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Rezension zu
Mordkapelle

Ein Toter im Rollstuhl – und Familienverhältnisse wie bei „Dallas“

Von: Edith N.
18.07.2017

Bad Oynhausen, Ostwestfalen: Auch wenn Lokalreporterin Ira Wittekind, 55, erst seit ein paar Jahren wieder hier lebt, ist sie bestens vernetzt. Wie das eben so ist, wenn man an einem Ort aufgewachsen ist und an jeder Ecke noch jemanden „von früher“ kennt. Daran ändert auch eine jahrzehntelange Abwesenheit nichts. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Ira noch vor allen anderen Pressevertretern von einem grausigen Mordfall erfährt: In der brennenden Friedhofskapelle sitzt ein Toter im Rollstuhl. Jemand hat den Mann niedergeschlagen und angezündet. Um wen es sich bei dem Toten handelt, ist schnell klar: um den Apotheker Ludwig Hahnwald. Auch wenn er schon fast 80 war, war er immer noch eine imposante Erscheinung und machte seinem Spitznamen „der schöne Ludwig“ alle Ehre. Er war beliebt, galt als freundlich und charmant, und niemand kann sich erklären, wer Grund gehabt hätte, dem alten Herrn so etwas Schreckliches anzutun. Erst soll Ira für ihre Zeitung nur einen Nachruf auf den Ermordeten schreiben. Doch auf einmal hat sie so viel Material, dass es für eine ganze Serie reicht. Hinter den Kulissen der Hahnwald-Villa war nicht alles so harmonisch, wie es nach außen hin schien. Allein schon die Familienverhältnisse sind kompliziert. Drei (Ex-)Ehefrauen, Kinder, Schwiegerkinder, Enkel ... die einander nicht unbedingt grün sind. Sophie und Frieda Weyer, die betagten Tanten von Ira Wittekinds Lebensgefährten Andy, steuern noch eine interessante Information bei: In den 1960er-Jahren soll Ludwig ein junges Mädchen namens Rosie adoptiert und nach einem skandalösen Vorkommnis ein paar Jahre später wieder verstoßen haben. Die Tanten deuten an, dass das Verhältnis von Ludwig zu seiner angenommenen Tochter nicht unbedingt väterlicher Natur gewesen sei. Motiv und Täter sind also mit hoher Wahrscheinlichkeit im familiären Umfeld zu suchen. Ira forscht nach und stößt auf einen Sumpf von unklaren Verhältnissen, grenzkriminellen Manipulationen und Mauscheleien, Kränkungen, Lügen und Familiengeheimnissen. Irgendjemanden muss sie mit ihren Recherchen so nervös machen, dass er/sie sich nun aufs Drohen verlegt. Bei Telefonterror und Sachbeschädigung bleibt es jedoch nicht. Ehe Ira es sich versieht, schweben sie und ihre Angehörigen in tödlicher Gefahr ... Je genauer die Lokalreporterin hinsieht, desto mehr Leute findet sie, die allen Grund gehabt haben, den schönen Ludwig zum Teufel zu schicken. Wer’s von denen dann wirklich war, ist eigentlich gar nicht so wichtig. Man will nur, dass der Täter so schnell wie möglich aus dem Verkehr gezogen wird, damit Ira und ihre Leute aus der Gefahrenzone kommen und wieder ruhig schlafen können. Ich bin sicher, die Autorin hätte uns auch jede/n anderen der Verdächtigen glaubwürdig als Täter/In verkaufen können. Spannend und hochinteressant ist vor allem das Stochern in Ludwigs Vergangenheit. Was geschah wirklich mit der Adoptivtochter und welche Auswirkungen hatte das auf die Beteiligten? Es gibt eben Erlebnisse, die man auch nach vierzig Jahren nicht einfach abhaken und vergessen kann. Einen amüsanten Kontrast zu den düsteren Familiengeheimnissen der Hahnwalds bieten Nebenfiguren wie Andys trinkfeste Tanten, die von Ira immer auf dem Laufenden gehalten werden wollen und alle Erkenntnisse und Ereignisse herrlich unverblümt kommentieren. Iras Jugendfreundin, die raubeinige Taxifahrerin Coco, steht den beiden in punkto deutlicher Wortwahl in nichts nach. Diese Damen sorgen für die befreiende Komik in der Geschichte. Ihre Dialoge klingen wunderbar authentisch. Man merkt schon, dass MORDKAPELLE der vierte Band einer Reihe ist. Die Bände 1 bis 3 sind bereits 2013 – 2015 im Selfpublishing erschienen und werden nach und nach von Heyne neu verlegt. Natürlich versteht man den Inhalt des vorliegenden Krimis auch ohne Kenntnis der vorangegangenen Bände, aber es ist klar, dass die Personen in dem Roman eine lange gemeinsame Geschichte verbindet, die man als Quereinsteiger nur andeutungsweise mitkriegt. Diese Wissenslücken werden sich vermutlich schließen, wenn man die Reihe komplett gelesen hat – was ich gerne tun werde.

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