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Rezensionen zu
Porno

Irvine Welsh

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Schottland 2002 Porno Autor: Irvine Welsh Verlag: Heyne (Hardcore-Reihe) Übersetzung: Clara Drechsler, Harald Hellmann Genre: Underground, Erotik "Schon während ich es in meinen Zinken schaufele, ist mir die traurige Wahrheit bewusst. Koks ödet mich an, es ödet uns alle an. Wir sind abgestumpfte Typen in einer Szene, die wir hassen, einer Stadt, die wir hassen, und tun dabei so, als wären wir der Nabel der Welt, müllen uns mit Drogen zu, um das Gefühl zurückzudrängen, das sich das wahre Leben irgendwo anders abspielt, und wissen dabei genau, dass wir nichts anderes tun, als dieser Paranoia und Ernüchterung neue Nahrung zu geben. Doch irgendwie sind wir zu apathisch, um damit aufzuhören, denn traurigerweise gibt es nichts Interessantes, für das es sich lohnen würde, aufzuhören. Dabei fällt mir ein, es verdichten sich Gerüchte, dass Breeny haufenweise Ching hat, und es sieht so aus, als wär ein beträchtlicher Teil davon bereits im Umlauf." (Porno. Autor: Irvine Welsh. Übersetzung: Clara Drechsler, Harald Hellmann. Verlag: Heyne) Heyne Hardcore und Porno. Zwei Begriffe, die man auf dieser ruhigen Insel hier eher nicht antrifft. In Form von Literatur jedoch kein ungewöhnliches Zusammenspiel. Aus dem Programm von Heyne Hardcore rezensierte ich in meinem Blogger Debüt-Jahr 2011 Matias Faldbakkens "Unfun", ein Roman, wesentlich später entstanden als "Porno", aber sicherlich nicht minder kontrovers, abgedreht und misanthropisch. Was Porno angeht, so kann ich mir wahrlich vorstellen, ist es nicht die einfachste und dankbarste Aufgabe gewesen, dieses rund 600 seitige Monstrum an unflätigen Begriffen ins Deutsche zu übersetzen. Schon gar nicht, wenn der Autor Irivine Welsh heißt. William S. Burroughs, Meister der Beat-Literatur (und Vorreiter der Underground-Literatur), verstarb rund 6 Jahre vor der Veröffentlichung von Porno und wäre vermutlich ins Staunen geraten, hätte er diesen Roman in die Finger bekommen. Porno ist die Bibel des schlechten Geschmacks, der Drogen und der puren Misanthropie. Allen voran ist Porno aber auch die Fortsetzung zum Kult-Hit "Trainspotting". Rund zwei Wochen ist es erst her, da besprach ich Danny Boyles ausgezeichnete Fortsetzung T2 Trainspotting. Um eines jedoch schnell vorweg zu nehmen, Porno diente T2 nur bedingt als Vorlage. Während Porno noch einmal eine Spur drastischer ist als das Original, so fährt die filmische Fortsetzung eher einige Gänge zurück, setzt auf Vertrautheit und Nostalgie. Porno hingegen ist eine Landung auf Kopfsteinpflaster. Liest man den Roman nach dem Film, fühlt es sich an, als hätte ein Schotte von massiver Statur dir einen Schwinger mitgegeben, der dich geradewegs auf das harte Kopfsteinpflaster von Edinburgh befördert. Renton, Spud, Sick Boy und Begbie kehren auch in Porno heim. Im Gegensatz zum neuen Film sind keine 20 Jahre vergangen sondern lediglich 10. Schon zu Beginn des Buches bemerkt man aber, Simon aka Sick Boy ist noch tiefer in den Drogensumpf gerutscht. Kokain, Crack oder auch noch Heroin, Simon geht bedächtig seinen Weg weiter. Bewusst habe ich das Zitat zum Beginn der Rezension ausgewählt, weil es das Bild der Charaktere bestens zeichnet. Konsum, weil es kaum eine alternative im Leben gibt. Sie könnte aufhören, allerdings gibt es gar keinen Grund dafür. Humor wechselt sich mit Drama ab, Drama überreicht den Staffelstab an pikant beschriebenen Erotikszenen. Regisseur Danny Boyle war diese Mischung vielleicht etwas zu explosiv und distanzierte sich größtenteils von allem, was Porno zu bieten hat. War der Vorgänger erzählerisch eher noch eine Ansammlung an Kurzgeschichten die in einer nicht chronologischen Reihenfolge erzählt wurden (und für ein herrliches Chaos sorgten), ist die Handlung in Porno gradliniger und folgt einem festen Plot. Bei dem enormen Umfang ist Porno sicherlich nicht von Längen befreit -Belanglosigkeiten und Seltsamkeiten mit inbegriffen- die den Lesefluss manchmal beeinträchtigen könnten. Die 3 großen Abschnitte des Romans sind dennoch in genug kleine Kapitel unterteilt, die allesamt ein wenig an die Kurzgeschichten des Vorgängers erinnern. Trotz einiger Längen eignet sich Porno auch bestens als Lektüre, die man zwischendurch "konsumieren" kann. "Dann bin ich draußen auf der Straße. Ich wusste nicht, dass ich bei meiner ziellosen Wanderung wieder in Islington gelandet war, bis ich am Park das Mädchen sah, das mühsam versuchte, mit Fäustlingen an den Händen einen Stadtplan aufzuschlagen, und instinktiv mit einem schleimigen >Verlaufen, Baby?< reagierte. Aber der weinerliche Klang meiner Stimme, die vor Emotionen, banger Erwartung, ja sogar Verlorenheit triefte, erschütterte mich. Der Schock darüber ließ mich genauso zurücktaumeln wie der Schluck aus der lila Dose in meiner Hand. Scheiße, was war das? Wer hatte ihm das in die Hand gedrückt? Wie zum Teufel bin ich hierher gekommen? Wo sind die alle? Ein paar hatten sich ächzend verabschiedet, und ich war in den kalten Regen rausgegangen, und jetzt..." Resümee Obwohl man "Porno" eine Überlänge und zu viele konfuse Passagen nicht abstreiten kann, so kann sich der Roman als eine mehr als solide Fortsetzung am Ende durchringen. Wir nehmen Teil am Alltag der Skagboys und irgendwie kann man sich nicht gegen die Anziehungskräfte wehren, die von diesen Charakteren ohne Vorbildfunktion oder Manieren ausgeht. Man will irgendwie dabei bleiben, wie sie sich immer tiefer in die Misere reiten. Irvine Welsh gelingt es, dass wir immer noch über diese kuriose Truppe lachen und manchmal die Absurditäten nicht einmal erklären können. "Porno" ist durchaus ein Roman, der seine Leser lange begleiten kann und man sich, trotz all der Misanthropie, am Ende doch irgendwie gut fühlt. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an, eine ausgediente Phrase, die Irvine Welsh uns noch einmal bestens verständlich macht.

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Ein vollkommen verrücktes Buch! Selten war ich glücklicher darüber, nur der Leser zu sein! An keiner Stelle gibt Irvine Welsh mir das Gefühl, Teil einer Fiktion zu sein. Und noch mehr, ich bin froh, die beschriebenen Erfahrungen nicht gemacht zu haben. Ein verrücktes und außergewöhnliches Buch, im wahrsten Sinne. Unglaublich schnell, tolle Charakterstudien, glaubhaft und emphatisch. Jeder der Trainspotting gesehen hat und geliebt hat, der wird hiermit nicht enttäuscht. Unbedingt lesen und nicht erschrecken lassen!

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Zehn Jahre nach dem tragischen Auseinanderbrechen der Trainspotting-Gang schlagen sich Sick Boy und seine alten Kumpels Begbie, Renton und Spud noch immer meist eher schlecht als recht durch ihr armseliges Leben. Allein Renton hat den Absprung nach Amsterdam geschafft und sich mit einem angesagten Club ein bürgerliches Leben aufgebaut. Als Simon David Williamson alias Sick Boy nach einer trostlosen Episode in London nach Edinburgh in das schäbige Viertel Leith zurückkehrt, übernimmt er nicht nur den heruntergekommenen Pub seiner Tante, sondern strebt weiterhin nach der ganz großen Kohle. Er tarnt den Pub als gemütliches Café, das sich abends in ein Thai-Restaurant verwandelt, um in bislang unbenutzten Räumen im Obergeschoss Pornos zu drehen, die er über seinen alten Kumpel Rents in Amsterdam vertreiben lassen will. Doch vorher gibt es noch die eine oder andere Rechnung zu begleichen. Vor allem Begbie hat es bis heute nicht verwunden, dass Renton seine Truppe bei dem fetten Drogendeal vor zehn Jahren abgezogen und das Weite gesucht hat, während Begbie für die Aktion einsitzen musste. Als Rents nach Edinburgh zurückkehrt, ahnt er nicht, dass Begbie wieder auf freiem Fuß ist. Währenddessen berauschen sich die Jungs nicht mehr am Heroin, sondern stehen auf Koks und willige Frauen, denen sie nahelegen, auch vor der Kamera zu ficken. Mit „Die sieben Säulen der Geilheit“ ist der Titel ebenso schnell gefunden wie die Hauptdarsteller. Doch als sich Terry bei einer Nummer mit Simons Freundin Nikki eine Penisfraktur zuzieht, steht das Projekt unter einem ungünstigen Stern. Und es mehren sich nicht nur von den Frauen, die sich als Wichsvorlage degradiert fühlen, durchaus kritische Stimmen … „Das ist unsere Tragödie: Niemand, abgesehen von destruktiven Ausbeutern wie Sick Boy oder farblosen Opportunisten wie Carolyn, bringt echte Leidenschaft auf. Alle sind von dem Müll und der Mittelmäßigkeit um sie herum wie erschlagen. Wenn das bezeichnende Wort der Achtziger ‚ich‘ und das der Neunziger ‚es‘ war, dann ist es im neuen Millennium ‚irgendwie‘. Alles muss vage und relativierbar sein. Erst war mal Inhalt wichtig, dann war Stil alles. Und jetzt wird nur noch gefaked.“ (S. 448) 1996 verfilmte der spätere Oscar-Preisträger Danny Boyle („Slumdog Millionär“) Irvine Welshs Kultroman „Trainspotting“ (1993) und landete mit dem berauschenden Portrait einer sinnentleerten Spaßgesellschaft einen internationalen Erfolg, der auch Hauptdarsteller Ewan McGregor zum Star machte. Zum Filmstart von „T2 Trainspotting“ erscheint bei Heyne Hardcore, wo auch Welshs letzten Romane – das „Trainspotting“-Prequel - „Skagboys“ und „Das Sexleben siamesischer Zwillinge“ veröffentlicht wurden, mit der Neuauflage von „Porno“ (2002) der Roman zum Film. Der aus Edinburghs Viertel Leith stammende, mittlerweile in Chicago lebende Irvine Welsh versteht es auch in „Porno“, seine abgefuckten Antihelden in einer Gossensprache reden zu lassen, die ebenso authentisch wie abstoßend wirkt, die aber auch genau das hoffnungslose Lebensgefühl widerspiegelt, in dem sich die Figuren gefangen sehen. Einzig das Aufputschen durch Alkohol, Koks und hemmungslosen Sex scheint kurzfristig gegen die Sinnlosigkeit des Lebens ein Zeichen der Linderung setzen zu können. Wie sehr Welsh an seinen Figuren hängt, zeigt sich nicht nur an der Tatsache, dass er nach „Trainspotting“ sowohl ein Prequel als auch ein Sequel geschrieben hat, sondern beispielsweise auch Juice-Terry und die Birrell-Brüder aus dem Roman „Klebstoff“ in das „Trainspotting“-Universum eingeführt hat. Wie Sick Boy letztlich erfolgreich versucht, seinen Porno-Film zu produzieren und in schließlich in einem Parallelwettbewerb in Cannes zu präsentieren, braucht sicher keine knapp 600 Seiten, auch nicht die zwangsläufige, Spannung erzeugende Konfrontation zwischen den Erzfeinden Begbie und Renton, so dass „Porno“ auch einige Längen aufweist, doch die absolut lebendige, mitreißende Art, in der Welsh das Lebensgefühl seiner Figuren in der jeweiligen Ich-Perspektive wiedergibt, resultiert in einem ebenso humorvollen wie tiefgründigen Roman, der sich auf einer Meta-Ebene auch mit dem Schönheitsideal und den durchaus fragwürdigen Werten und Lebensentwürfen im 21. Jahrhundert auseinandersetzt.

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