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Rezension zu
Die Hochstapler

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Paul auf Pyros

Von: Niamh O'Connor
17.01.2018

Sabine Durrant lässt in Die Hochstapler ihre Hauptfigur Paul Morris davon erzählen, wie Ereignisse auf der griechischen Insel Pyros seinem Leben eine andere Wendung als beabsichtigt gegeben haben. Paul stammt aus relativ einfachen Verhältnissen, hat aber eine teure Privatschule besucht und in Cambridge studiert, und schon mit Anfang 20 ist es ihm gelungen, ein Buch zu veröffentlichen. Jetzt, zwei Jahrzehnte später, hat sich das, was nach dem Beginn einer großen Karriere aussah, zu einem fast bemitleidenswerten Schmarotzerdasein weiterentwickelt. Das Honorar für sein Erstlingswerk ist längst aufgebraucht, und Paul muss sich mit kleinen Schreibaufträgen über Wasser halten und jedes Pfund zweimal umdrehen. Restaurants kann er sich nur leisten, wenn andere zahlen, seine möglichst elegante Kleidung kauft er möglichst billig, Bücher und anderes lässt er mitgehen, wann immer sich die Gelegenheit dafür bietet, und die exquisit eingerichtete Wohnung im Londoner Stadtteil Bloomsbury darf er nur deshalb bewohnen, weil er die Katze des Eigentümers versorgt. Kurz bevor er aus dieser Wohnung aus- und wieder bei seiner Mutter einziehen muss, trifft er einen ehemaligen Studienkollegen, Andrew Hopkins, einen erfolgreichen Anwalt, mit dessen Schwester Florrie er während des Studiums eine kurze Affäre gehabt hatte. Durch ihn lernt Paul Alice Mackenzie kennen, eine wohlhabende Witwe und erfolgreiche Menschenrechtsanwältin. Eigentlich ist es kein Kennenlernen, sondern ein Wiedertreffen, aber wie das damals, vor 10 Jahren, auf der Insel Pyros genau war, daran kann Paul sich beim besten Willen nicht erinnern. Er weiß nur, lieber ein Sommer in Griechenland als in seinem ehemaligen Kinderzimmer, und deshalb zieht er alle Register, um dabei zu sein, als Alice und ihre Kinder gemeinsam mit Andrews Familie wieder auf Pyros Urlaub machen, um dort wie jedes Jahr nach Jasmine Hurley zu suchen, einem Mädchen, das genau in der Nacht verschwand, in der Paul und Alice einander damals begegnet waren. Meine Meinung: Der Klappentext verweist auf Ähnlichkeiten mit Gone Girl und Girl on the Train, und in gewisser Weise stimmt das auch: In allen drei Fällen handelt es sich um eine spannend erzählte Geschichte mit Twist. Aber während ich bei Gone Girl am Ende nur aus der Welt zweier kranker Gehirne rauswollte und bei Girl on der Train darauf hoffte, dass der vom Schicksal gebeutelten Hauptperson Gerechtigkeit widerfährt, war mein Leseerlebnis hier ein anderes. Die Autorin sorgt dafür, dass wir den Erzähler nicht mögen, und auch sonst gab es für mich weit und breit keine Identifikationsfigur, nur scheinbar ziemlich oberflächlich gezeichnete Charaktere, deren Verhalten für mich lange unlogisch und nur schwer nachvollziehbar war. Von Beginn an zeichnet sich ab, dass die Sache für Paul nicht gut ausgeht. Trotzdem war die Geschichte für mich ein Pageturner: vom Pavlov’sche Reflex aller Thrillerfans getrieben wollte ich so schnell wie möglich wissen, ob meine Hypothesen, wie es zum voraussichtlichen Ausgang kommt, stimmen. Gleichzeitig sah ich mich schon das Buch nach der letzten Seite mit den Worten „na ja, eher unglaubwürdig“ zur Seite legen. Das dies nicht der Fall war, ist auf das letzte Kapitel zurückzuführen, in dem Paul die Ereignisse Revue passieren lässt und ihn die Autorin dabei auf sehr vergnügliche Weise nochmals so richtig vorführt. Das, gemeinsam mit dem geradlinigen Plot, hat die Geschichte für mich zu einer entspannenden und unterhaltsamen Lektüre gemacht: perfekter Lesestoff für den Urlaub eben. Paul hat als Urlaubslektüre übrigens Truman Capotes Kaltblütig (In Cold Blood) im Gepäck, ohne die Zeit zu finden, sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Ich gehe davon aus, dass Sabine Durrant ihrem Protagonisten diesen Titel nicht zufällig mitgegeben hat, muss aber Capotes Aufarbeitung eines realen Verbrechens erst lesen, um herausfinden, welche Zusammenhänge es da gibt Noch eine Anmerkung zur Übersetzung: Diese ist etwas hölzern, aber ohne große Patzer. An die geniale Doppeldeutigkeit des englischen Titels Lie With Me (wahlweise mit Schlaf mit mir! oder Lüg mit mir! zu übersetzen) kommt der deutsche Titel Die Hochstapler nicht heran, aber das wäre vielleicht auch zu viel verlangt.

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