessen konnte? Die Tochter will ihm begegnen, ein einziges Mal. Mein Lieblingszitat: Meine Meinung: Ich finde, dass der Inhalt von diesem Buch echt Lust aufs Lesen macht und auch das Cover gefällt mir gut. Schon direkt am Anfang konnte ich mich gut in die Geschichte hineinversetzen. Es wird mal aus der Perspektive der in der heutigen Zeit lebenden Tochter der Hauptprotagonistin Toni, mal aus der Perspektive von Toni in den 60ern erzählt. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Autorin clevererweise beim Berichten aus der Sicht der Tochter in der Ich-Perspektive und in der Vergangenheitsform schreibt und im Gegensatz dazu beim Erzählen aus Tonis Sicht die personale Erzählperspektive anwendet und in der Gegenwartsform schreibt. Dadurch werden Tonis Erlebnisse sehr viel realistischer und es fiel mir leichter, mich auch in die Gedanken und Gefühle ihrer Tochter hineinzuversetzen. Toni als Hauptprotagonistin war mir, genauso wie ihr Freund Edgar recht sympathisch, weil ich ihre Ansichten recht gut verstehen konnte. Der Schreibstil der Autorin hat mir an sich auch gut gefallen, weil er einige recht poetische Passagen enthält, aber nicht zu viele, sodass sich der Roman noch entspannt lesen lässt. Es gab in „Eine Liebe, in Gedanken“ viele Stellen, die zum Nachdenken angeregt haben und mich erst einmal zum Innehalten bewegt haben. Jedoch werden diese Stellen mit witzigen Momenten ausgeglichen, sodass ein bisschen Abwechslung in die Geschichte kommt. Zur Geschichte kann ich nur sagen, dass sie super realistisch und darum natürlich auch traurig ist. Leider waren die Ereignisse mir manchmal etwas zu ausführlich beschrieben. Trotzdem gefällt mir die Geschichte an an sich total, weil sie mir wie aus dem Leben gegriffen scheint. Mein Fazit: Die realitätsnahe Geschichte einer Liebe, die sich auseinanderentwickelt, erzählt durch einen poetischen Schreibstil. Vielen Dank an den Luchterhand Literaturverlag für das Rezensionsexemplar! Eine Liebe, in Gedanken bekommt von mir 4/5 Sterne!

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Das Buch erzählt die Geschichte von Toni und Edgar im Rückblick. Nachdem Antonia gestorben ist, bereut ihre Tochter, warum sie ihrer Mutter nicht besser zugehört hat und ihre Liebesgeschichte weitererzählen kann. Sie trifft den Geliebten ihrer Mutter und gibt die Geschichte in ganzen Details wieder. Die Liebesgeschichte von Edgar und Antonia ist sehr berührend und muss enden, obwohl sich beide immer noch lieben. Die Charaktere sind sehr eindrücklich beschrieben, dass man sich mit ihnen sehr gut identifizieren kann. Antonia ist bereit, alles für ihre Liebe aufzuopfern, doch Edgar auf der anderen Seite, geht mit der Sache vorsichtiger um. Es ist sehr interessant, eine Liebesgeschichte aus der Perspektive dritter Person zu lesen, die gar nicht kitschig oder langweilig erscheint. Für die originelle Handlung, möchte ich die Autorin loben, denn, ihr gelingt es, eine vielleicht veraltete Liebesgeschichte in interessanter Weise zu repräsentieren, dass sie für Leser im 21. Jahrhundert interessant erscheint. Das Buch ist absolut zu empfehlen, wenn ihr euch nach einer sachlichen Liebesgeschichte sehnt, in dem könnt ihr euch versinken.

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"Ich möchte an meiner Straße am Fenster sitzen und glauben, dass jeder, der vorbeigeht, ein Leben lebt, glücklich oder unglücklich, aber tief.“ Ein Zitat der finnischen Malerin Helene Schjerfbeck, die im neuen Roman von Kristine Bilkau zwar nur indirekt vorkommt, das Buch aber auf eine besondere Weise begleitet. Es gibt diese Bücher, die von Anfang an gefangen nehmen, die zur Leserin sprechen, als wären sie für sie geschrieben. „Eine Liebe, in Gedanken“ ist ein solches Buch. Es erzählt eine Liebesgeschichte, die eine Lebensgeschichte ist, und es erzählt vom Abschied einer Tochter von ihrer Mutter. Die Erzählsituation ist keine neue. Eine Mutter ist gestorben, die Tochter stößt beim Ausräumen der Wohnung auf Zeugnisse aus deren Leben, Dinge, Briefe, Fotos. Manches vertraut, anderes neu und unbekannt. Es ist ein liebevolles, zärtliches Gedenken. Es gab sicher auch Spannungen zwischen Mutter und Tochter, der freiheitsliebenden, nach zwei Scheidungen alleinerziehenden und immer etwas chaotischen Antonia und der um Beständigkeit bemühten, pragmatischen Tochter, der Ich-Erzählerin. Man kennt das, oft sucht die folgende Generation im Leben das, was sie in frühen Jahren vermisste. (Nur um oft im eigenen Alter zu erkennen, wie sehr man sich doch unter Umständen gleicht.) „Eine hatte Freiheit gesucht. Ihre Tochter hatte sich nach Beständigkeit gesehnt. Und deren Tochter sehnte sich wieder nach Freiheit.“ Nie ein Geheimnis gemacht hat Antonia um Edgar, ihre einst große Liebe. Die Geschichten um ihn waren stets präsent, auch wenn sie bis zuletzt ein Geheimnis umwehte. 1964 haben sich die beiden kennengelernt, der höfliche, galante Mann und die kesse, in ihrer Zeit moderne Frau. Die frühen Sechziger Jahre waren in vielem eine Übergangszeit, noch herrschte in vielem die Moral der Fünfziger Jahre, verbot die Vermieterin Herrenbesuch und waren die Berufsaussichten für Frauen oft auf Sekretärinnen-, Verkäuferinnen- oder Lehrerinnenniveau eingefroren. Aber die Frauen waren eben auch, zumindest vor der Ehe, berufstätig, zunehmend selbstbewusst und registrierten durchaus die Doppelmoral. Hatten nicht ihre Mütter die Kriegsjahre auch ohne Männer bewältigt? Standen sie nicht den Herren der Schöpfung insgeheim recht kritisch gegenüber, wie beispielsweise auch die Mutter Antonias? Wozu also noch das Deckmäntelchen der fügsamen Weiblichkeit? Andererseits sind die Umbrüche von 1968 und den Jahren danach noch recht weit entfernt, und wie lange sie brauchen und welche Rückschläge immer wieder erfolgen, das spüren wir auch heute noch. Antonia und Edgar werden ein Paar, verloben sich, die Familien nehmen den jeweils anderen in ihrer Mitte auf. Toni ist spontan, leidenschaftlich und im Job auf Erfolgskurs. Edgar wiederum steckt beruflich in einer Sackgasse. Als ihm ein Posten in Hongkong angeboten wird, sagt er nach Rücksprache mit Antonia zu. Nach kurzer Eingewöhnungsphase soll sie bald nachkommen. Die Monate vergehen, dann kommt endlich ein Telegramm: Wohnung und Job kündigen, Flugschein folgt. Doch dann: Nichts! Vergeblich wartet Toni, die zunächst bei Freunden, dann bei den Eltern untergekrochen ist, auf Nachricht. Schließlich dann das Niederschmetternde: Edgar möchte lieber doch nicht. Was diese Zurückweisung für die junge Frau damals bedeutet haben mag, lässt sich nur vermuten und auch die Ich-Erzählerin versucht sich tastend daran, das nachzuempfinden. Vor allem, weil die Liebe zu Edgar nie versiegt zu sein schien. Eine Liebe, aber nur in Gedanken. Zwei folgende Ehen hatten keinen Bestand, vielleicht wollte sich Antonia kein weiteres Mal zu fest binden. Die Tochter, altersmäßig vermutlich in den Vierzigern wie die Autorin, hat ihren leiblichen Vater nie groß vermisst, die Trennung ihrer Mutter vom zweiten Mann, der ihr wie ein Vater war, schmerzte mehr. Nun steht sie vor den Zeugnissen des Lebens ihrer Mutter und sinnt darüber nach. Besonders die große Leerstelle, warum die Liebe von Edgar und Antonia letztendlich so unspektakulär scheiterte, bewegt sie. Sie beschließt, Edgar zu kontaktieren. Sie selbst ist nicht nur in ihrer Trauerarbeit gefangen, sondern befindet sich auch in einer anderen Umbruchsphase ihres Lebens: die 18jährige Tochter Hanna hat das Abitur hinter sich und begibt sich auf Interrailtour, danach Studium, irgendwo. Zeit der Abnabelung. „Niemand hatte mich gewarnt, wie schnell ein Kind zu einer Erwachsenen werden würde. Niemand hatte mir gesagt, dass diese Jahre im Rückblick wie eine erstaunlich überschaubare, verwirrend kurze Episode erscheinen würde.“ Zeit, das eigene Leben zu überdenken. Zwischenbilanz. Zeit aber auch, sich vor dem kommenden Alter zu fürchten, vor dem Alleinsein. Ihre Mutter tröstete sie einst: „Du musst dir keine Sorgen machen“, hatte sie zu mir gesagt, mit ihrer jungen, zuversichtlichen Stimme. „Du wirst den Reichtum deiner Gedanken haben.“ War es ein gelungenes Leben? Trotz der Liebe, nur in Gedanken, trotz der Zurückweisung, des Scheiterns? Es scheint so, auch wenn es seinen Preis gekostet haben mag. „Was für ein Leben hatte Ihre Mutter?“ fragt Edgar bei ihrem Treffen. „Ich überlegt, wie ich das Leben meiner Mutter zusammenfassen konnte. Ich hatte versucht, mir vorzustellen, wer sie als junge Frau gewesen war, wer sie geworden war, doch es konnte ja immer nur ein Ausschnitt bleiben, Geschichten, von mir erdacht. Wie nah ich der Frau von damals und der Frau, die sie geworden war, hatte kommen können, das würde ich nie wissen. (…) „Ich kann Ihnen nur sagen, dass sie sich nicht vor Intensität gefürchtet hat. Aber das wissen Sie ja wahrscheinlich selbst.“ Eine Frau, die auch einen hohen Preis für ihr unabhängiges Leben zahlen musste, begleitet das Buch auf besondere Weise. Es ist die finnische Malerin Helene Schjerfbeck. Die Ich-Erzählerin betreut während der Trauerzeit als Architektin eine Ausstellung der 1862 geborenen Künstlerin. Durch einen Unfall in der Kindheit gehbehindert, tritt deren künstlerisches Talent früh zutage. Begabt und entschlossen reist sie in jungen Jahren viel, erleidet aber auch viel persönliches Leid, ist viel krank und lebt viele Jahre allein mit ihrer pflegebedürftigen Mutter. Hochbetagt stirbt sie kurz nach dem Krieg. Die unabhängige, letztlich aber einsame Frau dient als Spiegel für das Leben der Mutter, ihre Zurückgezogenheit im Alter. Am Ende des Buchs nimmt uns die Erzählerin mit auf einen Rundgang durch die Ausstellung, die auch sehr durch Selbstbildnisse der Malerin geprägt ist. Immer wieder schweift sie zwischen den Bildern und den Gedanken an die verstorbene Mutter. Dieser Abschnitt ist mit das Schönste, das ich seit längerem gelesen habe. „Eine Liebe in Gedanken“ ist ein Buch, dessen Passagen ich immer wieder lesen möchte. So einfühlsam, pathos- und kitschfrei, so behutsam, klug und fast schwebend, so atmosphärisch dicht schreibt Kristine Bilkau über Frauenleben, Liebe, Nähe, Enttäuschung, Trauer, Abschied. Über das Verschwinden von Menschen, sei es nach Hongkong, in den Tod oder auch nur das Erwachsensein, und das Fortbestehen der Liebe. „Meine Mutter sitzt vor mir auf der Küchenbank, sie bestreicht sich ein Stück Baguette mit zerschmolzenem Camembert, sie sitzt, wie immer, wenn sie uns besuchte, auf dieser alten Holzbank, die Florian und ich, als Studenten, vor über zwanzig Jahren auf einer Reise durch Polen gekauft hatten, sie nippt an ihrem Darjeeling und will alles über ihren eigenen Tod wissen.“

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Nach dem Tod ihrer Mutter fragt sich die Ich-Erzählerin, warum sie ihr nicht besser zugehört hat, als sie noch ihre Geschichte erzählen konnte. Wie hat sie sich gefühlt, warum konnte sie die alte Liebe nie vergessen? Anhand von Briefen rekonstruiert die Erzählerin Antonias Leben. In den 60 Jahren fand Toni ihre erste große Liebe – Edgar. Mit ihm wollte sie sich eine Zukunft aufbauen, doch die Beziehung ging in die Brüche. Diese Geschichte hat mich sehr berührt und mitgenommen. Die Charaktere, ihre Handlungen und Gedanken sind so eindrücklich beschrieben, dass man sich ihnen einfach nahe fühlen muss. Auf der einen Seite Antonia, unabhängig für diese Zeit, lebenslustig, immer bereit zu unterstützen und auch Liebe zu geben. Sie lebt aus dem Bauch heraus. Auf der anderen ihre erste Liebe, der charmante, etwas eingestaubte und steife Edgar. Er versucht ein geordnetes, sicheres Leben für die zwei aufzubauen und vergisst darüber die Gefühle. Edgar denkt zu viel. Die beiden ergänzen sich anfangs so schön – es macht einfach Freude die ersten Momente ihres Kennenlernens mitzuerleben. Später dann ist es umso bedrückender, wie sich alles entwickelt. Auch die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wird sehr intensiv dargestellt. Seien es nun Problematiken oder die tief empfundene Liebe. Kristina Bilkau hat einen sehr ruhigen und zarten Roman geschrieben, der sowohl sprachlich als auch mit seiner Handlung beeindrucken kann. Die Liebesgeschichte wirkt in keiner Sekunde kitschig, sondern einfach ehrlich. Ich bin immernoch ganz begeistert.

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Nach „Die Glücklichen“ kommt nun als zweiter Roman Kristine Bilkaus „Eine Liebe in Gedanken“. Mir hat ihr Debüt sehr gut gefallen, aber mit dem neuen Roman übertrifft sie sich. An was mag es liegen, dass ich nur so diffus sagen kann, warum ich ihre Geschichten mag? Es ist nicht allein die Sprache, der Inhalt ist nicht spektakulär neu, und dennoch ist da etwas drunter oder zwischen den Zeilen, eine feine Sensibilität, was mir gut gefällt. Und ich denke, für dieses Ungesagte, nur Angedeutete hat Bilkau ein Händchen. Bilkau beginnt ihr Buch mit einem Zitat aus dem schmalen Band „Fast ganz die Deine“ der Französin Marcelle Sauvageot. Das Buch bekommt später noch Raum, denn viele Zeilen hat die verstorbene Mutter der Hauptprotagonistin darin angestrichen. Zeilen, in denen sie sich wiederfand. Sofort kommt eine schöne Erinnerung an das Buch, dass ich seinerzeit auch gelesen habe. Ein Anreiz, nochmals einen Blick hineinzuwerfen. Ein Paar mit erwachsener Tochter ist Ausgangspunkt der Geschichte. Als die Mutter der Protagonistin stirbt und sie die Wohnung ausräumt, tauchen Erinnerungsbruchstücke und Briefe auf. Von hier an wird parallel die Liebesgeschichte der Mutter erzählt, die zugleich Lebensgeschichte ist, denn die erste Liebe durchzieht ihr ganzes Dasein, obgleich sie zum großen Teil nur aus der Ferne gelebt werden wird. In den 60er Jahren, als Antonia Edgar kennenlernt, war es noch ungewöhnlich, dass eine junge Frau allein lebt und arbeiten geht. Doch diese Freiheit mag Toni. Mit Edgar scheint sie dieses Gefühl teilen und leben zu können.Es ist eine Zeit, wo man noch Briefe schreibt, und Edgar tut das mit Leidenschaft, obwohl Toni und er sich regelmäßig sehen. Es ist eine Innigkeit und gleichzeitig eine schöne Verrücktheit zwischen beiden. Als Edgar einen besseren Job in Hongkong angeboten bekommt, nimmt er an. Toni soll nach seiner Eingewöhnungszeit nachkommen, dort wollen sie heiraten. Sie hat schon gekündigt, Job und Wohnung, bemüht sich um eine Stelle in Hongkong. Ein Übergangsleben. Von Monat zu Monat werden die Briefe von Edgar immer kürzer und rarer. Telefonieren ist kostspielig, dafür ist kein Geld da. Als Edgar überraschend für kurze Zeit zurückkehrt, treffen sich die beiden, doch nichts scheint wie zuvor. Danach ist es aus. Doch Antonia wird von dieser Liebe nicht wegkommen. Sie wird sie sich bewahren, auch wenn sie ihr Leben auf ihre freie Art weiterführt. Noch einmal kommt es lange Zeit später zu einem Treffen mit Edgar, doch Antonia ist enttäuscht und irritiert davon. Die Tochter traut sich nach dem Tod der Mutter dann auch, diesen Mann zu treffen, der ihrer Mutter so viel bedeutete. Was genau sie davon erwartet, weiß sie nicht. Doch sie wird sich ihr eigenes Bild machen … „Ich wollte ihn fragen, ob er je darüber nachgedacht hatte, dass diese Frau einmal alles für ihn auf eine Karte gesetzt hatte, für ihn allein, dass sie verloren hatte, in einer Zeit, in der Frauen dieser Mut nicht verziehen wurde;“ Auch Hannah, die Tochter der Ich-Erzählerin, wird erwachsen und beginnt sich abzunabeln und scheint in ihrem Freiheitsdrang ihrer Großmutter zu folgen. Und wenn diese zuletzt durch die von ihr kuratierte Ausstellung der Malerin Helene Schjerfbeck geht, bekommt man Lust diese Bilder ebenfalls zu betrachten. Eine Künstlerin, die sehr jung sehr selbständig war, alleine reiste und später zu ihrer Mutter im ländlichen Finnland zurückkehrte, um sie zu pflegen. Parallelen also zum Leben der eigenen Mutter. Was sich als Inhalt zunächst kitschig anhört und auch mich anfangs skeptisch lesen lies, entpuppt sich im Laufe der Geschichte als höchst stimmiges feines sensibles Unterfangen.

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Liebe zum Nachspüren

Von: Helga Hensel aus Herzogenrath

19.04.2018

Das Buch erzählt die Geschichte von Toni und Edgar im Rückblick, nachdem Antonia verstorben ist. Ihre Tochter kümmert sich um den Nachlass und möchte dem Zauber der großen Liebe nachspüren und vielleicht sogar dem Mann hinter dem Namen "Edgar" einmal gegenüberstehen... "Eine Liebe in Gedanken" ist ein sehr gefühlvolles, stimmungsvolles und anrührendes Buch. Hals über Kopf stürze ich mich in diese besondere Liebesgeschichte und finde mich fast auf dem Beifahrersitz im Leben der beiden Protagonisten wieder. Antonia ist mir zum Greifen nahe, ich fühle, hoffe, sehne mit ihr und hege gelegentlich Zweifel. Und auch die eine Frage, die irgendwie nicht beantwortet zu werden scheint, treibt mich um. Ein wunderbares Buch, welches mit seinem Schutzumschlag sehr hochwertig, stilsicher und chic daherkommt, in dem frau herrlich versinken kann.

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In "Eine Liebe, in Gedanken" rekonstruiert Kristine Bilkau vor dem historischen Hintergrund der 1960er Jahre die Geschichte einer großen Liebe. Im Mittelpunkt der Erzählung steht dabei das Schicksal einer jungen Frau, die bereit ist, für ihren Traum von Freiheit alles auf eine Karte zu setzen. Hamburg im Jahr 1964. Die 22-jährige Antonia, genannt Toni, hat gerade ihrem Heimatort an der Ostsee den Rücken gekehrt und beginnt, die neu gewonnenen Freiheiten des Großstadtlebens zu genießen. Als sie hier den zwei Jahre älteren Edgar kennen lernt, ist schnell klar: Das ist sie. Die ganz große Liebe. Mit Edgar scheint es plötzlich möglich, das glückliche, unbeschwerte Leben. Ein Leben, das so ganz anders ist als das von Verbitterung und Freudlosigkeit geprägte Dasein ihrer Mutter, die nie darüber hinweggekommen ist, dass der Vater die Familie für eine andere Frau verlassen hat. Die seither nicht müde wird zu betonen, „dass Männer es selten gut mit ihnen meinen, egal, was sie tun.“ Doch anders als der Rest der Familie, in der alle so „grundenttäuscht wegen allem Möglichen“ sind, gelingt es Toni, sich ihren optimistischen Blick auf die Welt und die Neugier auf die eigene Zukunft zu bewahren. Eben diese Unbeschwertheit und ungebremste Lebenslust ist es dann auch, die Edgar an Toni so fasziniert. Mit seiner zurückhaltenden Art und seinem Hang zu Grübeleien zählt er selbst allerdings eher zu den pragmatischen Charakteren. Während Toni so das private Glück und erste berufliche Erfolge in vollen Zügen genießt, hadert Edgar zusehends mit dem Gefühl, sich in einer „Wartehalle“ zu befinden, in der das eigentliche Leben für ihn noch nicht richtig begonnen hat. Dass er in seiner Firma noch immer die Rolle eines besseren Laufburschen einnimmt, erfüllt ihn immer öfter mit Wut und Scham. Als er von seinem Vorgesetzten überraschend das Angebot bekommt, eine eigene Filiale in Hongkong zu betreuen, ist er dennoch zunächst skeptisch. Angesteckt von Tonis überbordendem Enthusiasmus, die von der Vorstellung einer gemeinsamen Auswanderung sofort hellauf begeistert ist, stimmt er der Versetzung jedoch schließlich zu. Anders als die impulsive Toni will Edgar allerdings nichts überstürzen. An erster Stelle steht für ihn vor allem eines: das Abenteuer so berechenbar wie möglich zu machen. So vereinbart das Paar, das Edgar zunächst alleine nach Hongkong reist und Toni nachkommen wird, sobald die Geschäfte laufen. Bis sich erste berufliche Erfolge einstellen, dauert es jedoch länger als erwartet. Vor allem für Toni wird die lange Wartezeit dabei zur regelrechten Geduldsprobe. In einer Zeit, in der E-mails und Mobiltelefone erst noch erfunden werden müssen, vergehen dabei mindestens zwei Wochen, bis ein Brief den Weg von Hongkong nach Hamburg findet. So verwandelt sich die einst innige Beziehung zwischen den Liebenden zusehends in einen Wettlauf gegen die Zeit. „Alles was sie haben, bleibt auf dem Papier. Doch das Papier ist schon Vergangenheit, wenn es in ihren Briefkästen liegt.“ Immer häufiger wird Toni dabei beim Schreiben und Lesen der Briefe von einem Gefühl der Vergeblichkeit ergriffen, „weil sie ja doch nichts weiß darüber, wie er sich jetzt fühlt, wie sich die Dinge jetzt für ihn entwickelt haben.“ Dann endlich, nach quälenden Monaten der Trennung, erreicht Toni das lang ersehnte Telegramm, in dem Edgar sie auffordert, Wohnung und Job zu kündigen und alles für die Abreise vorzubereiten. Schon bald, so verspricht er, werde er ihr das Flugticket zuschicken. Toni tut, wie ihr geheißen – doch das Ticket kommt und kommt nicht. Immer wieder wird sie von Edgar unter Angabe von fadenscheinigen Gründen vertröstet, bis sie schließlich nach vielen weiteren frustrierenden Monaten des Wartens die Verlobung mit Edgar löst. Die entscheidende aber ungeklärte Frage nach dem Warum wird Toni, – die inzwischen wieder bei der Mutter lebt und sich mit Aushilfsjobs über Wasser hält – dabei bis an ihr Lebensende beschäftigen. Im Roman wird diese Geschichte einer enttäuschten Liebe dabei rekonstruiert und kommentiert von Tonis Tochter, die nach dem Tod der Mutter in deren Nachlass auf Briefe von Edgar stößt. Auf diese Weise verwebt Bilkau nicht nur zwei verschiedene Zeitebenen miteinander. Über ihre Auseinandersetzung mit der Liebesgeschichte von Edgar und Toni beginnt die Tochter vielmehr, auch ihre eigene Beziehung zur Mutter neu zu überdenken. Tonis unsteter Lebenswandel, für den die Tochter nie Verständnis aufbringen konnte, die Art und Weise, wie sich die Mutter ein Leben im Provisorischen eingerichtet hatte – all das erscheint nun im neuen Licht. Plötzlich erscheint die Mutter nicht mehr nur als verträumte Romantikerin, die sich vor alltäglichen Problemen in Träumereien flüchtet, die es weder schafft ihre Rechnungen zu bezahlen, noch das Auto reparieren zu lassen. Erstmals erkennt die Tochter ihre Mutter nun auch als jene willensstarke Frau, „die sich bis zum Schluss von niemandem ihre Liebe hatte abwerten lassen, ihre angeblich so unheilbare, zwecklose, vergebliche und verschwendete Liebe.“ Als eine Frau, die alles auf eine Karte gesetzt und schließlich bitter verloren hatte – und das „in einer Zeit, in der Frauen dieser Mut nicht verziehen wurde“. Dass Kristine Bilkau eine Meisterin der leisen Töne ist, hat sie bereits in ihrem Debütroman "Die Glücklichen" auf beeindruckende Weise unter Beweis gestellt. Auch in "Eine Liebe, in Gedanken" kommt die Autorin erneut ohne Kitsch und dramaturgische Knalleffekte aus. Mit präziser Sprache, aber dennoch stets zurückhaltend, nähert sich die Autorin den tiefen Sehnsüchten und leidvollen Enttäuschungen ihrer Figuren, ohne diese dabei in ihren emotionalen Nöten je bloß zu stellen.

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