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Rezensionen zu
HERKUNFT

Saša Stanišić

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Etwas das jeder lesen sollte

Von: Adriana H. aus Wallisellen

31.03.2023

Sasa Stanisic ist ein bekannter deutscher Autor mit bosnischen Wurzeln. In seinem Roman „Herkunft“, welches am 18. März 2019 erschien, beschäftigt er sich damit, was es bedeutet aus einem bestimmten kulturellen Umfeld zu stammen und mit seiner eigenen Erfahrung. Man könnte sagen, dass sein Werk eine angepasste oder verbesserte Autobiografie ist. Er beschäftigt sich mit Themen wie Familie, Heimat, Identität und Sprache. Somit kann sich fast jeder, der als Kind in ein unbekanntes Land gezogen ist, sich mit seinem Werk identifizieren und es eignet sich perfekt als eine Lektüre für diejenigen Menschen, vor allem Jugendliche, die auch ihre eigenen Erfahrungen darin sehen können. Stansic beschreibt seine Erfahrungen auf einer persönlichen, jedoch auch auf einer neutralen Weise, sodass viele Leser ihre eigene Erinnerung mit seinen vergleichen können. Somit kann man sich das Geschriebene auch besser vorstellen. Seine Schreibweise schafft eine besonders bildhafte Atmosphäre und man kann tief in die Gedanken des Autors eintauchen. Es ist ihm gelungen, seine Geschichte auf einer sehr humorvollen Art zu schreiben und trotzdem auch ernste Situationen zu hervorheben. Trotz des antichronologischen Aufbaus ist es klar, was der Autor meint und so werden auch verschiedene Ereignisse miteinander gut verknüpft. Besonders beeindruckend ist auch, wie der Autor verschiedene Erzählsträngen miteinander verküpft. Es gibt komplexe, sowie sehr einfach geschriebene Teile, was dazu führt, dass auch wenn es manchmal anstrengende Teile gibt, die schwer zu Lesen sind, es ebenfalls auch Teile gibt in denen man sich entspannt zurück lehnen kann ist zu lesen gibt es auch Zeiten wo man entspannt lesen kann. Dies trägt oft eine besondere Bedeutung für Lektüre-Geniesser, denn so wird ein Text nicht zu schnell langweilig, aber auch nicht zu kompliziert, um es fertig zu lesen. Der Aufbau kann zwar am Anfang ein wenig verwirrend wirken, doch im Laufe der Zeit wird es deutlicher und man lernt zu schätzen, wie durchgedacht es ist. Auch die Vielseitigkeit seines Erzählens ist bemerkenswert. Er beobachtet nicht nur die bosnische Kultur, sondern auch die deutsche Kultur sehr vielseitig. Man sieht, dass er zu beiden gehört und sie vernünftig beobachten kann, denn er kann auch die negativen Aspekte sehen, statt blind einer Kultur nachzurennen. Stanisic malt ein farbenfrohes Bild seiner Heimat, welche immer einen Platz in seinem Herzen haben wird, aber akzeptiert auch, dass es nicht ein perfektes Land ist und stark von Krieg betroffen ist. So ist er auch für sein Leben in Deutschland sehr dankbar. Diese Neutralität, die er annimmt ist sehr beruhigend, denn seine Stellung wünscht man sich bei jeder zweiten Generation von Einwanderer. Insgesamt ist „Herkunft“ von Sasa Stanisic ein sehr lesenswerter Roman, der nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken bringt. Er zeigt auf einer beeindruckenden Weise, wie wichtig es ist sich seiner eigenen Herkunft bewusst zu sein und zu verstehen welche Bedeutung es für unsere Identität hat. Die Themen, die er anspricht, haben eine extrem wichtige Bedeutung für die heutige Zeit, in welcher wir alle verbunden sind. Er ist ein lebendes Beispiel von einer gesunden Integration, welche wir in allen Migranten sehen wollen, vor allem bei den Jugendlichen. Aus diesem Grund soll es allen Jugendlichen fest empfohlen, denn vielleicht können sie sich selbst, dank Stanisic Erklärung, auch besser verstehen.

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Rezension Herkunft

Von: Annika Weiss aus 8340 Hinwil

31.03.2023

Die Frage nach unserer Herkunft begleitet uns durch jegliche Lebenssituation. Ob in der Vergangenheit oder in der Gegenwart, viele von uns streben danach, die Antwort auf diese Frage zu finden. So auch der Schriftsteller der Biografie „Herkunft“ Saša Stanišić. Die Geschichte wird oftmals als Autobiografie betitelt, jedoch beinhaltet diese durchaus Elemente eines Romans. Der Autor schafft es mit dem Werk „Herkunft“ die beiden Gattungen in spielerischer Weise zu verbinden. Zudem erzählt Saša Stanišić seine Geschichte scheinbar ohne chronologische Reihenfolge, wobei er immer wieder in die Fantasie abdriftet. Die Geschichte ist durch ihre alltägliche und gar witzige Sprache gekennzeichnet, was sie sehr leserlich macht. Erwähnenswert ist ausserdem, dass der Autor äusserst freundlich und poetisch schreibt. Er tut dies besonders, um Personen und Figuren zu beschreiben. Für bestimmte Geschehnisse wird er sehr genau und harmonisch. Dadurch, dass der Autor seine Geschichte auf wahren Ereignissen und seinen persönlichen Erfahrungen basiert, lässt man sich als Leser ohne Weiteres darauf ein. Passend dazu wird der Roman in der Ich-Perspektive erzählt. Während Saša Stanišić aus seinem Leben berichtet, spricht er über Migration, Literatur und Sprache. Im Fokus stehen ausserdem seine Heimat, die Flucht seiner Familie nach Deutschland und alles was danach kommt. „Herkunft“ behandelt immer wieder geschichtliche Ereignisse, so zum Beispiel die Grenzöffnungen durch Angela Merkel. Dies nimmt Bezug zu seiner Flucht aus Bosnien in den 90er Jahren. Damit schneidet er den Zerfall Jugoslawiens und die Vertreibung der nicht willkommenen Bürger aus den neuen Nationen an. Zu diesen Bürgern gehören Saša Stanišić und seine Familie. Obwohl Saša Stanišić nicht in seinem Heimatland bleiben konnte, blieb etwas: Die Erinnerungen an seine Familie, welche in seinen Gedanken weiter leben. Für den Autor hat der Begriff „Herkunft“ eine besondere Bedeutung. Dadurch dass sich sein Herkunftsland (ehemals Jugoslawien) in Einzelstaaten auflöste, gehörte der Autor faktisch keinem Land mehr an. Dies trieb den Autor wohl an sich der Frage nach der Herkunft und Identität zu widmen. Während Stanišić diesen Fragen nachgeht, kann man sich als Leser auf eine interessante Reise in seine Vergangenheit einlassen kann. Zentrum seiner Erinnerungen scheint seine geliebte Grossmutter Kristina zu bilden. Zu ihr hat der Autor eine sehr innige Beziehung gepflegt obwohl Kristina an Demenz erkrankt ist. Laut dem Autor lebte seine Grossmutter in der Vergangenheit und verfügte nur über lückenhafte Erinnerungen. Damit macht die Grossmutter etwas deutlich: Erinnerungen müssen nicht chronologisch und vollständig sein. Vielmehr sind es Assoziationen mit bestimmten Orten oder Menschen. Dies widerspiegelt das sprunghafte Wiedergeben von Erinnerungsfetzen, welche dem Leser eine Nähe zum Autor vermittelt. Wo sich der Autor und wir alle nun beheimatet fühlen, darauf gibt es keine universelle Antwort. Sicher ist aber, dass der Text uns zu vielen Gedanken zu unserer Herkunft und Identität anstösst. Aus genau diesem Grund ist „Herkunft" eine äusserst inspirierende und intelligente Geschichte, welche aktueller denn je ist. Schlussendlich ist es dem Autor gelungen, die Architektur der Herkunft zu untersuchen.

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Herkunft Rezension

Von: Mario

31.03.2023

Mit Herkunft hat Saša Stanišić seine vierte Buchveröffentlichung vorgelegt, die den Deutschen Buchpreis 2019 erhalten hat. Herkunft ist Stanišićs persönlichster Roman, weil er seine eigene Familiengeschichte erzählt. Der Roman ist episodisch aufgebaut. Die einzelnen Episoden sind als Erinnerungen modelliert und als solche recht realistisch erzählt. Diese Erzählweise wird allerdings auch immer wieder gebrochen: Zum einen, indem der Erzähler-Autor seine Erinnerungen in Zweifel zieht und sich als unzuverlässiger Erzähler stilisiert, zum anderen, indem SASA magische, mythische oder märchenhafte Elemente ironisch einflechtet. 10von10 gutes Buch finde ich super sehr toll wunderbar.

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“Herkunft” behandelt die persönliche Familiengeschichte von Saša Stanišić. Er verlässt notgedrungen seine Heimat Bosnien und kommt mit der Familie als Teenager nach Heidelberg. Besonders seine Großmutter ist für den heranwachsenden eine Schlüsselfigur. Jeder der sich mit seiner eigenen Herkunft beschäftigt oder einer annähernde Idee von Heimat bekommen möchte, ist gut beraten mit diesem Buch. Sicher ist, dass es alle bisherigen Vorstellungen im Kopf aufbrechen und hinterfragen wird.

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Die Frage nach der Herkunft scheint für viele von uns leicht zu beantworten zu sein. Ist doch klar, man ist in einem Land geboren und somit Deutscher, Inder, Australier oder irgendeiner anderen Nation zugehörig. Doch woher kommt man eigentlich, wenn sich das Herkunftsland in Einzelstaaten zersplittert? Saša Stanišić beschreibt in dem Roman „Herkunft“ sein Leben als jugoslawischer Geflüchteter in Deutschland und die damit verbundene Komplexität des Begriffs „Herkunft“. Das Verschwinden seiner Heimat und sein Neuanfang in Deutschland stellen ihn vor zahlreiche Fragen: Aus was setze ich mich zusammen? Welchen Einfluss habe ich auf meine eigene Identität? Bin ich vielleicht nur ein Produkt des Zufalls? Ein Besuch bei der Ausländerbehörde Die Geschichte beginnt mit dem Ausfüllen eines Antrags auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Geburtsort- und datum sind schnell eingetragen, aber wie soll man ein Leben, das so viele Stationen durchquert hat und von unterschiedlichsten Menschen beeinflusst worden ist, auf die engen Lücken eines tabellarischen Lebenslaufs herunterbrechen? Für Stanišić beginnt eine Reise in die Vergangenheit, ein Eintauchen in die Erinnerung, die ihn zwischen seiner Heimatstadt Višegrad, Oskoruša und Heidelberg hin und her springen lässt. Flucht nach Deutschland Die ersten vierzehn Jahre seines Lebens verbrachte Stanišić in Jugoslawien. Er wuchs dort behütet als Sohn eines Betriebswirts und einer Politikprofessorin auf. Das Glück nahm mit der Besetzung von Višegrad durch bosnisch-serbische Truppen eine abrupte Wendung und zwang die kleine Familie zur Flucht nach Deutschland. Stanišić hatte Glück: Eine Clique, die ihm Halt bot und Lehrer, die inspirierten, ihn träumen ließen und ihn unterstützen, bestimmten seinen Alltag. Auch wenn ihm das Erlernen der deutschen Sprache einiges abverlangte, merkte er schnell, dass Sprache ihn faszinierte und er mit ihr umgehen konnte. Er begann, Gedichte zu schreiben – zunächst auf seiner Muttersprache dann auf Deutsch. Seine Eltern hatten mehr zu kämpfen. In Jobs, die deutlich unter ihrer Qualifikation lagen, schufteten sie bis zur Erschöpfung, so dass kaum Zeit blieb, um Freundschaften zu knüpfen, die Sprache zu lernen oder einfach nur anzukommen. Großmutter Kristina Immer wieder erscheint die demente Großmutter Kristina in Stanišićs Erinnerungen. Sie lebt in der Vergangenheit, verwischt die Grenzen zwischen dem Hier und Jetzt und dem, was eigentlich schon passiert ist. Sprunghaft durchlebt sie Szenen aus der Vergangenheit, die Stanišić dabei helfen, das Fundament seines Lebens zu rekonstruieren. Schweren Herzens muss sie in einem Pflegeheim untergebracht werden, nachdem sie ihren Arm beim Hinaufklettern auf einen Ofen brach. Die unter Demenz leidende Großmutter macht deutlich: Erinnerungen sind nicht chronologisch und vollständig. Sie sind vielmehr Assoziationen, die mit Orten, Gegenständen oder Menschen verknüpft sind und unkontrolliert auftauchen, wenn man es zulässt. Auch im letzten Kapitel des Romans spielt die Großmutter eine wichtige Rolle. Ausgangspunkt eines Verwirrspiels ist ein Besuch bei Kristina im Altenheim, um ihr eine gute Nacht zu wünschen. Wie es danach weitergehen soll, entscheidet der Lesende. Stanišić lässt nach jeder gelesenen Seite den Lesenden wieder neu wählen, was passieren soll und schickt ihn, je nach Wahl, auf die passenden Seiten. Etwas mehr als 50 Seiten treibt er dieses Spiel und macht uns deutlich, dass alles möglich ist, aber nichts notwendig. Besonderheiten des Erzählstils Nicht ohne Grund hat Saša Stanišić den deutschen Buchpreis für seinen Roman „Herkunft“ verliehen bekommen. Ein Jurymitglied hätte den Schreibstil, der sein Werk so besonders macht, nicht besser beschreiben können: „Unter jedem Satz dieses Romans wartet die unverfügbare Herkunft, die gleichzeitig der Antrieb des Erzählens ist. Verfügbar wird sie nur als Fragment, als Fiktion und als Spiel mit den Möglichkeiten der Geschichte.“ Das sprunghafte Wiedergeben von Erinnerungsfetzen geben dem Lesenden stets das Gefühl, mit Stanišić auf einem alten Dachboden zu kramen und in jeder Ecke ein weiteres Puzzleteil seiner Herkunft und Identität zu finden. Die Ich-Perspektive verstärkt das Gefühl, diese Erinnerungsketten nachempfinden zu können und sich in ihnen zu verlieren. Eins wird besonders deutlich durch diese durchweg anachronistische Aneinanderreihung von Erzählungen aus der Vergangenheit, die, gefärbt von der Fabulierlust des Erzählers, sich stets zwischen Fiktion und Biografie bewegen: Herkunft ist Zufall. Ebenso die Erinnerung. Sieht man doch an Oma Kristina, bei der die Erinnerungen unberechenbar auftauchen. Die Zufälligkeit unserer Herkunft „Herkunft sind die süß-bitteren Zufälle, die uns hierhin, dorthin getragen haben. Sie ist Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat.“ (S.67 in „Herkunft“) – Warum auf das eigene Herkunftsland stolz sein, wenn man doch nichts dazu beigetragen hat, dass genau an diesem Fleck die eigene Geburt stattgefunden hat? Sind es nicht nur die Zufälle, die unsere Wohnorte bestimmen? Stanišić hat wenig Verständnis für übertriebenen Patriotismus, für das Aufopfern für das Vaterland. Ebenso ist die eigene Familie ein reines Produkt des Zufalls. Wer kann schon mitbestimmen, wer seine Eltern werden? Die meisten von uns sind der Macht des Schicksals unterlegen und müssen sich mit der Umgebung und den Umständen abfinden, in die sie hineingeboren werden. Selbst entscheiden zu können, wo man leben möchte, ist ein Privileg, was man nur durch jede Menge Glück erlangen kann: „Jedes Zuhause ist ein zufälliges: Dort wirst du geboren, hierhin vertrieben, da drüben vermachst du deine Niere der Wissenschaft. Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann. Wer sein Zuhause nicht verlässt, weil er muss, sondern weil er will. Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann.“ (S.123 in „Herkunft“) Will Stanišić uns damit sagen, dass wir unsere Identität nicht beeinflussen können? Ist alles nur eine Art Glücksspiel und man gehört entweder zu den Begünstigten, die in das richtige Land und Familie hineingeboren wurden oder zu denen, die weniger Glück hatten? Ja, das meint er wahrscheinlich. Aber wie er in seinem letzten Kapitel, in dem wir mitbestimmen können, wie die Geschichte weitergeht, so wunderbar verdeutlicht, stehen wir unser ganzes Leben vor zahlreichen Entscheidungen, die wir selbst treffen können. Auch wenn die Herkunft dem Zufall unterlegen ist, ist unsere Identität auch das, was wir selbst daraus machen. Unsere Entscheidungen formen letztendlich unseren Lebensweg, die sicherlich immer gefärbt sein werden von dem Einfluss der Familie und der Kultur, in die man hineingeboren wurde, aber für die wir dennoch selbst verantwortlich sind. Warum lesenswert? „Herkunft“ ist ein besonderes Buch. Biografie trifft hier auf Fiktion, Philosophie auf das Fabulieren. Stanišić ist es gelungen, die Architektur der Herkunft zu erforschen, die sich aus einigen wenigen Fakten, jeder Menge Erinnerungen und viel Fantasie zusammensetzt. Denn was bleibt, wenn man den Streifzug durch die Vergangenheit, das Fundament unserer Herkunft, abgeschlossen hat? Ein Mosaik aus dir selbst, was in seiner Vollständigkeit nie ganz greifbar sein wird.

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Der Drachenhort

Von: Hans Neumann aus Hamburg

21.02.2021

Wie alle anderen Leser auf diesen Seiten bin ich begeistert von dem Buch. Nur mit dem Schlusskapitel „Der Drachenhort“ (S.289) hatte ich - wie die meisten älteren Leser, die keine Erfahrung mit interaktiven Computerspielen haben, -meine Schwierigkeiten. Erst als ich mir die Mühe machte, das Kapitel noch einmal zu lesen, dabei allen Filiationen brav zu folgen und sie schriftlich festzuhalten, glaubte ich den tieferen Sinn dieser Erzählstruktur zu verstehen. Es geht ja im Großen und Ganzen um zwei Handlungsstränge: In dem einen bleibt man näher am realen Leben der dementen Großmutter, man macht kleine Wanderungen durchs Heim. imaginiert gemeinsam Autofahrten, erlebt oder erinnert vergangene, auch mysteriöse Erlebnisse, kommt aber immer wieder vergleichsweise schnell an das „Ende“, das Sterben der Großmutter im Heim! Der andere Erzählstrang holt weiter aus: Großmutter und Enkel begeben sich auf eine abenteuerliche Reise, sie suchen Bekannte von früher auf, reiten auf den Vijirac, überstehen Gefahren und Versuchungen, begegnen dem mythischen Drachenhort, erreichen ihr eigentliches Ziel, das Totenreich des Großvaters, erbitten und erhalten seine Rückkehr für 48 Stunden und verbringen noch einige glückliche Stunden im Heim. Es besteht kein Zweifel, dass hier Fiktives vorgetragen wird, dass Enkel und Großmutter sich auf eine Fantasiereise einlassen, dass überlegt wird, ob man nicht doch abbrechen und ins Heim zurückkehren solle (S.331). Der Autor aber hört nicht auf zu erzählen, auch nach dem realen Tod der Großmutter nicht, er gönnt ihr post mortem noch die Wiederbegegnung mit ihrem Pero und das Glück, mit Mann und Enkel gemeinsam Kindheitserinnerungen von Sascha auszutauschen. Der tiefere Sinn der interaktiven Erzählstruktur wird klar, wenn man sich erinnert, dass an mehreren Stellen, z.B. gleich zu Anfang auf S. 293 der Leser sich an Saschas Stelle entscheiden soll, ob er lügen oder die Wahrheit sagen willl. Wenn man weiß, dass demente Menschen oft sehr empfindlich reagieren auf nicht authentisches Verhalten,auf leichtfertiges Beschönigen oder Lügen, ist man überrascht, dass man als Enkel mit der Wahrheit den desillusionierenden Rückweg ins Heim antritt, mit der Lüge dagegen, man sei der längst verstorbene Pero, die Tür öffnet zu den mysteriösen Wunschträumen Kristinas und den literarisch ausgearbeiteten Fantasieerzählungen Saschas. Mehr Klarheit in der Frage nach den Mischungen von Realität und Fiktion, von Wahrheit und Lüge, von Erinnerungen und Fantasie brauche ich nicht. Meiner Ansicht nach hebt sich allerdings - spätestens! - durch dieses Schlusskapitel des Romans „Herkunft“ aus der fast unüberschaubaren Reihe autobiografischer Romane heraus als modernes literarisches Meisterwerk. HN 21.2.2021

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"Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann. Wer sein Zuhause nicht verlässt, weil er muss, sondern weil er will." (S. 123) 💕 . Herkunft von Saša Stanišić ist eine Mischung aus Roman und Autobiographie und erzählt von den Wurzeln des Autors, die im ehemaligen Jugoslawien liegen, von der Entwurzelung sowie dem Ankommen und Zurechtfinden in einer völlig fremden Welt und der Frage, was eigentlich Heimat ausmacht. . Saša Stanišić schreibt über sein Dorf in Jugoslawien, seine Großmutter, die Demenz hat ("Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre) und über Erinnerungen im Zurechtfinden im neuen Zuhause. Dies alles in kurzen Kapiteln, gemischt, ohne chronologische Reihenfolge. Vielmehr gerade so, wie die Erinnerungen eben auftauchen. Die ersten 50 Seiten waren für den Einstieg daher zunächst verwirrend, doch danach war ich gefesselt. Von der Geschichte, dem Schreibstil, den prägnanten, scharfsinnigen Sätzen, die so treffsicher sind und die man erstmal sacken lassen muss. Ein Buch, das jeder gelesen haben sollte, das aufzeigt, wie privilegiert so viele sind, einfach frei wählen zu dürfen, wo sie sein wollen und wo nicht. . Das Ende dieses Buches ist unbedingt hervorzuheben, denn das darf man sich selbst gestalten, indem man verschiedene Optionen zur Verfügung bekommt und jeweils auf die Seite weitergeleitet wird, für deren Fortsetzung man sich entscheidet. Großartig! 😊

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„Literaturwerkstatt- kreativ / Blog“ stellt vor: „Herkunft“ von Saša Stanišić „HERKUNFT ist ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Und was danach kommt.“ „HERKUNFT ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache und Scham, Ankommen und Zurechtkommen, Glück und Tod.“ „HERKUNFT ist ein Abschied von meiner dementen Großmutter. Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre.“ Fazit: Saša Stanišić erhielt 2019 den Deutschen Buchpreis für seinen Roman „Herkunft“ und bedankte sich bei seiner Rede mit scharfer Kritik an Nobelpreisträger Peter Handke, da dieser sich in seinen Texten wiederholt auf die Seite der Serben gestellt habe. „Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt“. Stanišić wurde in Visegard (Jugoslawien) am 7. März 1978 geboren. Nach der Besetzung durch bosnisch-serbische Truppen flüchteten seine Eltern mit ihm im Jahre 1992 zu einem Onkel nach Heidelberg, der dort als Gastarbeiter tätig war. Der Autor hat erst mit 14 Jahren angefangen Deutsch zu lernen, schreibt all seine Bücher in Deutsch und nicht etwa in seiner Muttersprache; das finde ich schon sehr bemerkenswert. Aber auch, warum er überhaupt Schriftsteller geworden ist, kann man doch eher dem Glück oder dem Zufall zuordnen. Er verpflichtete sich seinerzeit ein Buch zu schreiben, andernfalls wäre seine Aufenthaltsgenehmigung erloschen. Und so erschien 2006 sein Debütroman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“. „Herkunft“ ist mittlerweile sein vierter Roman und der Autor verwebt hier seine Lebensgeschichte, die seiner Familie, vor allem seiner Großmutter mit Erzählungen und Mythen aus seiner bosnischen Heimat. „HERKUNFT ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem die Bundesregierung die Grenzen nicht schloss und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh.“ Stanišić erzählt eine sehr interessante Geschichte, -nein, eher viele Geschichten. Geschichten des Lebens, von Migration und Erinnerungen, von seiner Großmutter, aber auch Streifzüge von Fantasien, und Erwartungen. Geschichten, die mich oft zum Lachen brachten, ebenso aber auch zum Nachdenken. Nachdenken über meine eigene `Herkunft`. Hinzu kommt, dass er einen äußerst ungewöhnlichen Erzählstil hat. Ein paar Seiten habe ich erst einmal gebraucht um reinzukommen. Denn er erzählt einfach drauflos, springt von einem Thema zum nächsten, liefert kurze stakkatoartige Sätze, sodass mir beim Lesen fast die Luft wegblieb. Ein Hang zum Fabulieren kann man ihm durchaus attestieren. Oft hatte ich das Gefühl, er verliert komplett den Überblick, aber am Ende fügte sich dann doch alles gut und folgerichtig zusammen. Exakt diesen ganz anderen Erzählstil fand ich sehr interessant, erfrischend, ja faszinierend; diese Empathie ohne Bitterkeit, schon sehr erstaunlich. Ein Roman der sich dadurch deutlich von vielen anderen Roman abhebt und den Deutschen Buchpreis im letzten Jahr auf jeden Fall verdient hat. Ich kann nur sagen: „Herkunft,“ ist ein absolut lesenswertes Buch, dass ohne dieses unsägliche falsche Heimat-Pathos auskommt, das man bei diesem Titel durchaus vermuten konnte. Im September wird es als Taschenbuch erscheinen.

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