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Rezensionen zu
Die ganze Geschichte und andere Geschichten

Ali Smith

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Skurril… das ist das erste, das mir in den Sinn kommt, wenn ich diese Geschichten lese. Skurril, seltsam, ungewöhnlich, als wäre die Autorin zeitweise unter Drogen gestanden beim Schreiben. Ali Smith schreibt Erzählungen. Unter anderem. Sie wird gerne als schottische Sprachmagierin bezeichnet. Und ja, so etwas ist sie wohl. Denn ihre Erzählungen leben von einer ganz wundersamen Sprache, die lebendig ist und biegsam, unendlich vielfältig und reichhaltig. Sie zaubert Bilder und Ereignisse ins Gedächtnis, wechselt von realem Geschehen ins Surreale, in Traumlandschaften, in Gedankenwelten, sie ändert Personen und Perspektiven in unerwartetem Tempo. Sie schildert ganz nebenbei detailliertest das kurze Leben einer Stubenfliege von ihren Anfängen als Winzig-Ei in einem Dunghaufen bis zu dem Moment, in dem sie in einem Antiquariat das Foto von Robert Redfort und Mia Farrow einspeichelt („Allzweckgeschichte“). Ali Smith berichtet von den guten und den bösen Bürgern einer Stadt, die sich ihr Paradies gleichgültig zerstören („Paradies“). Sie erzählt von Menschen, die sich in Bäume verlieben oder beinahe mit dem Tod zusammenstoßen – und wohin das eben führen kann. „Ich habe eine Affäre, sagte ich. Nein, hast du nicht, sagtest du.“ Und wir haben keine Ahnung, wer dieses Ich ist und wer Du, wer davon Männlein ist und wer Weiblein. Ali Smith spielt mit den Geschlechterrollen, führt uns in die Irre, lässt offen, ob es sich gerade um tatsächliches Geschehen oder wahnwitziges Gedankenkreisen handelt. Mit nichts darf man rechnen, kaum meint man zu verstehen, hat sie auch schon einen Haken geschlagen und ist in andere Sphären unterwegs. Sie bezieht uns Leser mit ein („Die Frau, die neben dem Friedhof wohnte, Sie erinnern sich, die von vorn?“), sie lässt Gedanken plötzlich fallen, fängt Sätze wieder von neuem an, greift dann ein ursprüngliches Thema erneut auf und schreibt so Sachen, wie: „Er führte ein langes glückliches und trauriges und sehr ereignisreiches Leben, und das über Jahre und Jahre und Jahre, bevor er starb.“ Voilá! Bücher kommen reichlich vor in diesen bunten, abenteuerlichen Erzählungen. Bücher und sonderbare Menschen. Und allesamt spielen die Geschichten irgendwo in Schottland – auf Touristenschiffen, in Wohnhäusern, Buchhandlungen, auf Friedhöfen, auf den Wegen von und nach Zuhause… Ach ja, worum es hier geht: Um einen Erzählband, der als deutsche Taschenbuchausgabe im Vorjahr erst erschienen ist. „Die ganze Geschichte und andere Geschichten“ von Ali Smith (im Original bereits 2003 veröffentlicht). Es ist mein erstes Zusammentreffen mit dieser schottischen Autorin, die bereits einige Romane und Erzählbände veröffentlicht hat und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Ich mag ihre Sprache, ihre Erzählungen. Vielleicht manche mehr und andere nicht ganz so sehr. Manchmal dreht sich mir das Wortkarussel gar zu schnell, das zeitweilige Gedankenwirrwarr, das in ähnlicher Form vermutlich in vielen Köpfen abläuft, wird rasch langweilig… aber dennoch: das sind Erzählungen auf höchstem sprachlichen Niveau mit unglaublichen Wendungen, Biegungen, Überraschungen. Schräge Erzählungen, die keine vertraute Gemütlichkeit aufkommen lassen, sondern ständig ihre Richtung ändern. Der Geist wird gefordert, wach gehalten. Und die Erzählungen machen Lust auf mehr… mehr von diesen aberwitzigen, bizarren Geschichten… Unbedingt lesenswert! Ali Smith: Die ganze Geschichte und andere Geschichten. btb Verlag München, 2018. ISBN:978-3-442-71354-7 (Anmerkung: Das Buch wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt)

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„Ich habe mich in einen Baum verliebt. Gegenwehr war zwecklos. Er stand in voller Blüte.“ Ladies and Gentleman: Willkommen in der Welt von Ali Smith! Ihre Prosa erinnert an „Alice im Wunderland“ für Erwachsene und ist so mehrdeutig wie mysteriös. Die ganze Geschichte setzt sich aus einer Summe von Puzzleteilchen zusammen, welche die Autorin zusammenfügt. Oder offenlässt. Sie wechselt zwischen Personen, Zeiten und Realitäten. Gekrönt mit viel Humor und einem Faible für das Absurde wird schnell ersichtlich: In diesen Stories ist alles möglich. Mann oder Frau, real oder surreal, Ende oder Anfang – Ali Smith löst Grenzen auf. Die Geschichten fordern ihre Leser. Falsche Fährten, Erinnerungen, Traumbilder und abrupte Perspektivwechsel lassen das Geschriebene plötzlich in einem ganz neuen Kontext erscheinen. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem außergewöhnlichen Leseerlebnis belohnt. Das Besondere: Ali Smiths zwölf Geschichten sind wie ein Kalender aufgebaut und begleiten uns Leser durch ein Jahr. Bereits die erste Geschichte, die selbstredend nicht wie erwartet im Januar, sondern im Februar einsetzt, zeigt, wohin die Reise geht. In „Allzweckgeschichte“ landen wir nach mehreren Anläufen in einem Antiquariat, nehmen nacheinander die Perspektive einer Angestellten, einer Fliege und eines Buches ein, um schließlich bei einer exzentrischen Künstlerin zu enden. Lange werden wir Leser darüber im Unklaren gelassen, um was es hier geht. Am Ende schließt sich der Kreis wieder rückwirkend. Was übrigens auch für den Anfang und das Ende des Buches gilt. Bücher spielen in Ali Smiths Werken ohnehin eine große Rolle. Kein Wunder, die in Schottland geborene Autorin hat in Cambridge studiert und war in Glasgow als Literaturdozentin tätig, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. So lässt Ali Smith In einer Buchhandlung köstlich verschrobene Charaktere aufeinandertreffen, während sich ein Taxifahrgast an das einzige Buch erinnert, dass sie jemals von ihrer Mutter erhalten hat. Liebe und Beziehungen nehmen ebenfalls einen großen Teil des Buches ein. Stilistisch bedient sich die Autorin eines Kunstgriffes. Diese Geschichten sind in der ICH-Perspektive geschrieben und richten sich in direkter Du-Anrede an den jeweiligen Partner. Nach der Hälfte ändert sich die Perspektive. Das ICH wird DU, das SIE wird ER. Wobei die Geschlechterrollen oft sehr spät, manchmal auch gar nicht eindeutig aufgelöst werden. Wer ist Wer? Gibt es überhaupt einen IHN? Dies liegt sicherlich in der Biografie der Autorin begründet. Ali Smith lebt seit 17 Jahren mit einer Frau zusammen. Und überhaupt: Wer sagt, dass sich Liebe nur auf Menschen beziehen muss? In der Kurzgeschichte „Mai“ verliebt sich die Protagonistin in einen Baum. Ali Smith beschreibt dies so sinnlich und selbstverständlich, dass ihr der Sprung vom Surrealen zum Realen gelingt. Dann wird die Geschichte aus Sicht des Freundes weitererzählt, der zunächst erleichtert darüber ist, dass seine Konkurrenz zumindest keine Genitalien hat. Doch die Verliebte beginnt sich in eine Obsession zu steigern. Sie denkt über Enteignung, Raub, Umpflanzung nach. Das Ende ist genauso ungewöhnlich wie der Plot und zeigt: Die Wege der Liebe können unergründlich sein. Unergründlich beziehungsweise mit viel Interpretationsspielraum muten viele der Geschichten an. Jemand begegnet dem Tod am Bahnhof, jemand leidet an einer Kunstallergie, drei Schwestern versuchen auf sehr eigentümliche Weise, ihrem Leben zu entfliehen. Mehr oder weniger verrückt sind alle Figuren. Auf eine faszinierende Art. Am Ende schafft es die vielfach ausgezeichnete Autorin tatsächlich, uns in ihr „Alice (oder vielmehr Ali) im Wunderland“ zu ziehen. Bis wir erkennen, dass wir uns die ganze Zeit im Hier und Jetzt befinden. Inmitten der großen und kleinen Absurditäten des Alltags. Ein Buch, das Blickwinkel und Horizonte erweitert. Keine 0815-Literatur, sondern ein echter A-Lister: anspruchsvoll, absurd, außergewöhnlich!

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