Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Herrschaft der Dinge

Frank Trentmann

(2)
(3)
(0)
(0)
(0)
€ 24,00 [D] inkl. MwSt. | € 24,70 [A] | CHF 33,50* (* empf. VK-Preis)

Was für ein Wälzer. Mit über 1000 Seiten, einer Menge Fakten, Statistiken und Beispielen fordert dieses Werk eine Menge von seinen Lesern. Mich hat dieses Werk ein ganzes Jahr begleitet. Aus diesem Grund würde ich sagen, der Leser dieses Buches sollte Zeit, Aufmerksamkeit und Neugierde mitbringen und einen Hang zur Wissenschaft, Philosophie und Zeitgeschichte. Im ersten Teil des Buches beschreibt der Autor die Entwicklung des Konsums, beginnend im 15. Jahrhundert. Wie hat sich der Konsum in den einzelnen Ländern der Welt entwickelt, welche Aspekte spielten dabei ein Rolle und wie hat sich das auf das Heute ausgewirkt. Anhand einer Fülle von Beispielen kann man der Entwicklung gut folgen. Doch mit bei jedem Kapitel, bzw. sogar bei jedem Abschnitt ist die volle Aufmerksamkeit des Lesers von Nöten. Trentmann schreibt sehr Wissenschaftlich und man hat wirklich das Gefühl, dass er fundiertes Wissen zusammenträgt und den Leser dazu auffordert, sein Werk mit Neugier und Detailverliebt zu lesen. Immer wieder lässt er Theorien bekannter Philosophie, Soziologen oder Wissenschaftler einfließen, unteranderem Karl Marx, René Descartes oder Max Weber. Wer sich mit den Persönlichkeiten auskennt, kann vielleicht das ein oder andere besser einordnen, es ist aber nicht nötig, jeden dieser bedeutenden Personen bis ins kleinste Detail zu kennen. Manche Abhandlungen waren sehr spannend, aber manche waren doch recht lange und haben mich teilweise gelangweilt. In dem zweiten Teil des Buches stellt Trentmann Phänomene der Gegenwart dar und betrachtet sie in einem historischen Kontext und zieht daraus positive, aber auch negative Schlüsse für die Menschheit. So wird ganz deutlich, dass unsere „Wegwerfgesellschaft“ nicht erst ein Phänomen der letzten Jahrzehnte ist, sondern bereits im Italien der Renaissance Menschen teilweise in materiellem Übermaß lebten. Dem Autor gelingt es die Wechselwirkungen zwischen Konsum und Geschichte darzustellen. Beispielsweise durch die Verbindung mit Geschlechterrollen oder politischen Geschehnissen. Mit seiner sehr wissenschaftlichen Herangehensweise wählt Trentmann einen sehr neutralen Ton, doch nicht ohne moralische Fragen außer Acht zu lassen. Ein Mammutwerk über ein Thema, das uns alle betrifft. Wer sich auf eine Zeitreite des Konsums einlassen möchte, dem leg ich dieses Werk ans Herz. Allen andern, die weder gerne wissenschaftliche Texte lesen, noch diese Menge an Seiten anspricht, lasst die Finger davon. Es wird Zeit und Nerven und Kraft in Anspruch nehmen. Aber es ist sehr informativ und erklärt unsere heutige Konsumgesellschaft aus historischem Blickwinkel.

Lesen Sie weiter

Wie schreibt man eigentlich Konsumgeschichte in einem Zeitalter, in dem wir von einem stetig wachsenden Berg von Dingen umgeben sind? Vielleicht als Geschichte eines Beziehungs- bzw. Bedeutungswandels, als Historie der Veränderung und als Beitrag zu einer historischen Debatte. Letztgenannte begann übrigens nicht erst im 21. Jahrhundert, wo sich – so der deutsche Historiker Frank Trentmann (Professor für Geschichte am Birkbeck College der Universität London) – zwei Lager gegenüberstehen und mit ihm zwei Arten von Konsumenten. 1. Der passive, durch Kaufen, Billigkredite, Markenbildung und Werbung gelangweilte Konsument. 2. Der demokratische Wohlstandsbürger, der als Teil des Marktes unbehelligt seiner Wahlfreiheit frönt, Kinder und ältere Menschen als besondere Zielgruppen mitgedacht. Egal, wie die persönliche Einordnung ausfällt: Einkaufen und Konsumieren sind keineswegs Akte geistloser Akkumulation, sondern haben identitätsbildenden Charakter. Menschen finden sich, das zeigen anthropologische Studien in Überflussgesellschaften, in ihren Besitztümern wieder und drücken sich durch sie aus. Dazu gehört auch, Dinge zu personalisieren und sich eine Erinnerungskultur zu schaffen, etwa wenn Materielles von Generation zu Generation weitervererbt wird. Im 15. Jahrhundert genauso wie heute. Erwerb, Nachschub, Verbrauch Aus diesem Grund (und aus zahlreichen anderen) geht es Trentmann in seinem mehr als 1000-seitigem Mammutwerk weder darum, Urteil in einer moralischen Debatte zu fällen noch eine Entscheidung zu treffen, ob Konsum >>gut<< oder >>schlecht<< ist. Wer Zeit und Muße hat, sich auf sechs Jahrhunderte Konsumgeschichte einzulassen, begibt sich aber dennoch auf eine Reise des menschlichen Verlangens nach immer >>mehr<<, gelenkt, gesteuert und gestutzt in jeweiliger Abhängigkeit vom politischen System, von Ideologie, materiellen Bedingungen uvm. In zwei großen Kapiteln widmet sich der Autor einer aufblühenden Kultur der Dinge im 15. Jahrhundert bis zum Ende des Kalten Krieges in den 1980er Jahren ebenso wie einer Einbettung zentraler, zeitgenössischer Herausforderungen in den historischen Kontext, darunter der sog. „Wegwerfgesellschaft“. Ist ihm diese hehre Wissensvermittlung gelungen? Komplex, komplexer, Konsum Das ganze Thema „Konsum“ ist komplex, komplexer, als es die Einleitung erahnen lässt. Viele Schwerpunkte werden lediglich angerissen, manche sogar regelrecht ausgelassen, wie Kritiker bemängeln. Trotzdem ist man um Vollständigkeit bemüht, um illustrierende Beispiele. Sie machen Geschichte zwar lebendig, laufen an der einen oder anderen Stelle aber Gefahr, zu singulär und zu wenig aussagekräftig für ein großes Ganzes und damit für allgemeingültige Ableitungen daherzukommen. Lesefluss und Übersichtlichkeit hätten von einer größeren Anzahl an Absätzen profitiert, Informationsdichte und Schreibstil bewegen sich zum Teil in einem schwergewichtigen Abhängigkeitsverhältnis. Aller Kritik zum Trotz liefert Die Herrschaft der Dinge einen faszinierenden Einblick in die Welt der Güter und Waren, die seit dem 15. Jahrhundert mehr und mehr in einen globalen Austausch und Umlauf gerieten. Kauf und Auswahl von Dingen nahmen zu, Geschenke und Eigenproduktionen ab. Der interregionale bzw. globale Handel brachte die Kommerzialisierung des Alltagslebens mit sich. Bemerkenswert ist, dass etwa im 16. Jahrhundert zwar nicht von materiellen Neuheiten, wohl aber von einer Verfeinerung der Dinge gesprochen werden konnte, d.h. Kelche wurden bspw. kunstvoller gestaltet, aber die Materialien sowie die Art der Güter unterlagen kaum einer Veränderung. Im Gegensatz zu kurzlebigen Trends der „modernen“ Konsumgesellschaft, mussten Besitztümer eher dauerhaft und hochwertig sein, um als zeitloser Wertspeicher herzuhalten, der in einer bargeldarmen Wirtschaft bei Bedarf zum Pfandleiher wanderte. Die Geschichte des Konsums ist folglich u.a. eine Geschichte des moralischen Kompass(es), ein kulturelles Konstrukt, in dem es wiederholt zu einer neuen (gefühlsgebundenen) Aufladung kam. Die anhaltende Kritik am Konsum zieht sich dabei parallel wie ein roter Faden durch Hunderte von Seiten, wobei sein interessanter Beitrag als sozialer Gleichmacher im Gegenzug glücklicherweise nicht vergessen wird. Wer im Wohlstand schwimmt, vergisst nur allzu leicht, welche Bedeutung ein neues, sauberes Kleidungsstück für einen anderen Menschen als Zeichen sozialer Inklusion und Selbstachtung besitzen kann. Zugleich entlarvt die Übersichtsdarstellung die verbreitete (Fehl-)Annahme, Massenproduktion, Marketingkampagnen, Werbung und ihre Kontrahenten wie ethischer Konsum, Lokalwährungen sowie explizite Gegenbewegungen zum „Luxusshopping“ seien lediglich ein Phänomen vergangener Jahrzehnte. Bereits im Italien der Renaissance setzen Menschen mit materiellen und moralischen Vorbehalten ein Zeichen gegen Opulenz und Übermaß. Bereits im 18. Jahrhundert dominierten bspw. in württembergischen Gemeinden soziale und institutionelle Zwangsjacke(n), durch die das Verlangen und die Ausgaben im Zaum gehalten wurden. Ein Aufblühen des Konsums war in derartigen Umgebungen kaum möglich, nicht alle Menschen bzw. Schichten hatten – und haben bis heute – jederzeit uneingeschränkten Zugriff auf das vorherrschende Warenangebot. Konsument sein kann am Ende nur, wer Konsument sein darf. Zeitarmut als Sympton des 21. Jahrhunderts? Spannend ist es in diesem Gefüge auch zu beobachten, welchen Einfluss die Entwicklung des städtischen Lebens auf den Konsum hatte, wie und warum die Lust auf regionale Waren verschwand, wie Wasser und sogar Rollentreppen neue Sinnbilder und Netzwerke schufen, wie Einkaufen – mitunter – Selbstzweck bzw. Ziel des Lebens wurde und das Medium Radio das Ende der Stille einläutete. Dass unter Konsum nicht nur subsumiert wird, was sich im Allgemeinen zwischen (zu sich) nehmen und kaufen bewegt, ist eine echte Stärke des Opus Magnum. So wirft Trentmann die Frage auf, ob sich unsere Welt tatsächlich immer schneller dreht, und erläutert, warum zeitsparende Produkte in Wirklichkeit zu zeitintensiveren Freizeitbeschäftigungen führen. Seine These: Die Hyperaktiven unter uns besäßen die größte audiovisuelle Ausrüstung (CDs, MCs, LPs), was die symbiotische Beziehung zwischen zeit- und güteraufwendiger Freizeitbeschäftigung belege. Mit den Folgen unseres Konsums setzt sich das letzte rund 100-seitige Kapitel Wegwerfgesellschaft? auseinander, welches einen breiten Bogen vom Irrsinn des Recyclings und des Überkonsums, vom Horten und von Faitrade-Produkten bis hin zur sog. „Disposophobie“ spannt, also der Angst sich von Dingen zu trennen. Letztgenannter steht paradoxerweise eine Kultur der Beseitigung gegenüber, in der die zunehmende Verschwendung von Ressourcen, wachsende Müllberge und mangelnde Verantwortung für die Gegenstände das Paradoxon in der Konsumenten-Apotheose verdeutlichen: Wachsende Freizügigkeit und Wahlmöglichkeiten in Vergangenheit und Gegenwart schaffen ökologische Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft. Wer an dieser Stelle ausgereifte Lösungsangebote erwartet, dürfte allerdings enttäuscht werden. Frank Trentmann zeigt globale Zusammenhänge auf, entlarvt die Spezies Mensch als immerwährenden Konsumenten und räumt mit etabliertem Halbwissen rund um die Kultur des Materiellen auf. Sein Anspruch und Angebot an den Leser ist es, eine dichte, informative Diskussionsgrundlage zu schaffen, auf deren Basis wir unseren Konsum in einem neuen Licht betrachten, uns an Debatten fundiert beteiligen und zugleich die dringliche Aufgabe angehen können, einen nachhaltigeren Lebensstil zu finden. History will teach us nothing? Um die Zukunft zu bewahren, brauchen wir eine umfassende Kenntnis der historischen Prozesse, durch die wir in die Gegenwart gelangt sind, sagt Trentmann. Passender Untertitel des englischen Originals: How we Became a World of Consumers. Für fundierte Minimalismus-Debatten unerlässlich.

Lesen Sie weiter

Dies ist eines jener Bücher, bei denen man nach der Lektüre ein wenig stolz auf sich ist, bis zum Ende drangeblieben zu sein. Dieses Bollwerk an Fakten, Statistiken und Beispielen verlangt dem Leser viel Aufmerksamkeit, Genauigkeit, Zeit und anhaltende Neugier ab. Aus diesem Grund würde ich behaupten, dass es auf ein spezifisches Publikum abzielt und nicht für jeden Leser geeignet ist. Ein Interesse an historischen Ausführungen, Zahlen sowie Denkern und Philosophen sollte vorhanden sein. Die Intention des Buches beschreibt der Autor folgendermaßen: "In der Fülle der Detailerkenntnisse offenbart sich eine heillose Fragmentierung des Wissens. Man sieht gleichsam den Wald vor lauter Bäumen nicht. Im vorliegenden Buch wird versucht, die zerstreuten Einzelteile zusammenzufügen und die Lücken zu füllen, um ein Gesamtbild zu erhalten. Anstatt nur die Ursprünge oder den heutigen Überfluss zu fokussieren, strebe ich an, die Entwicklung vom 15. Jahrhundert bis heute nachzuvollziehen." (S. 31) Trentmann beschreibt im ersten Teil des Buches die Entwicklung des Konsums und den dazugehörigen Aspekten anhand einer Fülle von konkreten Beispielen und Ländern auf der ganzen Welt. Dieser Weitblick gemischt mit einer gleichzeitigen Tiefe bei bestimmten Themenfeldern gehört zu den Stärken des Buches. In diesem Teil integriert er immer wieder Stellungnahmen bedeutender Theoretiker (Marx, Decartes, Rousseau, Weber) und weniger bekannter Persönlichkeiten. An manchen stellen waren mir die Beschreibungen und Beispiele zur Erklärung eines einzigen Phänomens zu zahlreich, beispielsweise die lange Abhandlung über Wasserzähler, Gas und Strom. Für ein Studienbuch wäre dies angemessen, aber weniger für den interessierten Durchschnittsleser. Im zweiten Teil betrachtet der Autor Phänomene der Gegenwart wie Abfall oder Fair Trade und stellt sie in einen historischen Kontext. Der Autor richtet seinen Blick auf die verschiedenen Akteure sowie auf die negativen und positiven Konsequenzen des Konsums. Die historische, philosophische und empirische Tiefe ist beeindrucken. Besonders gelungen und interessant waren meiner Ansicht nach die Erläuterungen zum Thema Luxusgesetze, Eigenheim, Fair Trade und Wegwerfgesellschaft. Gleichzeitig ist es in Anbetracht des enormen Umfangs und des wenig detaillierten Inhaltsverzeichnisses schwierig, bestimmte Informationen im Nachhinein wiederzufinden. Eine bessere Strukturierung würde das Buch auch lange nach der Lektüre leichter nutzbar machen, ohne wieder von vorne lesen zu müssen. Dem Autor gelingt es, Zusammenhänge verschiedenster Art darzustellen, wie z.B. die Wechselwirkung zwischen Konsum und Phänomenen wie Freizeit, Ressourcenverbrauch, Demokratie, oder auch die Geschlechterrollen. Dabei trifft er einen neutralen Ton und begründet gewisse Einschätzungen sachlich und ausgewogen, denn er ist Anhänger eines "historischen Realismus" (S. 915). Trotzdem scheut es Trentmann nicht, moralische Fragen im Zusammenhang mit Konsum zu stellen, z.B. ob der ethische Konsum zielführend ist. Er erfasst die Probleme und Herausforderungen des Konsums in Bezug auf den Einzelnen sehr genau. "Im wirklichen Leben sind die Menschen nicht daran gewöhnt, täglich neue Konsumentscheidungen zu fällen. All das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. In den Fairtrade-Kampagnen wird die individuelle Auswahlmöglichkeit als der beste Weg zum ethischen Konsum bezeichnet. Aber ethische Erwägungen sind, wie auch die Preisempfindlichkeit, nur ein Teil dessen, was im Kopf eines Konsumenten vorgeht. Um sich einen neuen, ethischen Lebensstil aneignen zu können, müssten Menschen auch tief verwurzelte Gewohnheiten ändern."(S. 763) Im Epilog reflektiert der Autor auf kritische Weise diverse Denk- und Handlungsansätze zum Umgang mit dem Konsum und seinen Folgen. Dabei entwickelt er keine Schritt-für-Schritt-Anleitung sondern nimmt in seinen Überlegungen vielmehr einen größeren gesellschaftlichen und politischen Blickwinkel ein. Letztendlich zeigt das Buch deutlich: Egal welche Fortschritte hinsichtlich der Dematerialisierung, Technologie und politischen Verordnungen bzw. Beschränkungen erzielt wurden, es kommt allenfalls zu einer Verlagerung des Konsums, wenn sich der Einzelne nicht mit Verzicht auseinandersetzt. Dennoch nimmt Trentmann der Politik und Öffentlichkeit nicht die Verantwortung ab. Eine Empfehlung für alle, die dem Konsum historisch tief auf den Grund gehen wollen!

Lesen Sie weiter

Titel: Herrschaft der Dinge Autor: Frank Trentmann Verlag: DVA Preis: 40,00€ Seiten:1095 Seiten Inhalt: Was wir konsumieren, ist zu einem bestimmenden Aspekt des modernen Lebens geworden. Wir definieren uns über unseren Besitz, und der immer üppigere Lebensstil hat enorme Folgen für die Erde. Wie kam es dazu, dass wir heute mit einer derart großen Menge an Dingen leben, und wie hat das den Lauf der Geschichte verändert? Frank Trentmann, Historiker am Londoner Birkbeck College, erzählt in Herrschaft der Dinge erstmals umfassend die faszinierende Geschichte des Konsums. Von der italienischen Renaissance bis hin zur globalisierten Wirtschaft der Gegenwart entwirft er eine weltumspannende Alltags- und Wirtschaftsgeschichte, die eine Fülle von Wissen bietet, den Blick aber ebenso auf die Herausforderungen der Zukunft lenkt angesichts von Überfluss und Turbokapitalismus. Ein opulentes, eindrucksvolles Werk, das Maßstäbe setzt, in der Forschung wie in den wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Debatten unserer Zeit. Meine Meinung: Der Konsum der Menscheit ist extrem, dazu hat sie eine Wegwerfgesellschaft gebildet. Aber warum ist es so weit gekommen? Dieser Frage geht Frank Trentmann auf den Grund. Dabei beginnt in der italienischen Renaissance. Verständlich wird aufjedenfall das Konsum ein vielfältiger Begriff ist und nicht nur durch Kaufen und Verbrauchen besteht. Außerdem geht er auf Autoren ein die, die Entwicklung des Konsums kritisch betrachten, bleibt selber neutral, so dass er sowohl die Gier nach Reichtum und den Wunsch nach Anständigkeit gleichermaßen behandelt. Schließlich bittet er im zweiten Teil des Buchs eine Auseinandersetzung mit der jetzigen Zeit des Konsums. Fazit: Dieses Buch lohnt sich, da es einen vielseitigen Blick auf die Geschichte des Konsums liefert und auch andere Meinungen und Sichtfelder bietet.

Lesen Sie weiter

Aufräumtipps, Ordnungssysteme und minimalistischer Lebensstil sind beliebte Themen in der Ratgeberszene. Parallel wird heftig über die Konsumethik und Wegwerfgesellschaft diskutiert. Sind dies Reaktionen darauf, dass die Dinge die Herrschaft übernommen haben? Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Frank Trentmann, Professor für Geschichte am Londoner Birkbeck College, wollte es genau wissen und blickt in seinem opulenten Werk auf 500 Jahre Konsumgeschichte zurück. Dabei macht er immer wieder deutlich, wie die Identität einer Person, einer gesellschaftlichen Schicht, sogar einer Nation, deren Politik und Wirtschaft maßgeblich von dem bestimmt wurden, was und wie sie konsumierte. Im ersten Teil reisen wir zurück in die Zeit der Italienischen Renaissance, erleben den Aufstieg der Städte durch den Luxusgüterhandel und erfahren, wie Gegenstände immer kunstvoller und kostbarer gestaltet wurden. Die Entwicklung der Wohnkultur und der rasante Anstieg von Waren wie Spiegel, Bücher und Kochtöpfe werden in Grafiken veranschaulicht. Erstaunlich, welche Macht und Folgen schon damals Güter auf das Alltagsleben hatten. Sie erhöhten nicht nur den Komfort im Alltag, sondern gaben dem Menschen Selbstwertgefühl, verhalfen zu mehr Anerkennung und trugen sogar eine kulturelle Komponente. So übten die beliebten Kaffeehäuser gleich mehrere Funktionen aus: Sie waren Nachrichtenbörse, Handelsplatz und Hochschule in einem. Während der Lektüre wird einem erst richtig bewusst, wie weitreichend der Begriff Konsum ist. Er betrifft nicht nur die Anschaffung und Anhäufung von materiellen Dingen, sondern auch die Zeitnutzung, städtische Freizeitbeschäftigung und Mediennutzung. Der Autor zeigt dabei interessante Wechselwirkungen auf: Effizienz und Ersparnisse in einem Lebensbereich können vermehrten Konsum in einem anderen Bereich auslösen. Er geht auch auf Zeitgenossen ein, die die Entwicklung kritisch betrachteten – zum Beispiel der Schriftsteller Henry James, der die Psyche des Konsumenten als Sammler bloßlegte. Frank Trentmann dagegen behält durchgehend einen neutralen Standpunkt und geht in seinem historischen Rückblick auf maßlose Luxusgier ebenso ein wie auf den schlichten Wunsch, anständig auszusehen und Dinge wertzuschätzen. Ich bin zutiefst beeindruckt, wie detailreich seine Ausführungen sind. Konkrete Beispiele, zum Beispiel welche ausländischen Seifenmarken im indischen Punjab der heimischen Marke vorgezogen wurden, oder wie japanische Jugendliche einen ganz neuen Markt durch einen besonderen Look schafften, machen das Buch zu einer spannenden und unterhaltenden Zeit- und Weltreise. Frank Trentmann ist vermutlich der erste, der die Geschichte des Konsums aus derart vielen Perspektiven unter die Lupe genommen hat: von der historischen Entwicklung über den Ländervergleich bis hin zum altersspezifischen Konsumverhalten. Dabei lässt es der Autor nicht bewenden. Im zweiten Teil des Werks rollt er das Thema genau umgekehrt auf, geht auf die aktuelle Debatte über Konsum und die Konsequenzen für die Umwelt ein und richtet seinen Blick zurück, um Erklärungen für die heutigen Phänomene zu finden und uns für die zu erwartenden Probleme in der Zukunft zu sensibilisieren. Um einen derart umfassenden Überblick zu bekommen, hätte man etliche Bücher lesen müssen. Frank Trentmann hat sehr viel Wissenswertes für uns in einem Werk zusammengefasst. Für die Lektüre sollte man sich Zeit nehmen. Es lohnt sich!

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.