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Rezension zu
Das geheime Leben des Monsieur Pick

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

"Ich mach das total gern"

Von: Stephanie Jaeckel
06.10.2017

Hausaufgaben statt Ferienlektüre, so könnte ich mein Leseerlebnis in David Foenkinos Roman „Das geheime Leben des Monsieur Pick“ zusammenfassen. Denn was als fluffige Lektüre für den Flug nach Kalifornien geplant war, entpuppte sich für mich als nach Seite 175 nicht weiter lesbar. Zum Glück hatte ich das Buch im letzten Moment wieder aus dem Rucksack genommen. Dafür liegt es nun seit Mai angelesen auf meinem Nachttisch. An der Geschichte ist nichts, wirklich nichts auszusetzen. Außer, dass sie vielleicht etwas übertrieben und vorhersehbar ist, aber im Grunde mag ich das aus alten Kindertagen, wo – zumindest in den für Kinder geschriebenen Geschichten – meist klar war, dass alles gut ausgeht. Ich mag es durchaus bei entspannter Freizeitlektüre, dass Dinge vorhersehbar sind, vielleicht auch ein Grund, weshalb ich einige Bücher immer wieder gern aufs Neue lese. Auch das Übergroße mag ich gelegentlich, ich würde eben auch mal gerne Lektorin in Paris sein, mit einem Elternhaus in der Bretagne und einer goldenen Nase, was neue Bücher angeht. Aber dann – ? Mir machte die Geschichte Spass. Klischees, Kitsch, Happy End schon auf den ersten Seiten, gemütlich, gemütlich, noch einen Kaffee, noch einen Keks. Eine tolle Idee, die von der Bibliothek der abgelehnten Manuskripte. Natürlich – wie oft bei durchgeknallten tollen Ideen, eine aus Amerika (nee, in Wahrheit war es das Ideenwunderland Kalifornien). Richard Brautigan, der sie einst erfand, gibt es wirklich, die von Foenkinos daraus aufgenommene These von der „Schönheit des Scheiterns“, doch, ja, das fand ich durchaus akzeptabel. Auch die ersten Figuren, die auf den nächsten Romanseiten erschienen, waren akzeptabel: Magali, eine Mutter von zwei Kindern, die in dem französischen Ableger der Bibliothek der abgelehnten Manuskripte anheuert, weil sie dringend einen Job braucht und Jean-Pierre Gourvec, ein stolzer, verschlossener Mann, der diese Bibliothek in Finistère, also an einem der zahlreichen Enden der Welt aufgebaut, hat. Im zweiten Teil, d.h. ab Seite 25, tauchen die wahren Helden des Romans auf, Delphine Despero, besagte Lektorin mit goldener Nase, und Frédéric Kosakas, ein mittelloser, unbekannter Schriftsteller, natürlich jung und schön, dessen Erstlingswerk von Delphine angenommen wird und dessen hübschen Körper samt Innenleben sie ebenso mühelos erst in ihr Bett und dann in ihr Leben lotst. Happy End auf Seite 32. Nein, nicht ganz, das Buch des hübschen Schriftstellers wird ein Flop. Delphine und Frédéric fahren in die Bretagne, um bei den Eltern Despero ihren Urlaub zu verbringen. Hier fängt die Geschichte noch einmal an, denn Finstère ist nicht weit, und es dauert nicht lange, bis sie dort ein ungelesenes Manuskript finden, das alle Erwartungen an einen Bestseller sprengt. Tatsächlich wird das Buch ein Hit. Delphine arbeitet Tag und Nacht an ihrem Erfolg, Frédéric wird immer blasser, er quält sich mit einem zweiten Roman, ohne wirklich weiter zu kommen. Es sieht ganz danach aus, dass die wundervolle, geradezu perfekte Romanze von den beiden ungewollt an die Wand gefahren wird. Allmählich verlagert sich das Interesse auf den unbekannten und auch schon verstorbenen Autor des brandneuen Bestsellers, den Herrn aus dem Buchtitel: Monsieur Pick. Und ab jetzt ist die Geschichte eine Art Krimi, die einmal nicht dem Mörder, sondern einem vollkommen unscheinbaren Pizzabäcker auf die Spur seiner – offenbar heimlichen – Schreiberei zu kommen sucht. Nun? Klickerts im Kopf? Auf Seite 175 habe ich das Rätsel gelöst, und jede Motivation, auch nur einen Satz weiterzulesen, erlosch. Warum? Ich glaube Foenkinos kein Wort. Nicht, weil die Geschichte konstruiert ist. Sondern weil er diese Geschichte wie eine abzuarbeitende To-Do-Liste herunter formuliert. Natürlich: reizende Details, kluge Beobachtungen, Schönes übers Scheitern. Aber – das ist leider richtig schlecht geschrieben. Zugegeben, ich habe das Buch in deutscher Übersetzung gelesen. Doch glaube ich kaum, dass hier ein Missgeschick passiert ist. Jede einzelne Passage ist im leichten Duktus runtergeschrieben, was an sich ja kein Manko sein muss. Aber wenigstens eine Überarbeitung erwarte ich dann doch, denn ein Buch, das im Belletristik-Segment erscheint, dazu in der Deutschen Verlags-Anstalt, hat einen höheren Anspruch als ein flott geschriebenes Drehbuch für einen hübschen Samstag-Nachmittag-Film. Dazu stören mich die von Foekinos verwendeten Fußnoten gewaltig: Was bloß will er uns damit sagen? Ein Verweis darauf, dass auch labbrig geschriebene Romantexte mit ebenso labbrig geschriebenen Fußnoten gleich seriöser aussehen? Dass jede/r Fußnoten verwenden kann, nicht nur Wissenschaftler/innen? Nein! Das haut beides nicht hin. Denn Foenkinos steckt in die Fußnoten Informationen, die er nicht im Text unterbringen kann. Und das ist genauso schlimm wie die Verwendung von Klammern, wenn Autor/innen zu bequem sind, eine flüssige Satzfolge für komplexe Zusammenhänge zu finden. „Von diesem gedanklichen Streifzug (Fußnote Nr. 5) kehrte Frédéric in die Gegenwart zurück: „Hast du es denn nicht satt, so viele Manuskripte zu lesen?“, fragte Fabienne ihre Tochter. „Nein, ich mach das total gern. Aber stimmt, in letzter Zeit bin ich des Ganzen doch etwas müde geworden. Ich hab auch nichts sonderlich aufregendes gelesen.“ (S. 45) Diesen Absatz habe ich eben aufgeschlagen und ohne weiter zu suchen, als Beispiel für die unterirdische Sprache abgeschrieben. Ich kenne die Debatten um schlechte wörtliche Rede, die eben das Authentische, das Deprimierende der tristen Gegenwart in die Literatur holen soll. Aber wir haben es hier keineswegs mit trister Gegenwart zu tun: wir sitzen im sonnigen Sommerfrankreich am Tisch gut situierter und durchaus denkfähiger Menschen, tja, und dann das. Die Fußnote Nr. 5 will ich auch niemandem vorenthalten, sie lautet: „Wie lange hatte er sich aus dem Gespräch ausgeklinkt? Wer vermochte das zu sagen? Der Mensch verfügt über die einzigartige Fähigkeit, immerzu mit dem Kopf zu nicken, so zu tun, als würde er der Unterhaltung folgen, und dabei doch an etwas vollkommen anderes zu denken. Daher braucht man nie zu glauben, im Blick des anderen lesen zu können.“ (ebd.) Mal davon abgesehen, dass Kopfnicken nicht im Blick des anderen stattfindet – braucht es diese Fußnote für irgendetwas? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, ich mach das total ungern, solche unpräzise formulierten Sätze weiterzulesen. Ich mag durchaus plüschige Romane, Unterhaltung, Spannung, Nettigkeiten. Nicht jedes Buch, das ich in die Hand nehme, muss literarischen Ansprüchen genügen. Im Gegenteil. Deshalb lese ich auch so gerne Kochbücher. Nein. Im Ernst: Wer unsauber schreibt, egal in welchem Genre, fliegt aus meinen Regalen raus. Ein Mensch mit einem begrenzten Wortschatz kann mit präzisen Beobachtungen und ebenso genauer Formulierung bessere Ergebnisse erzielen, als ein schnellschreibender Profi. Von letzteren gibt es leider schon viel zu viele. Deshalb stecke ich meine Nase jetzt so schnell wie möglich in eine neues Buch, in der Hoffnung, auch mal einen Schatz zu heben. Ich danke Random-House für das Rezensionsexemplar.

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