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Rezension zu
Das Päckchen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Botschaft aus einer anderen Zeit

Von: Petras Bücher-Apotheke
06.02.2018

Ernst hatte in der Bahnhofsunterführung gestanden und seine Frau anrufen wollen, als das öffentliche Telefon vor ihm plötzlich geläutet hatte. Einem Automatismus folgend hatte er zum Hörer gegriffen und erstaunt eine weibliche Stimme fragen hören, ob er das sei, der Ernst, sie brauche jetzt seine Hilfe, er solle sofort kommen. Reflexartig hatte er nach der Straße gefragt und war wie an Fäden gezogen zu dieser Adresse gelaufen, sich unterwegs immer wieder fragend, woher die alte Frau am Telefon ihn denn wohl kannte, gewußt hatte, dass ER zum Zeitpunkt ihres Anrufes auch vor genau diesem Telefon stand. Als er jetzt der fast blinden Dame an ihrem Küchentisch gegenüber saß und sie aus der Schublade desselben ein Päckchen an die Oberfläche beförderte und es ihm aufdrängte, waren seine Fragen nicht weniger, sondern mehr geworden. Ehe sich Ernst versah, hatte er das Päckchen eingesteckt und war wieder auf der Straße gestanden ... Bern - es könnte gestern gewesen sein, oder auch heute passieren: Ein Päckchen mit mysteriösem Inhalt und von unbekannter Herkunft gerät in die Hände eines durchgeplanten, wohlorganisierten Mannes. Ein Gletscher, der nach Jahrzehnten eine Leiche freigibt. Verlorene Seelen und geisterhafte Erscheinungen. Mysteriöse Männer, die eine alte, halb blinde Frau bedrängen. Ein ernsthafter Bibliothekar, der mehr Antiheld als Held, in eine Geschichte hinein stolpert, die ihn an seine Grenzen führt und darüber hinaus. Ganz nach dem Credo "Mit der Wahrheit lügt sich am Besten" hält er sich bohrende Fragen vom Leib, wird zum Meister-Lügner wider Willen. Eine Ehefrau, die in ihrem Mann alles sieht, aber keinen Abenteurer und Verschwörer. Federkiele, die kratzend über Pergament geführt werden, Tintenflecke an den Fingern, die Atmosphäre in den Schreibstuben der einzelnen Klöster die Heimo, der Mönch, im 8. Jahrhundert in dieser Geschichte durchwandert sind wunderbar bildhaft beschrieben. Man meint nach den Scryptoren, in ihren groben Kutten, wie sie dort stehen, über ihre Pulte gebeugt, greifen zu können. Auf der zweiten Zeitebene des Romans finden wir uns wieder in einer Epoche, in der man vom Buchdruck noch nicht einmal etwas ahnte. Eine Zeit, in der Heerschaaren von Schreibern mit dem Kopieren von Büchern beschäftigt waren, alle wurden sie danach handgebunden. Als die Kirche noch die Wissenshoheit inne hatte, lesen und schreiben, ja der uneingeschränkte Konsum von Büchern, den wir heute als selbstverständlich genießen, noch nicht einmal eine Vision war. Ein Roman wie eine russische Matroschka Puppe. Packt man eine aus, findet man eine zweite. Spannende Gegenwarts-Geschichte und historisches Abenteuer. Bettelarme Mönche, schwangere Stallburschen und couragierte Bibliothekare wetteifern hier um unsere Gunst als Leser. Als kleinste innere Puppe der Matroschka findet man, den "Codex Abrogans", das älteste Buch deutscher Sprache, von dem es tatsächlich nur noch drei Abschriften gibt, eine davon in der Stiftsbibliothek von St. Gallen. Er dient Franz Hohler als historisch verbriefter Kern seines Romans. Um ihn herum baut er seine Story auf, die abwechslungsreich, sprachlich auf den Punkt, flüssig, aber nie anspruchslos daher kommt. Das ist beste Unterhaltung auf hohem Niveau. Gerd Heidenreich - Gern habe ich mich von seiner Stimme in eine längst vergangene Epoche entführen lassen, fühlte mich mit ihm, bei ihm, mehr als wohl. Angenehm unaufgeregt und getragen, sachlich und doch mit Gefühl bei den Figuren, entwirrte er für mich die Handlungsfäden. Hohler und Heidenreich, beide Namen beginnen mit dem gleichen Buchstaben, als wäre es ein Omen, ein Omen dafür, wie gut beide zusammen passen, und das tun sie tatsächlich. Die 5 Stunden und 18 Minuten Hörzeit waren im Nu abgelauscht, gerne hätte ich sie verlängert!

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