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Rezensionen zu
Dichterliebe

Petra Morsbach

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Für Henry Steiger sieht es schlecht aus: Der in der DDR berühmte Lyriker hat mit der Wende seinen Erfolg eingebüßt. Niemand will mehr seine Gedichte lesen. Der nun mittellose Künstler fristet sein Dasein nun in einem Künstlerhaus in Speyer und kommt mit dem Kunststipendium, das er erhält, gerade so über die Runden. Ein Verleger rät dem uninspirierten Lyriker zu einem Liebesroman, doch Henry hält Prosa für unter seiner Würde. Was hätte denn ein Mann, der sich noch dazu in einem erbitterten Scheidungskrieg befindet, schon zum Thema Liebe zu sagen? Doch dann lernt er seine junge West-Kollegin Sidonie kennen und wird erneut von der Muse geküsst. Diese Handlung bildet die Grundlage von Petra Morsbachs Roman Dichterliebe, der nicht nur eine wunderbare Geschichte über Liebe und Neuanfänge erzählt, sondern auch versucht, Antworten auf grundlegende Fragen nach dem Verhältnis von Literatur und Gesellschaft zu finden. „Mir ist überhaupt nicht zu helfen. Ich sollte mich umbringen, ich weiß nur nicht wie. Vergiften und Aufhängen ist unmännlich, eigentlich müsste ich mich erschießen. Aber wie geht man mit einer Pistole um?" Henry Steiger ist einer der wohl pessimistischsten und missmutigsten Protagonisten, die man in der Literatur zu finden vermag. Während er jedoch am Beginn völlig verbittert erscheint und dem Leser fast schon schlechte Laune bereitet, ändert sich diese Haltung im Verlauf des Buches, so dass er am Ende zwar immer noch ein Schwarzseher ist, aber an den richtigen Stellen auch viel Humor beweist. Doch als Leser kann man Henrys Pessimismus durchaus verstehen, zuweilen empfindet man sogar tiefstes Mitgefühl mit ihm. Der mittellose Künstler ist umgeben von Rechnungen und auch eine Strafanzeige hat er wegen eines dummen Unfalls noch am Hals. In seiner Verzweiflung ist er wie gelähmt, sitzt vor seinem Zimmer im Künstlerhaus und starrt in die Gegend. Mit Literatur, da kennt er sich aus, doch am echten Leben scheitert er. Aber dann taucht die lebenslustige Sidonie Fellgiebel, eine junge Kollegin aus dem Westen, auf und nimmt ihn gewissermaßen an die Hand, erledigt mit ihm Behördengänge, stellt Anträge und bringt Ordnung in seine Finanzen. Gleichzeitig beflügelt sie auch seine Phantasie, so dass er wieder mit dem Schreiben beginnen kann. Ohne es selbst zu merken, findet Henry so Stück für Stück ins Leben zurück. Morsbach erzählt damit von Glück eines Neuanfangs, der nicht wie so oft mit einem Knall, sondern schleichend und unbemerkt kommt. Doch deshalb, das beweist sie, ist er nicht weniger schön oder bewundernswert. „Der Markt tötet die Kunst. Wir wollen ein Gegenmodell entwerfen, eine nicht gefällige, nicht korrupte Kunst.“ Anhand der Kunst- und Literaturszene, in der sich der Roman bewegt, werden auch ganz grundsätzliche Fragen nach dem Verhältnis von Literatur und Gesellschaft behandelt, deren Antworten – das wird am Beispiel der Unterschiede von west- und ostdeutscher Literatur deutlich – sich immer wieder ändern. Besonders dringlich wird am armen Künstler Henry zum Beispiel die Frage nach den ökonomischen Voraussetzungen von Literatur verhandelt. Ganz offenbar kann Literatur nie frei sein von ökonomischen Zwängen, doch sobald sie diese in den Blick nimmt, der Autor also nur das schreibt, was sich gut verkauft, wird sie unfrei. Besonders ausführlich wird auch die Frage nach den Bedingungen von Literatur unter der Zensur der DDR behandelt. Besonders diese Frage ist für einige Regionen der Welt aktueller denn je und so sind die zahlreichen Rückblicke in die DDR kein Blick in die Vergangenheit sondern vielmehr ein mögliches Spiegelbild der Bedingungen von Literaturproduktion und -rezeption in anderen, mitunter repressiven Gesellschaften. „Der Alkohol legt sich als Ölfilm auf die hüpfende Kreuzsee in mir.“ Die kurzen Szenen, in die die Kapitel unterteilt sind, haben etwas Fragmenthaftes und Unvollständiges und doch sind sie so prägnant und aufschlussreich, dass sich nach und nach das vollständige Leben Henrys ergibt, eines Künstlers, der nach und nach seiner Existenzkrise entflieht und mit der Liebe zurück ins Leben findet. Dichterliebe erinnert durch Henrys Schilderungen aus der Ich-Perspektive an den Stil eines Tagebuchs. Morsbach schafft es dabei, in jedem Satz Henrys Bestimmung als Lyriker herausscheinen zu lassen. Seine Äußerungen sind poetisch, reich an Wortspielen und ungewöhnlichen Metaphern. Dichterliebe – Ein poetischer Roman über Liebe, das Glück des Neuanfangs und den Sinn von Literatur.

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