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Rezension zu
Ein wilder Schwan

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

fairy tales of the special kind

Von: Miss Cooper
29.06.2018

Als ich noch ein Kind war, kam meine Mutter jeden Abend in mein Zimmer, setzte sich zu mir ans Bett und las mir ein Märchen vor, immer ein anderes, aber immer begannen sie mit „Es war einmal…“ und endeten mit dem hoffnungsvollen Satz „…und sie lebten Glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.“ Ich kann mich noch genau an ihre Stimme beim vorlesen erinnern, sie war dann immer etwas sanfter und weicher als gewöhnlich - ein paar Nuancen schriller wurde sie nur, wenn Hexen oder böse Stiefmütter auf der Bildfläche erschienen. Ich liebte die Welt der Märchen und in meiner Kindlichen Naivität war es für mich ganz selbstverständlich das Tiere und Pflanzen sprechen konnten, das alle Probleme, erschienen sie auch noch so groß, überwunden werden konnten und jeder, egal wie schwach, arm oder dumm, wenn er nur mutig genug war, glücklich werden konnte. Nachdem mich meine Mutter zugedeckt und das Licht gelöscht hatte, lag ich oft noch eine weile wach und dachte darüber nach was geschieht, nachdem der Prinz das Dornröschen wachgeküsst hatte, der verzauberte Frosch endlich kein Frosch mehr sein musste, oder Aschenputtel auf das Schloss des Prinzen zog. Lebten sie wirklich so glücklich miteinander, gab es niemanden der ihnen ihr Glück neidete, gibt es nur diese eine Geschichte die sie ihren Kindern und Enkeln später erzählen und wäre dieses ewige Glück nicht furchtbar langweilig. Eine Antwort darauf fand ich nie, bis jetzt, denn Michael Cunningham nimmt neun dieser teilweise Jahrhunderte alten Märchen, bringt sie in die heutige Zeit, interpretiert sie neu und lies „Ein wilder Swan“ entstehen. In einer seiner Geschichten wird das Leben der Pfefferkuchen Hexe aus Hänsel und Gretel betrachtet, bevor sie sich ein Haus aus Süßigkeiten zusammenzimmerte. Eine äußerst extrovertierte Frau die nach dem vierten verschlissenen Ehemann und diversen Liebschaften beschließt lieber für sich allein zu leben. Sie kauft sich ein Grundstück im Wald und baut dieses uns allen allzu bekannte Haus. Dort, in dieser völligen Einsamkeit lebt sie nun viele viele Jahre und wartet sehnlichst auf Besucher. Eine andere erzählt von Rumpelstilzchens innigstem Wunsch seine liebe einem Kind zu schenken, da es mit den Frauen nicht recht klappten will und eine Adoption für ihn nicht in Frage kommt, schminkt er sich das Thema Kinder ab. Doch als er als einziger der Müllerstochter aus der patsche helfen kann, indem er für sie das Stroh zu Gold spinnt, sieht er seine Chance gekommen doch noch an ein Kind zu gelangen. Und ergreift sie. Eine weitere handelt von Schneewittchen die, auch nachdem sie von dem Prinzen erlöst wurde, zu seinem Vergnügen jeden Abend in den Gläsernen Sarg steigen soll. So oder so ähnlich sind all die „Märchen“ aufgebaut denen sich Michael Cunningham gewidmet hat. Manchmal ist es die Vorgeschichte zu dem jeweiligen Märchen, manchmal die Fortsetzung, einige sind auch völlig verfremdet. Doch wie auch in den Originalen gibt es auch hier am Ende einer jeden Geschichte eine Moral. Das man schätzen sollte was man hat, oder Äußerlichkeiten nicht das wichtigste an einer Person sind. Er lässt ganz alltägliche menschliche Probleme von Märchenfiguren erleben. Sie sind plötzlich nicht mehr aus einer abstrakten magischen Welt, sondern ganz normal, mit ganz gewöhnlichen Charakterzügen, Ängsten und Vorstellungen vom Leben. Ich kann nicht gerade behaupten das mir Cunninghams Werk restlos gefallen hat, ich habe mich in der Vorstellung das Prinzen in einer Bar rumhängen oder Prinzessinnen mit dem Fahrstuhl fahren völlig verheddert, für mich gehören sie einfach in eine andere Welt. Wobei - das muss ich wirklich zugeben, ich seinen Schreibstil sehr interessant finde, teilweise spricht er den Hauptprotagonisten mit DU an, dann schreibt Cunningham wieder in der ER oder SIE form, oder einem einzigen Dialog. Es wirkt als hätte er eine persönliche Beziehung zu seinen Charakteren und würde ihre Taten wertend darlegen, um dann über sie zu richten. „Du hattest nicht viel zu tun. Irgendwann hast du angefangen, den Zuckerguss und die Lutscher öfter als notwendig auszutauschen, einfach nur, weil du eine Aufgabe gebraucht hast und weil du (es war ein bisschen verrückt, aber für deine Verrücktheit hast du dich nie geschämt) dich gefragt hast, ob eine bessere Ausführung - ein noch intensiverer Keksduft, Zuckerzeug von anderen Herstellern in noch leuchtenden Farben und Mustern - die Lösung wäre.“ Doch mein ganz persönliches Highlight in dem Buch waren die fantastischen Illustrationen von Yuko Shimizu. Kontrastreiche schwarz/weiße Linienzeichnungen, die die Gesichten in ihrer düsteren Stimmung mehr als nur unterstützen. Sie ziehen einen in ihren Bann. „Ein wilder Schwan“ hat meine Kindliche Seifenblase ganz schön zum platzen gebracht und mir den Zauber und die Illusion wie es nach dem „… und wenn sie nicht gestorben sind…“ weitergeht, genommen. Es war mir einfach ein zu großes durcheinander, moderner Schreibstil und alte Geschichten funktionieren auf diese Art einfach nicht für mich.

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