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Rezensionen zu
Versuchung Fundamentalismus

Hermann Häring

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interessant - aber ...

Von: Wolfgang I Waas aus Innsbruck

01.05.2013

Zuerst mal zur Klärung - dies ist kein Buch über *den* Fundamentalismus, sondern eine Streitschrift gegen den 'institutionellen Fundamentalismus' der katholischen Kirchenleitung - der Untertitel ist also etwas irreführend - wie er sich besonders unter der Ägide von Benedikt XVI. darstellt. Da es mehrfach auf dessen Rücktritt Bezug nimmt, ist es offenbar unter Zeitdruck geschrieben worden - und das fällt auch auf. Leicht verwirrende Satzkonstruktionen, manchmal auch etwas fragwürdige Worthülsen machen das Lesen nicht immer einfach, gängige Termini wie 'Positivismus' oder 'Objektivität' bekommen eine spezielle Bedeutung, die man im Kopf behalten muss, wenn man dem Faden folgen will. Dieser Faden ist jedoch durchaus interessant - der fundierte Fachmann und sein immenses Engagement in der Sache sind unübersehbar, und ihre Wichtigkeit ebenfalls - allerdings auch, dass er, wie er selbst schreibt, einen *innerkirchlichen* Standpunkt vertritt, und damit Zugänge von außen zwar nicht unbeachtet lässt, aber doch nicht ganz ungefärbt darstellt - ein gewisser 'Stallgeruch' ist nicht zu verkennen. Unter dieser Rücksicht ist das Buch sicherlich wichtig - nicht nur für Katholiken. "Man kann den Fundamentalismus - christlicher oder muslimischer, nationalistischer oder rationalistischer Prägung immer auch als eine Geschichte der Verdrängung, der Angst vor dem Andern, der Denkfaulheit oder schlicht als Instrument des eigenen Machterhalts begreifen. Dass er so gesehen immer auch zur Versuchung aller anderen wird, die sich dem F. weit überlegen fühlen, bedarf keiner eigenen Begründung. Deshalb entzieht dem F. nur wirksam den Boden, wer sich den Beziehungen, dem Andern öffnete, bevor fundamentalistisches Denken überhaupt zum ersten Mal an die eigene Tür klopft." Das kann ich teilweise ja nachvollziehen - es schließt allerdings IMHO eine 'Bekehrung des Fundamentalisten' aus - ob das wirklich so gemeint ist? Interessant auch die Herleitung einer immanenten Gewaltbereitschaft des F. aus der Kehrseite eines Satzes der Bergpredigt, als 'innerer Fundamentalismus', und auch der Gegensatz zwischen dem 'F. von oben' der Catholica und dem 'F. von unten' der meisten anderen weltanschaulichen Richtungen hat durchaus was für sich. "Wenn ich mich den komplizierten Herausforderungen meiner Lebenswelt entziehe, führt mich die neue Weltdeutung schnell zu Simplifizierung und Weltverklärung... Die Glaubensgewissheit wird zur risikofreien Sicherheit und zu einem Dualismus, der sich immer auf der guten Seite weiß" scheint mir eine treffende Zusammenfassung aller Fundamentalismen. "Um diesen für die Kirche lebensbedrohlichen Zustand zu durchbrechen, bleibt den reformorientierten Kräften nur übrig, der Kirchenleitung den Gehorsam zu verweigern. Denn eine Kirchenleitung, die prinzipiell den Geist der Freiheit und ihre Solidarität mit der Gegenwart verweigert, verfehlt die Aufgabe, derentwegen sie ihr Amt ausführt." - eine schöne Vorlage für die *österreichische Pfarrerinitiative*, aber: inwieweit ist dieser Zustand auch *außerhalb* der Kirche(n) wirklich 'lebensbedrohlich'? "Denn letztlich geht es nicht um die Frage, wer Recht bekommt, sondern ob das Wort von der Versöhnung und Gewaltfreiheit zu einer überzeugenden Weltbotschaft wird." - auch *falls* die Kirche(n) sich in den nächsten Jahrzehnten dazu aufraffen sollte(n) - wie sieht es denn dann mit ihrer Glaubwürdigkeit aus? Evtl. ist bis dahin die überzeugende Weltbotschaft bereits ganz ohne sie angekommen - oder es gibt evtl. gar keinen Adressaten mehr... Gegen Ende des Buches konzentriert sich die Argumentation noch mehr auf den innerkirchlichen Zustand und seine mögliche Lösung, um dann aber doch mit dem Schriftwort zu schließen "'Fürchtet euch nicht.' Wenn es gelänge, den Menschen und den Völkern die Angst voreinander zu nehmen, hätte der Fundamentalismus, religiös oder politisch motiviert, wohl seinen Nährboden verloren. Es liegt an *den mächtigen Nationen der Welt*, mit dieser politischen und mentalen Entgiftung zu beginnen. Erst dann lösen sich die tödlichen Zirkel auf." Was ich persönlich am meisten erhellend gefunden habe war der Absatz "Die Moderne legt zwischen die Wirklichkeit selbst und deren Interpretation (religiös oder nicht) eine Schicht der Reflexion. Sie fragt also immer: Stimmt das wirklich? Ist das Gesagte Wirklichkeitsempirie oder Wirklichkeitsinterpretation, unmittelbare Erfahrung oder Projektion, tiefere Wahrheit oder sublimere Täuschung? Ich werde vor eine Wahl gestellt, die vormoderne Epochen noch nicht kennen. Darauf kann ich kreativ oder durch Verweigerung reagieren. Die religiöse Herausforderung dieser Rückfrage besteht jetzt nicht mehr darin, dass ein Glaubenssatz durch einen anderen ersetzt wird, sondern dass Glaubenssätze überhaupt noch gelten." - als *Gegenbewegung* zu meiner Auffassung von *religio* als 'Hinterfragen der Wirklichkeit der Wirklichkeit', für die der Autor sehr treffend Max Feigenwinter zitiert: "Ich glaube, dass tief in uns eine Sehnsucht ist, die uns sagt, dass es mehr gibt, als wir zählen und messen können. Das Suchen nach dieser Kraft ist für mich ein religiöser Akt. Ich wünsche mir, dass suchende Menschen aufeinander zugehen, miteinander ins Gespräch kommen, voneinander lernen; habe aber alle Mühe mit Institutionen, die Antworten geben auf Fragen, die man gar nicht gestellt hat, vorschreiben, was man glauben muss, als ob man dies könnte."

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