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Rezension zu
London Stalker

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Der etwas andere London-Thriller, Episode 3

Von: Büchermonster
09.05.2018

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert – dieser Satz scheint Detective Nick Belsey auch in seinem dritten Auftritt als Ermittler in Oliver Harris‘ „London Stalker“ wie auf den Leib geschrieben zu sein. War der Londoner Polizist schon im ersten Band „London Killing“ schon verschuldet und ohne ein Dach über dem Kopf, so hat sich seine Lage inzwischen keinesfalls gebessert – im Gegenteil: nach den jüngsten Eskapaden scheint die Karriere Belseys nun endgültig im Eimer und die Suspendierung vom Dienst ist nur der Anfang einer Abwärtsspirale, die für ihn im schlimmsten Fall sogar mit einer Verurteilung enden kann. Um sich vor den Probleme zu verstecken besetzt Nick daher sein altes und nach einem Umzug inzwischen verlassenes Polizeirevier und will dort eigentlich nur seine Ruhe haben, als plötzlich eine besorgte ältere Frau vor der verrammelten Tür des Gebäudes auftaucht und Belsey um seine Hilfe bittet – jemand hätte ihr den Tipp gegeben, dass der (Ex-)Detective dort zu finden und der richtige Mann für ihr Problem sei: die Frau vermisst seit ein paar Tagen ihren Sohn und aus einer vielleicht selbst nicht mehr für möglich gehaltenen Kombination aus Nächstenliebe und Ermittlerinstinkt nimmt sich Belsey tatsächlich seiner „Klientin“ an… Der dritte Fall für Londons vielleicht größten Problem-Cop Wer bisher noch keinen der beiden Vorgängerromane „London Killing“ und „London Underground“ gelesen hat, der dürfte selbst ohne Vorkenntnisse schnell merken, dass Oliver Harris kein typischer Thrillerautor ist und seine Reihe um den Problem-Cop Nick Belsey sowohl inhaltlich als auch stilistisch aus dem Genre heraussticht. Das beginnt bereits bei der Hauptfigur: Als erfahrener Krimi- und Thrillerleser ist man schwierige Ermittlerfiguren mit persönlichem Trauma, düsterer Vergangenheit, Eheproblemen, Alkoholsucht oder sonstigen Lastern ja längst gewohnt, Detective Nick Belsey wirkt aber nochmal eine Spur kaputter und hat es auch im Verlauf von zwei Büchern bisher nicht geschafft, sein Leben auch nur halbwegs wieder in den Griff zu kriegen – stattdessen zeigt die Tendenz weiter nach unten. Irgendwie scheint es aber auch eine befreiende Wirkung zu haben, am persönlichen Tiefpunkt angelangt zu sein, denn so ist die Hemmschwelle des Polizisten praktisch kaum noch vorhanden, was ihm bei seinen Ermittlungen auf eigene Faust tatsächlich zugute kommt. So tischt er seinen Gesprächspartnern eine Lüge nach der nächsten auf, um an Informationen zu kommen und schafft es so tatsächlich sogar, als eigentlich abgewrackter Obdachloser plötzlich im Luxushaus von Londons größtem It-Girl zu stehen und sich wie selbstverständlich frei zwischen Fernseh- und Filmsternchen, persönlichen Assistenten und Medienvertretern zu bewegen. Als Cop ohne Regeln besitzt Belsey zudem ein großes Netzwerk an Vertrauten und so kann er dann auch schon mal auf den „befreundeten“ Drogenhändler aus der Londoner Unterwelt zurückgreifen, um sich einen Vorsprung gegenüber seinen (mehr oder weniger) gesetzestreuen (Ex-)Kollegen zu verschaffen. Nicks Ermittlungsmethoden wirken teilweise schon recht absurd und strotzen nicht unbedingt vor Glaubwürdigkeit, trotzdem ist seine Figur und sein Verhalten im oftmaligen Genre-Einheitsbrei irgendwie erfrischend. Man darf zudem nicht verschweigen, dass Nick Belsey zwar gerne die Grenzen überschreitet und sich weitestgehend jenseits der Legalität bewegt, hinter der Fassade des abgestürzten Cops aber ein Mensch steht, der dann doch einen erstaunlich weit ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hat und nebenbei auch noch ein verdammt guter Ermittler ist. Eine Ermittlung mit Anlaufschwierigkeiten, aber furiosem Finale Für die Story gilt ähnliches wie für die Hauptfigur: auch sie besticht nicht sofort mit dem ersten Eindruck, sondern braucht ein wenig um richtig heißzulaufen. „London Stalker“ ist zwar zu keinem Zeitpunkt langweilig, Nick Belseys dritter Fall wirkt am Anfang aber etwas zufällig. Bei der Suche nach dem vermissten Sohn der alten Frau stößt Nick nämlich schnell auf Hinweise, die darauf hindeuten, dass der Mann obsessiv das Londoner Pop- und Filmsterchen Amber Knight stalkt und ihr womöglich inzwischen sogar bedrohlich nah kommt. Auf den ersten Blick betrachtet hatte es Nick Belsey in den beiden Vorgängerbänden schon mit kniffligeren Fällen zu tun, es dauert aber nicht allzu lange bis die Situation eskaliert und sich Belsey wieder einmal mitten im Fiasko befindet. Zu einem außergewöhnlichen Thriller wird „London Stalker“ aber erst im letzten Drittel des Romans, als das Tempo plötzlich nochmal schlagartig zunimmt und sich der Fall in eine Richtung entwickelt, die so sicherlich nicht zu erwarten war. In den letzten Kapiteln wird man förmlich in einen regelrechten Sog hineingezogen, der einen atemlos durch die Seiten peitscht – vermutlich die wohl stärkste Phase der gesamten Reihe bisher. Eine Londoner Stadtführung der ungewöhnlichen Art Zudem kommt ein Trumpf von „London Killing“ und „London Underground“ auch im dritten Belsey-Band zum Tragen: das Setting. Kriminalromane und Thriller mit dem Schauplatz London gibt es wie Sand an Meer, doch nur wenige führen ihre Leser auf so eine interessante und ungewöhnliche Weise durch die englische Hauptstadt wie Autor Oliver Harris: wieder einmal kann man die Bewegungen der Hauptfigur fast auf der Straßenkarte nachverfolgen, so detailliert sind Harris‘ (Weg-)Beschreibungen im Verlauf der Handlung. Diese Akribie ist aber nicht nur Füllmaterial, sondern zeigt den Lesern die vielen Facetten Londons auch abseits der berühmten Sehenswürdigkeiten wie Big Ben oder der Tower Bridge. In diesem Buch gelingt es Harris besonders gut, den Kontrast zwischen Arm und Reich in der Stadt zu zeigen und so pendelt man immer wieder zwischen zwischen diesen Gegensätzen: Während mitten im bevorzugten Stadtteil Hampstead die Stars sich auf wilden Parties in luxuriösen Häusern und Apartments die Klinke in die Hand geben, zeigt sich die Hauptstadt nur wenige Gehminuten später von einer ihrer hässlichsten Seiten, wo man als junge und wohlhabende Frau nicht unbedingt nachts alleine auf die Straße gehen sollte und Drogenkuriere und andere zwielichtige Gestalten das Sagen haben. Der etwas andere London-Thriller, Episode 3 „London Stalker“ verfügt also über viele Stärken und nur wenige Schwächen, und die sind zudem ein Stück weit auch Geschmacksache: so kommt vielleicht nicht jeder mit der speziellen Art des Protagonisten zurecht, Realisten ist die Story zeitweise womöglich ein wenig zu absurd und auch der Schreibstil von Oliver Harris hat so seine Eigenheiten. Wer sich aber mal nach einem erfrischend anderen Ermittler im Spannungsgenre sehnt und ein Faible für die englische Hauptstadt hat, der bekommt hier einen kurzweiligen und spannenden Thriller mit starker London-Atmosphäre geboten, der sich irgendwie erfrischend anders liest.

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