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Rezensionen zu
Das Kosmotop

Andreas Brandhorst

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Kh'sm'TP

Von: ralfreitze

15.07.2015

“Hier ist ein Tropfen im Ozean der Zeit, und er enthält 14.721 Leben. Aber es werden immer weniger.” Weit in der Zukunft. Die Menschheit ist bis auf 14721 Leben ausgestorben. Nach drei Kriegen gegen die Incera, eine kriegerische Alienrasse, ist die Erde zu einem unbewohnbaren Mausoleum geworden, in dem die Menschen in Grüften beigesetzt werden. Diese haben zwar die Unsterblichkeit, durch Übertragung der Persönlichkeit in Klone, entdeckt, dadurch wurden sie aber auch unfruchtbar. Die Unsterblichkeit lastet schwer auf den Überlebenden, was Corwain Tallmaster, ein Pazifikator beim Besuch der Erde feststellen muss. “‘Warum wollen Sie sterben?’ ‘Weil….’ Der von leise summenden Adjus gestützte Greis zögerte und starrte in die leere Stasiskammer. ‘Weil…..’ Er blickte auf seine leeren, zitternden Hände, als enthielten sie die Antwort. ‘Weil ich zu viel gesehen, zu viel gehört, zu viel gefühlt und zu viel gesprochen habe. Die Erinnerungen, sie erdrücken mich. Es ist kein Platz mehr in meinem Kopf. Jeder einzelne Gedanke muss sich mühsam einen Weg suchen, er muss sich vorbeiquetschen an all dem jahrtausendalten Gerümpel, er muss in dunkle Ecken kriechen, denn nur dort kann er hoffen, noch ein wenig Bewegungsfreiheit zu finden. Sie verstehen das nicht, sie sind jung, kaum zweitausend Jahre Tallmaster, und jetzt lassen sie mich in Ruhe.'” Die Galaxis ist in Bereiche der Maschinenintelligenzen, sogenannte Koryphäen, und biologische Rassen, die sogenannte Kompetenz, die ein Zusammenschluss von 29 hochentwickelten Zivilisationen ist, aufgeteilt. Alle anderen Rassen werden von der Kompetenz und den Koryphäen beraten und bei dem Aufstieg der Zivilisationsstufen begleitet. Die kriegerischen Rassen möchten diese ‘Entwicklungsrassen’ auf ihre Seite ziehen um bei ihrem versteckten Krieg gegen die Kompetenz und die Koryphäen Verbündete zu haben. Es ist kein offener Konflikt, aber die Gesandten sind bei den Treffen und Verhandlungen gefährdet und bewegen sich auf einem schmalen Grat. So auch bei einem Treffen auf einem neutralen Planeten, auf dem der Berater Corwain Tallmaster und seine Freundin Solace in einen Hinterhalt der Mahé geraten. Corwain wird des Mordes an der Sängerin verdächtigt, dem religiösen Oberhaupt dieses Planeten, und aus seiner Funktion als Pazifikator entlassen. Alleine auf sich gestellt, gibt es für ihn nur einen Weg um seine Unschuld zu beweisen: die Veritas, eine der letzten überlebenden Menschen, die die Fäden und Muster der Gegenwart so liest, dass sie Jahrzehnte voraus sehen und planen kann. Ihre wichtigste Eigenschaft ist aber Wahrheit und Lüge voneinander zu unterscheiden. Doch die Veritas ist im Kosmotop, welcher ein riesiges, ja unmöglich großes Raumschiff ist (2 Lichtsekunden lang), ein riesiger Sammler einer anderen Zivilisation, von einer anderen Galaxie, der durch die Milchstraße zieht und wie ein Schmetterlingssammler, Proben der Zivilisationen einzieht. Der Auftritt dieses Kosmotops zeigt eine der großen Stärken des Autors, solche unmöglichen Bilder dem Leser vor Augen zu führen: “Draußen entschied der Juwelier endlich, seine Prachtstücke auf dem schwarzen Samt auszubreiten. Ein Riss zog sich durchs All, rot und violett, wie eine Wunde in Raum und Zeit, und Objekte in allen Formen und Größen schoben sich daraus hervor. […] …was dort zum Vorschein kam, sah zunächst nicht nach unterschiedlichen geometrischen Strukturen aus – Pyramiden, Kugeln, Zylinder, Oktaeder und andere -, sondern nach Ansammlungen von Kristallen, die das Licht der beiden nahen Sonnen einfingen und es millionenfach verstärkt wieder abstrahlten. Was dort aus dem Raum-Zeit-Riss kam, der noch immer länger und breiter wurde, waren Diademe, Stirnbänder, Haarreife und gewaltige Ketten und Bänder, eine strahlende, gleißende Pracht, die Solace einen begeisternden Ausruf entlockten.” In der Folgezeit wird der Leser von verwirrenden und spannenden Eindrücken überrollt, die bis zu einem atemlosen Finale führen. Brandhorst hat hier aber nicht nur einen SF – Thriller verfasst, er hat die beiden Hauptfiguren Solace und Corwain sehr deutlich in ihrer Liebe wie auch in ihren unterschiedlichen Charakteren dargestellt. Er einer der letzten, etwas lebensmüden Menschen, sie sterblich, halb Frau, halb Vogel. Und auch die Nebenfiguren gerieten ihm sehr plastisch, soweit dass bei diesen verschiedenen Rassen und auch Maschinenintelligenzen möglich ist. Sehr schön war das Bild der nahe beieinander liegenden vielen Steine, repräsentativ für die Personen in einem Spiel des Lebens, die als Vergleich herhielten, dass wenn sich einer unten bewegt, eine Kette in Gang gesetzt wird, die den oben weit entfernten Stein bewegt; man muss nur den richtigen Ansatz finden und das Muster sehen. Manche Autoren hätten aus dem Stoff eine ganze Serie gemacht, Brandhorst hat leider nur 560 prall gefüllte Seiten parat, die aber jeden SF-Fan verzücken lassen. Zu Recht auf der Auswahlliste für den deutschen SF Preis! Passende Musik zu dem Buch: Arcane, Album: Known-Learned. Lunatic Soul, Album: Walking on a flashlight Beam.

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Wenn einem Friedensstifter der Kragen platzt ...

Von: Barbara Wenzler

04.11.2014

Inhalt In der Zukunft haben sich 29 hochentwickelte unterschiedliche Zivilisationen zu einem gemeinsamen Bund, der Kompetenz, zusammengeschlossen und versuchen den Frieden in der Galaxis durch den Einsatz von sogenannten Pazifikatoren auf diplomatische Weise aufrecht zu erhalten. Unterstützung finden sie durch die einst von den Menschen erschaffenen Maschinenintelligenzen, Koryphäen genannt, die besonderes Wissen und die neueste Technik besitzen, allerdings nicht alle dem organischen Leben wohlgensonnen gegenüberstehen. Die Menschen selbst spielen zahlenmäßig nur noch eine kleine Rolle und existieren nur noch durch regelmäßige Bewusstseinsübertragungen auf neue Klone und leben in abgeschotteten Residenzen. Gefahr droht ihnen durch das Volk der Incera, die einst von den Menschen in einem großen Krieg besiegt wurden und seitdem auf Rache aus sind. Mit diesen zusammengeschlossen hat sich das Volk der Mahé, die sich von der Kompetenz abgespalten haben und eigene Ziele verfolgen. Eines Tages erscheint ein gewaltiges Weltenschiff, das aus riesigen Habitaten und Raumstationen besteht und Proben von allen Zivilisationen der Milchstraße sammelt. Dabei hinterlässt es eine Spur der Verwüstung und weckt gleichzeitig Begehrlichkeiten bei den Völkern der Galaxie. Einer der Pazifikatoren der Kompetenz ist Corwain, er ist ein Mensch und bereits sein 18. Klon. Er wird zur Konfliktbekämpfung auf einen Planeten geschickt und gerät dort in eine Intrige, die seine bisherigen Wertvorstellungen und damit sein ganzes Leben auf den Kopf stellt. Um seine Unschuld zu beweisen und die Bedrohung für die ganze Galaxis abzuwenden, muss er neue Wege gehen – und einer führt genau ins Kosmotop ... Meine Meinung Andreas Brandhorst hat wieder eine spannende und komplexe Geschichte erschaffen, die, wie auch seine anderen Bücher, nicht einfach so nebenher gelesen werden sollte. Es empfiehlt sich auch hier, langsam zu lesen, um die vielen Details, Gedanken und Gespräche aufzunehmen und auf sich wirken zu lassen. Nach und nach hat sich so bei mir alles erschlossen und am Ende führten alle Fäden zusammen. Ich bin immer wieder fasziniert von den Welten, die der Autor schafft und den Bildern und Filmen, die bei den Beschreibungen in meinem Kopf entstehen, so z. B. hier der spektakuläre Raub einer ganzen Stadt. Das sind Bilder, die mir immer noch lange nachhängen und dazu Entfernungen und Geschwindigkeiten, die ich kaum noch greifen kann. Hier in der Geschichte beeindruckt natürlich ganz besonders das Kosmotop, ein riesiges System aus Habitaten, Raumstationen und vielem mehr, das von einer Energiebarriere umschlossen wird und bis zum Ende eine mysteriöse Erscheinung bleibt, von der man nicht weiß, ob sie gute oder böse Absichten hat. Aber Gut und Böse, Richtig und Falsch sowie Wahrheit und Lüge sind in den Büchern des Autors sowieso nie eindeutig definiert, sondern es gibt viele Graustufen. Die Vielschichtigkeit der Figuren gefällt mir sehr gut und bietet viel Raum für Spekulationen. Ich habe bis zum Ende eigentlich keiner Seite wirklich getraut, nur dem Menschen Corwain und seiner Freundin Solace, einem liebevollen Geschöpf halb Frau halb Vogel. Dies war auch vom Autor geschickt gemacht, denn als Leser folgt man emotional diesen beiden am meisten, da man die Geschehnisse und die Informationen überwiegend auch aus deren Perspektive erlebt. Ihre Emotionen, Gedanken und Gespräche waren dem Leser besonders nah. Entsprechend wurde ich auch oft überrascht und erlebte einige unerwartete Wendungen, gleichzeitig konnte ich aber immer besonders gut mit Corwain und Solace mitfühlen und ihre Handlungen verstehen, auch wenn sie manchmal extrem und unerwartet waren. Aber wie würde man sich selbst verhalten, wenn man fallengelassen und das Liebste bedroht wird? Im Gegensatz zu anderen Science-Fiction-Romanen des Autors, die langsamer und noch bildgewaltiger daher kommen, sind hier ein paar Thriller-Elemente eingebaut, die mehr Tempo und Action bringen. Ich persönlich liebe ja die „gemächlicheren“, atmosphärisch noch dichteren Romane besonders, die Mischung aus Science-Fiction und Thriller hat mir aber auch sehr gut gefallen. Und es gibt zwischendurch immer wieder ruhige Szenen, in denen Gespräche und Gedanken zum Nachdenken anregen. Zudem findet sich eine erschreckende Ähnlichkeit zu einigen der momentan in unserer realen Welt stattfindenden Auseinandersetzungen. So unglaublich und fern die beschriebenen Welten in den Romanen meist wirken, so erschreckend gut vorstellbar sind mir oft die Entwicklungen der Menschheit und die beschriebenen Konsequenzen für deren Existenz. Warum sollte es z. B. nicht möglich sein, das Bewusstsein per Datenspeicher immer wieder zu kopieren und in neue Körper einzupflanzen? Irgendwann bestimmt. Nur ob man sich dabei immer sicher sein, kann, dass niemand dieses Bewusstsein manipuliert oder Emotionen steuert? Wenn es mich erst mal zwanzig Mal gegeben hat, bin ich dann noch dieselbe? Diese Frage stellt sich auch Corwain hier im Roman. Es wirkt zudem mittlerweile fast normal auf mich, dass Maschinenintelligenzen mir so real erscheinen und es wirkt auch normal auf mich, wenn ich das Gefühl habe, dass diese Maschinenintelligenzen den besten oder gar einzigen Überblick über das Geschehen haben und die richtigen Pläne, um sich um ein Häufchen Menschen zu kümmern. Irgendwie auch völlig normal für mich, wenn ich dahinter nicht nur Datenströme, sondern auch eigene Interessen vermute ... Für mich haben die Romane von Andreas Brandhorst immer etwas ganz Besonderes. Sie bieten mir ein ganz besonderes Kopfkino, eine besondere Atmosphäre , eine besondere Spannung und einen besonderen Anreiz fürs Nachdenken und Spekulieren.

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