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Rezension zu
Der Anwalt des Paulus

Paulus in Rom, eine narrative Exegese

Von: Christoph Fleischer
10.02.2018

Professor Gerd Theißen (geb. 1943) war in den siebziger Jahren Enfant terrible der Exegese des Neuen Testaments. Er ergänzte die damals an die Grenzen der Erkenntnismöglichkeit geratene historisch-kritische Exegese um Methoden der Soziologie ("Soziologie der Jesusbewegung", u. a.) und später auch der Psychologie. Er legt eine phänomenologische Theologie des Urchristentums vor, genannt „Die Religion der ersten Christen“. Auf den letzten Seiten des Romans über Erasmus, des fiktiven Rechtsanwalts des in Rom inhaftierten Paulus, zählt Gerd Theißen eine Auswahl seiner Bücher auf, die zu dieser Paulus-Erzählung beigetragen haben und zum Teil auch in den Anmerkungen genannt werden. Der fiktive Rahmen des Romans ist so auf die Inhalte der Paulusbriefe und deren theologische Auswertung ausgerichtet, dass auch die Geschichte des antiken Roms um 50 n. Chr. eine Rolle spielt. Dem Leser oder der Leserin die Pointe des Buches zu erzählen, würde sich nicht gehören. Doch ein Hinweis ist vielleicht möglich. Diese Pointe ist die Antwort auf die Frage, die im gesamten Roman eine Rolle spielt und schon den Einstieg bietet, nämlich dass Erasmus darüber entscheidet, ob er die Verteidigung des Paulus überhaupt übernehmen sollte. Erasmus selbst ist weder Jude noch Christ, aber er ist befreundet und verliebt in Hannah, einer Jüdin mit messianischen Neigungen. Ein eher philosophisch engagiert Freund und möglicherweise Kollege berät ihn. Es ist beachtlich, wie stark das Rechtssystem im Rom der Antike schon ausgebildet war. Auch das Rechtsgefühl von Erasmus ist sehr selbstbewusst und humanitär, was aber nicht bedeutet, dass das Rechtssystem des Staates nach denselben Kriterien gebildet wird. Krasse Ungerechtigkeiten sind durchaus an der Tagesordnung. Der politische Kontext schwankt zwischen Toleranz und Verfolgung von Minderheiten. Die Ungerechtigkeiten der Sklaverei kommen immer wieder zur Sprache. Vermisst wird allerdings der sich zuspitzende Konflikt um das palästinische Judentum, der letztlich zum Bellum Judaicum führt mit der Eroberung Jerusalems um 70 n. Chr. Eine große Rolle spielt im Roman eher die Darstellung von philosophischen Konzepten, wobei sich Parallelen zu christlichen Überlieferungen ergeben, an denen Erasmus anknüpfen kann. Trotz der durchaus langen Brieftexte, meist fiktiv, ist das Buch interessant erzählt und findet immer wieder zu seinem roten Faden zurück. Das Buch ist auch für Nichttheologen mit historischem Interesse zu empfehlen. Die theologische und historische Frage um die Biographie des Paulus steht eher im Hintergrund.

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