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Rezension zu
Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel

WEe Schnaps in der Lunge

Von: Ben Vart
30.08.2018

Der Einstieg ist langatmig und verlangt einen langen Atem, der Schluss zu offensichtlich und früh durchschaubar und dazwischen weigert sich Autor Jean-François Parot penetrant, ein Geheimnis zu offenbaren. Das der Weißmäntel nämlich. Parots erster Geschichtskrimi trägt zwar den Titel „Das Geheimnis der Weißmäntel“ – nur kommt im gesamten Buch kein einziger Weißmantel vor. Lediglich, dass der Held LeFloch kurzzeitig in der Rue des Blancs-Manteaux wohnt, verbindet Inhalt mit Titel.. In der französischen Sprache bedeutet floc - ohne H am Ende - soviel plumpsen. Faire floc also plumps machen. Wenn man voraussetzt, dass Parot dieses Wortspiel beabsichtigte, dann passt das schon, denn er lässt seinen Helden, das Findelkind Nicolas LeFloch, aus der Bretagne direkt hineinplumpsen ins Paris von 1760 und die Regentschaft Ludwigs XV. Der Notariatsgehilfe erhält nach einiger Zeit Dank seiner Fürsprecher einen Job – man würde es heute wohl als Hilfsermittler bezeichnen – bei dem, was Mitte des 18. Jahrhunderts als Polizei in Paris bezeichnet werden kann. <!-- wp:paragraph --> <p>Der Notariatsgehilfe erhält nach einiger Zeit Dank seiner Fürsprecher einen Job – man würde es heute wohl als Hilfsermittler bezeichnen – bei dem, was Mitte des 18. Jahrhunderts als Polizei in Paris bezeichnet werden kann. Sein Vorgesetzter Antoine Raymond Juan Gualbert Gabriel de Sartine, Comte d’Alba, zu der Zeit, während der der Roman spielt, Lieutenant général de Police, was soviel bedeutet wie Polizeipräfekt, und dem Amt des sagen wir mal Polizeipräsidenten von Paris gleichkam, betraut ihn mit einer diffizilen Aufgabe. Ein Polizist wird der Korruption verdächtigt, dann verschwindet er. Was als scheinbar einfacher Fall von Bestechung begann, wächst sich erst zum Mord aus, dann kommt noch eine Spionagegeschichte um Ludwig XV und Madame de Pompadour dazu. Antoine de Sartine ist eine historische Persönlichkeit, wie Parot viele historische Persönlichkeiten auftreten lässt. Sogar Giacomo Casanova lässt er seinen Helden LeFloch im Pariser Karneval begegnen. Insofern betreibt Parot „name dropping“, was die Sache insofern vereinfacht, als er keine neuen Figuren erfinden muss. Gleichzeitig vermittelt der Autor damit den Eindruck historischer Authentizität. Ob diese in ihren Charakteren ebenso korrekt dargestellt ist, lässt sich nun nicht nachprüfen. Allerdings lesen sich die Beschreibungen im angehängte Glossar wie eins zu eins von Wikipedia übernommen. In einem Paris, das als dreckig, laut, teils ordinär mit einem dichten Nebeneinander von arm und degoutant reich beschrieben wird, fehlt es letztlich an Tiefgang. Dafür nimmt Parot Dinge voraus, die erst sehr viel später tatsächlich ins Licht von Wissenschaft und Medizin rücken. Den späteren Henker von Paris, der insgesamt fast 3000 Menschen umbrachte, schildert er als eine freundliche, hilfsbereite, ja sensible Person mit ausführlichen medizinischen Kenntnissen. Dieser Charles-Henri Sanson wird dargestellt als ein Mensch mit erstaunlichen pathologischen Erfahrungen und Wissen. Zwar studierte Sanson tatsächlich Medzin, brach das Studium jedoch aus wirtschaftlichen Gründen ab, und war als 18-Jähriger beteiligt an der Folter von Robert François Damiens. Der hatte 1757 ein Attentat auf Ludwig XV verübt. Die Folter lässt Parot durch die Figur des Sanson recht ausführlich – zu ausführlich – schildern. Wie überhaupt einige unschöne Dinge überflüssig detailreich dargestellt werden. So entbrennt unter anderem zwischen zwei Medizinern ein fast existenzieller Streit. Der eine schwört auf den Aderlass bei jedweder Art von Krankheit – egal ob gebrochener Knochen oder Fieber – während der andere schon Ansätze heutiger Schulmedizin zeigt. Insgesamt aber nimmt LeFloch auch Ermittlungsmethoden voraus, die erst etwa 40 Jahre später durch Eugène François Vidocq bekannt werden, der als Begründer der modernen französischen und europäischen Kriminalpolizei und insbesondere auch als Vorbild für die Arbeit von Scotland Yard gilt. So weit, so gut. Wenn da nicht einige sprachliche Schnitzer wären, von denen mindestens einer auf dem Mist des Übersetzers gewachsen ist. Le Pont (die Brücke) ist im französischen maskulin, im Deutschen feminin. Der Übersetzer weigert sich penetrant, die Brücke zu übersetzen und sprich durchgängig von der Pont. „Der Pont Neuf . . .“ zum Beispiel. Irritierend. Klar, „die Neue Brücke“ klänge für eine der berühmtesten Seine-Brücken in Paris echt bescheuert. Aber warum nicht eindeutschen? Die Pont Neuf . . . da wüsste jeder, was gemeint ist. LeFloch vereint zudem alle Merkmale eines Detektivs, über die auch ein moderner detektivischer Romanheld verfügt. Egal, ob sein Name Philip Marlow, Sam Spade, Sherlock Holmes, Miss Marple oder Hercule Poirot lautet. Aber keinem wäre es eingefallen, diesen Satz zu schreiben: „Die Luft war klar und eisig und brannte wie klarer Schnaps in der Lunge.“ Wer jemals klaren Schnaps auf Lunge getrunken hat, der möge sich melden. Das ist Quatsch, Quark, Blödsinn, hirnverbrannt – ein ebenso sprachlicher wie metaphorischer Gau. Und an den Bildern, also den Metaphern, seines Buches sollte Parot dringend noch arbeiten. Denn daran hapert’s. Selbst, wenn er das Paris von 1760 tatsächlich treffend gezeichnet haben sollte.

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