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Rezension zu
Misbehaving

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Anregender, verständlicher und der Realität zugewandte Betrachtungen

Von: Michael Lehmann-Pape
07.06.2018

Der reinen Lehr nach, zumindest derer der Volkswirtschaft bis vor einigen Jahren, verhält ein Mensch sich „auf dem Markt“ rational. Damit ist dann für Waren und Dinge ein Preis „berechenbar“, weil eben Nachfrage und Preis rational durch den „Menschen in der Wirtschaft“ (kurz „Econ“ genannt) ausbalanciert werden. An dieser klaren These und den klaren Ableitungen hatte Richard Thaler schon als junger Wirtschaftswissenschaftler Zweifel. Die er zunächst eher als Ahnung verspürte, in Richtung eines: „D stimmt was nicht“. Und richtig. Wenn er als Beispiel die Zeiten der Einführung der Kreditkarten in Amerika anführt und den damaligen Streit, ob die 0,3 Prozent Mehrkosten für die Abrechnung durch eine Kreditkarte als „Gebühr“ „aufgeschlagen“ wurde, oder ob das Zahlen mit Bargeld „Rabattiert“ wurde um 0,3 Prozent, für den „Econ“ wäre das gleich, denn kühl würde er den Preisunterschied bemerken und nur rational Vor- und Nachteile der beiden Zahlmethoden vergleichen, vielleicht noch einfließen lassen, dass ihm seine Bequemlichkeit eben 0,3 Prozent Aufschlag auf den Preis wert wären. Doch es hatte seinen Grund, warum der Streit um die Benennung des Mehrpreises durch die Kreditkartengesellschaften so hart gekämpft wurde. Denn für die Psychologie des Menschen ist der „Normalpreis“ wichtig und entscheidend. So hat sich also eingebürgert, dass der Preis unter Zahlung mit Kreditkarte „Normalpreis“ ist und Barzahler einen „Rabatt“ bekommen. Nur eines der zig verblüffenden Beispiele, mit denen Thaler seine Grundüberlegungen zu den Gesetzmäßigkeiten des Wirtschaftens dem Leser nahebringt. Und wie unterschiedlich die gleiche Ausgangslage (Freikarten für ein beliebtes Sportevent bekommen zu haben) sich auswirkt. Der eine geht mit einem Freund hin. Der andere verkauft die Karten sehr überlegt für einige Hundert Dollar. Beide verstehen den anderen dabei nicht. Der eine mit der Haltung: ist geschenkt, nutzt mir zum Genuss, kostet ja nichts“, der andere sieht allein den materiellen Wert der Karten und könnte (im eigenen Denken) eben ein Spiel nicht genießen, für das er gefühlt einige Hundert Dollar bezahlt hat, obwohl es Freikarten waren. Bezahlt mit dem „entgangenen Gewinn“. Der „Endowment-Effekt“ (Besitztumseffekt) ist es, den Thaloer auf diese Weise eingängig erklärt und mit dem er beginnt, den Faden aufzurollen, dass es nicht die „reine Lehre der Volkswirtschaft“ mit ihrem „perfekt rationalen Econ“ ist, welche das wirtschaftliche Handeln des Menschen in der Tiefe erläutern kann, sondern das zumindest als Ergänzung, in mancherlei Hinsicht als die überlegen Wissenschaft zur Erklärung des menschlichen Verhaltens „auf dem Markt“ die Verhaltensökonomie ist. Womit Thaler, ganz nebenbei, den Effekt der bereitwilligen sozialen Hilfe für „identifiziertes Leben“ (viele Spenden für eine konkrete Person in Not) gegenüber der mangelnden Zahlungsbereitschaft für „abstraktes“ Leben einer tragfähigen Erklärung zuführt und auch an diesem Beispiel beweist, dass der Mensch in nicht wenigen Hinsichten ein „schlechter“ Geschäftemacher ist, das kühle Zahlenwerk (dass für allgemeine Investitionen eher sprechen würde, da viel mehr Menschen gerettet werden könnten) zumindest oft ein eher untergeordnete Rolle für wirtschaftliche Entscheidungen trifft. Seite für Seite beleuchtet Thaler seine Erkenntnisse, vielfache Beispiel illustrieren für den Leser später auch abstraktere Gedankengänge und am Ende der Lektüre verbleibt zum einen das Erlebnis, dass Thaler sehr gut zu erklären und zu beschreiben verssteht, vor allem aber die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Markt, Individuum und „kaufende“ (oder eben nicht) Vorgängen deutlich differenzierter und klarer durchleuchtet, als es reine Theorien unter „Laborbedingungen“ vermögen. Eine hervorragende Lektüre für jeden, der sich für alltägliche und letztlich existenzielle Wirtschaft als „Bühne“ von Verhalten und dessen Ökonomie interessiert. Rationale Vernunft zumindest ist es nicht, was Entscheidungen im wirtschaftlichen Handeln begründet.

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