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Rezensionen zu
Der Zug der Waisen

Christina Baker Kline

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€ 11,00 [D] inkl. MwSt. | € 11,40 [A] | CHF 15,90* (* empf. VK-Preis)

Was Berthold Auerbach schon vor vielen Jahren niederschrieb, wird in diesem Buch an den beiden Protagonistinnen Vivian und Molly überdeutlich, von denen die eine einen ziemlich unrühmlichen Teil der Vergangenheit der USA miterleben musste. Vivian, die als Niamh mit ihrer Familie aus Irland nach New York kam, verliert mit neun Jahren bei einem Brand ihre gesamte Familie. Sie wird, wie damals üblich, mit vielen anderen elternlosen Kindern in einen Zug verfrachtet, der sie in den Mittleren Westen der USA bringt. Dort sollen sie ein neues Zuhause finden, was aber zumeist bedeutet, dass sie als billige Arbeitskräfte ein erbärmliches Dasein fristen müssen. Auch Niamh bildet hier keine Ausnahme und so folgen wir dem Schicksal des kleinen Mädchens von einem Unglück ins nächste, bis sie zu der Vivian wurde, die Molly kennenlernt. Auch Molly wächst ohne ihre Eltern auf: Mit 17 Jahren hat sie bereits diverse Pflegeeltern kennengelernt. Und auch wenn ihr die materielle Not unbekannt ist, die Vivian durchleben musste, verbindet die beiden vieles: das Gefühl nicht geliebt zu werden, behandelt zu werden wie ein Gegenstand, ständige Unsicherheit über das Morgen und das Empfinden einer völligen Einsamkeit. Doch zum Leidwesen ihrer Pflegeeltern lässt sie sich nicht mehr alles gefallen, was zu ständigen Streitereien führt. Im Rahmen einer Sozialarbeit lernt sie Vivian kennen und die beiden freunden sich an. Das zentrale Thema dieses Buches sind die Erinnerungen Vivians, während Mollys Geschichte eher eine Art Rahmenhandlung darstellt, die Vivians Vergangenheit in die Gegenwart zurückbringt. Erzählt wird in einer recht schlichten Sprache, was ich jedoch nicht als Nachteil empfand, da die Zeit der Waisenzüge aus der Sicht einer Neunjährigen geschildert wird. Ein anspruchsvollerer Schreibstil wäre mir unglaubwürdig vorgekommen. Auch wenn zwischen dem Erleben als Kind bzw. als Jugendliche zwischen den beiden Hauptpersonen viele Jahrzehnte liegen, zeigt sich eines überdeutlich: Mindestens ebenso schlimm wie die materielle Not ist die seelische. Geliebt, akzeptiert und respektiert zu werden, zu wissen wo man hingehört - so lässt sich auch materielle Not ertragen.

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Nur billige Arbeitskräfte

Von: mabuerele aus W.

09.11.2014

„…Sie hat sich mit dem zufrieden zu geben, was sie bekommt, und das ist selten das, was sie sich wünscht…“ Wir schreiben das Jahr 2011 in Spruce Harbor. Die 17jährige Molly lebt bei Pflegeeltern. Doch zwischen Molly und der Pflegemutter Dina gibt es Spannungen. Hinzu kommt, dass Molly in der Bibliothek ein Buch gestohlen hat. Nun hat sie die Wahl zwischen einer Jugendhaft oder 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Ihr Freund Jack vermittelt ihr eine Beschäftigung bei einer alten Dame. Molly soll Vivian beim Ausräumen des Bodens helfen. Die Geschichte wechselt in das Jahr 1929. Die 9jährige Niamh ist mit ihren Eltern und Geschwistern aus Irland nach New York gekommen. Der Traum von einem besseren Leben aber zerschlägt sich schnell. Bei einem Brand verliert Niamh ihre Familie. Zusammen mit anderen Waisenkindern wird sie in einen Zug gesetzt und in den Westen des Landes geschickt. Dort warten Pflegeeltern auf die Kinder. Das Buch arbeitet ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte auf und verbindet das geschickt mit der Gegenwart. Bei der Arbeit auf dem Boden erzählt Vivian, die einst Niamh hieß, Molly ihre Geschichte. Gleichzeitig vollzieht sich bei Molly eine Wandlung. Ihr Leben, das bisher auf Protest gesetzt hat, bekommt eine neue Aufgabe und eine Hoffnung für die Zukunft. Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen. Dazu beigetragen hat nicht nur die bittere Lebensgeschichte von Vivian, sondern auch die gewollt eingesetzten Parallelen zwischen Molly und Vivian. Beide haben in jungen Jahren die Eltern verloren, Lieblosigkeit kennengelernt und waren mehr geduldet als gewollt. In der Vergangenheit war die Arbeitskraft des Kindes der Grund für seine Aufnahme, heute das Pflegegeld. Der Schreibstil ist über weite Strecken sachlich. Dadurch wird insbesondere in der Vergangenheit das harte Leben der Kinder deutlich. Sie wirken traumatisiert und zu keiner Reaktion fähig. Anweisungen werden widerspruchslos ausgeführt. Nur wenige lehnen sich dagegen auf – und das bekommt ihnen nicht gut. In der Gegenwart stehen die Dialoge von Molly mit Dina, aber auch mit Jack für den eigenen Willen der jungen Frau, die sich nicht verbiegen lassen will. Die Handlungsorte werden ausführlich beschrieben. Dafür findet die Autorin treffende Metapher. Als die Hoffnung auf Besserung wächst, wird der Sprachstil emotionaler. Dass betrifft auch die abschließenden Kapitel der Gegenwart. Gut gefallen hat mir, dass wichtige historische Themen eingearbeitet wurden. Dazu gehören die Folgen der Weltwirtschaftskrise und des zweiten Weltkrieges, aber auch der Umgang mit den Indianern. Wichtig finde ich die kurze Darstellung der Geschichte der Züge der Waisen im Anhang und ihre Veranschaulichung durch konkrete Fotos. Das rundet das Buch ab, denn ein Roman erzählt immer nur wenige Einzelschicksale. Das in verschiedenen Grautönen gehalten Cover mit den Kindern, wobei die Schrift in Rot abgesetzt wirkt, finde ich gelungen. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die abwechslungsreiche und vielschichtige Geschichte hat mich tief berührt.

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„Ich glaube an Geister“ … so beginnt der Prolog, in dem die mittlerweile 91- jährige Vivian ein bisschen über sich erzählt. Schon da überkam mich ein leichter Schauer, denn zwischen den Zeilen paaren sich Traurigkeit mit Mut. Eine eigenwillige Mischung, die Vivian bei ihrem Weg geholfen hat. Zunächst lerne ich sie in 2011 kennen und ihr Humor hat mir von Anfang an gefallen. Sie und Molly trennen so viele Jahre und Vivian gelingt es so nach und nach, Mollys Vertrauen zu gewinnen. In gewisser Weise sind sie Seelenverwandte, beide haben ihre Eltern früh verloren, beide haben Wurzeln, die als Makel ausgelegt werden. Der Übergang in die Vergangenheit ist perfekt gelöst und in diesen Abschnitten erzählt Vivian von ihrer freudlosen Kindheit. Zwischen 1854 und 1929 brachten die sogenannten „Orphan Trains“ (Waisenzüge) mehr als zweihunderttausend Kinder in eine ungewisse Zukunft. Vivian ist eines dieser Kinder und sie erzählt stellvertretend für viele ihrer Leidensgenossen über das, was damals passiert ist. Ihre Geschichte beginnt 1929. Da hieß sie noch Niamh und war gerade mit ihrer Familie von Irland nach Amerika übergesiedelt in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Diese Hoffnung löste sich in nur einer Nacht in Luft auf. Ich musste oft heftig schlucken, diese Kinder wurden fast wie Sklaven behandelt, vorgeführt und „verschachert“. Und es waren so viele ... Die Autorin wechselt immer wieder in die Gegenwart und so erkenne ich immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen der alten Dame Vivian und Molly. Hier erzählt Christina Baker Kline in der 3. Person, in der Vergangenheit lässt sie Vivian in der Ich-Form und im Präsens erzählen. Und so kommt mir ihre Geschichte verdammt nah. Die Gewissheit, dass es sich hier nicht um reine Fiktion handelt, macht das Ganze um so trauriger. Aber gleichzeitig macht die Geschichte auch Mut, denn Vivian lässt sich nicht unterkriegen, arrangiert sich mit ihren jeweiligen Situationen. Und da ich sie ja auch 2011 kennen lerne, weiß ich ja, dass sie ein langes Leben hatte und es ihr nicht schlecht geht. Christina Baker Kline erzählt sehr einfühlsam und mit einer gesunden Portion Humor. Das macht die traurigen Passagen etwas erträglicher. Ich begleite Vivian bis 1943 und immer wieder gibt es Momente, wo mich mit ihr freue und dann wieder schießen mir die Tränen in die Augen. Es ist ein sehr emotionales Buch und am Ende hatte ich Gänsehaut! Fazit: Ein sehr bewegendes Buch über Verlust, Mut und Freundschaft!

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