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Rezension zu
Unterleuten

[Kurzrezension] Unterleuten von Juli Zeh

Von: Saskia
20.08.2017

DIE BEWERTUNG Meinung: Mit beeindruckendem Detailreichtum erzählt die Autorin amüsant und sehr komplex von den Eigenheiten der menschlichen Psyche! Kurzrezension: Als bekennende Juli Zeh Verehrerin war dieser Roman ein Fest, aber auch gleichzeitig sehr herausfordernd für mich. Dieser Roman wird oft als Gesellschaftsroman verstanden, aber ich finde, er ist gleichzeitig mehr und weniger davon. Dieser Roman zeigt nicht nur gegenwärtige gesellschaftliche Brüche auf, sondern viel mehr die Grundzüge aller menschlicher Existenz. Das Cover ist sehr zurückhaltend gestaltet, nur ein Vogel ist zu sehen, während dem Namen der Autorin sowie dem Titel deutlich mehr Präsenz zukommt. Der Vogel ist eine Andeutung auf den Vogelschutzbund, der Titel wird in Großbuchstaben auf zwei Zeilen präsentiert. Hier lässt sich noch nicht erkennen, ob es sich um zwei oder nur ein Wort handelt. Dass es um ein zusammengesetztes Wort und ein Dorf geht, kann der unwissende Leser erst auf den ersten Seiten des Buches erfahren. Unglaublich beeindruckend an dem Buch ist, wie Juli Zeh es schafft, ihre Figuren so lebendig sein und agieren zu lassen. Alle Protagonisten der Handlung haben Geheimnisse, die sie verstecken, Probleme, die sie nicht wahrhaben wollen und Schwierigkeiten, die an die Oberfläche gelangen, als der Konflikt im Dorf Gestalt in Form von einem erst entstehenden Windpark annimmt. Zeh stellt die brachiale Gewalt der Emotionen in den Raum, sodass von Beginn an klar ist, es muss auf eine gewalttätige Eskalation folgen. Und der Leser wird dabei nicht enttäuscht. Das Buch ist sehr überlegt aufgebaut und die einzelnen Kapitel sowie die Perspektivwechsel tragen dazu bei, dass die schwelenden Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden können. Wie auf dem Seziertisch verfolgt man die Figuren mit ihren eigennützigen Plänen und ahnt bereits, wie diese Egozentrik Unterleuten zum Untergang verdammt. Die Perspektivwechsel sind die Grundlage für die unglaubliche Sogwirkung des Romans. Je mehr Personen für sich sprechen, desto interessanter wird die Handlung. Es ist wie ein Puzzle, welches der Leser zusammensetzen soll. Gleichzeitig spielen diese Perspektivwechsel mit den Erwartungen des Lesers. An einigen Stellen erfährt er, etwas Wichtiges, wenn eine Figur spricht, an anderer Stelle, wenn sie nicht mehr spricht und „abgeht“, wird ihm Wissen verweigert. Trotz der auktorialen Erzählerin, die erst zum Ende hin als Figur eingeführt wird und somit als Chronistin der Handlung dient, sind die einzelnen Perspektiven extrem subjektiv. Dadurch werden in dem als großen Gesellschaftsroman weniger Fragen beantwortet als aufgeworfen. Zudem spielt der Roman mit den Grenzen von Imagination und Realität, denn all unsere Handlungen gründen schließlich auf Imagination, wie all die Figuren im Roman beweisen. Sprachlich gesehen bleibt Unterleuten eher hinter Zehs anderen Werken zurück. Das liegt vor allem an dem schnellen Tempo des Geschehens und der Sätze selbst. Alles ist auf den überspitzten Konflikt hin komponiert, die Sprache ist glatt und liest sich schnell und ohne Stolperfallen. Sie ist so gut durchkomponiert, dass es immer weitergehen muss bis zum unweigerlichen Cliffhänger des Kapitels. Ein Spiel mit realer Lesezeit und imaginierter Zeitwahrnehmung im Handlungsgeschehen. Um das Ganze noch auf die Spitze zu treiben, entstand eine Homepage, die sich mit genau dem Thema Metafiktion beschäftigt. Hier werden der Roman, das Dorf und die Menschen darin vorgestellt. Zudem gibt es echte Internetadressen der Buchinhalte wie beispielsweise der Internetauftritt des Vogelschutzbunds aus Unterleuten. Ein Phänomen, welches nicht so häufig bei Gesellschaftsromanen oder belletristischen, dafür aber bei publikumswirksamen Büchern umso verbreiteter ist. Hier spiegelt sich die Realität in der Fiktion und umgekehrt. Wessen Egozentrik liegt dann eigentlich auf dem Seziertisch? Fazit: „Unterleuten“ zu lesen macht trotz der schnelllebigen Sprache richtig Spaß. Gleichzeitig bringt es den Leser zum Nachdenken und versucht ihn zu fragen, was die wichtigen Dinge und Fragen im Leben sind. Denn Zeh zeigt sehr offen durch ihre handelnden Figuren, wie unsere Zeit, unsere Gesellschaft gestrickt ist. Ein Lesevergnügen, das 4,5/5,0 Punkten verdient. An dieser Stelle bedanke ich mich bei der Verlagsgruppe Random House, für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

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