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Rezension zu
Das große Wimmelbuch der Kunst

Geschichte der Kunst im Bild - grandios ab dem Grundschulalter

Von: artTEXTart
01.04.2017

Das große Wimmelbuch der Kunst (Werbelink) von Susanne Rebscher und Annabelle von Sperber hat sich vorgenommen eine Geschichte der Kunst zu erzählen, und das nur im Bild. Wow! Das Format ist mit etwas größer als A3 zwar riesig aber dennoch ist das Buch dünn, im Vergleich zu Gombert Geschichte der Kunstgeschichte zumindest, dem Klassiker dieses Themas. Hier allerdings andere Zielgruppe – oder für wen ist wohl ein Bilderbuch, ein Wimmelbuch? Angegeben ist es ab 4 Jahren. Die Altersgruppe für konventionelle Wimmelbücher, wie beispielsweise für die Klassiker von Ali Migutsch(Werbelink), liegt bei ab 24 Monate. Dennoch ein Kinderbuch. Super, Wissen in Bildform vermitteln, das passt schon einmal vom Ansatz. Bereits der Vorsatz des Buches macht Freude: Wie eine Wachskratztechnik sind einzelne Motive des gesamtes Buches dargestellt. Es wimmelt, es wirkt undeutlich, wie ein Rätsel. Da reihen sich ägyptische Ibisse neben Botticellis Venus und werden von Leonardos Flugapparaten und spannenden, nicht direkt zu zu ordnenden Szenen umrandet. Das Buch selbst ist chronologisch aufgebaut, so dass es sich eignet, um einen gewissen historischen Ablauf der Kunstentstehung besprechen zu können. Da es sich allerdings um ein reines Bilderbuch handelt, das lediglich Impulssätze (einen je Doppelseite) vorgibt, ist es kein Lehrbuch, sondern ein schönes, buntes Kinderbuch, das ganz nebenbei in eine aufregende Geschichte der Welt (und Kunstgeschichte) entführt. Malst du auch so gerne Tiere? Diese Frage leitet auf das steinzeitliche Bild des Buches ein. Die Menschen leben in einer Höhle, die in zwei Bereiche gegliedert ist. Während der eine Teil Höhlenmalerei zeigt, ist der andere als der Aufenthalsraum der Menschen gekennzeichnet. Die Menschen gehen in diesem handwerklichen Tätigkeiten nach. Bei deutlichem Hinsehen wird klar, dass hier Materialien pulverisiert werden, später zu Farben aufgekocht werden und Vorbereitungen für die Technik der Höhlenmalerei getroffen werden. Dazwischen finden sich alltäglich Szenen: Kinder lernen laufen, werden von ihren Mamas getragen, es wird gespielt und sich unterhalten. Das Leben wirkt quirlig. Demgegenüber steht der kultische Höhlenbereich, in dem mit Fingern Farbe aufgetragen wird aber auch Farbe mit Röhren gepustet wird, um Handabdrücke als Negativabdrücke zu hinterlassen. Im Vordergrund schnitten Menschen Tierfiguren, rundliche Frauengestalten und andere kultische Gegenstände. Die Darstellungen sind sehr präzise, es wird auf verschiedene Arten von Höhlenmalerei eingegangen und ich bin überrascht wie viele recht junge wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Bild verarbeitet sind. Die Hände, als erste Graffitis der Menschheitsgeschichte, sind eine gänzlich andere Technik als die mit Stäbchen, Tierhaaren oder Fingern aufgemalten Jagdszenen. Erst 1994 wurde die Chauvet Höhle in Südfrankreich entdeckt. Sie galt bis vor Kurzem als einer der ältesten Orte steinzeitlicher Höhlenmalerei und zeigt all diese Zeichnungen, die sich hier im Buch finden. Die überwiegend mit Holzkohle und Ocker angefertigten Wandmalereien sind etwa 35.000 Jahre alt. Spannend ist, das im Wimmelbuch dargestellt wird wie eine Frau ihre Hände an die Wand hält, um einen Abdruck ihrer Hand abzubilden. Dafür pustet ein Mann Farbe durch ein Röhrchen, etwa einen Strohhalm. Der amerikanische Forscher Dean Snow untersuchte 2013 Höhlen in Spanien und Südfrankreich und fand heraus, dass tatsächlich 75% aller Handabdrücke in steinzeitlichen Höhlen von Frauen stammen. Auch wenn diese Erkenntnis noch nicht völlig ausgewertet ist, ist toll zu sehen, dass dieser aktuelle Ansatz hier aufgegriffen und bildnerisch verarbeitet wurde. Oberhalb der Höhlenszene ist eine Jagdszene dargestellt. Steinzeitliche Menschen jagen eine Herde Mammuts mit Speeren. Ringsum finden sich weitere Wildtiere dieser Zeit. In einer Art Jurte tanzen Frauen zu Flötenmusik, Fleisch wird über einem Feuer gebraten, ein Mädchen geht mit einem Körbchen Essen sammeln und viele andere Menschen tragen Alltagsgegenstände herbei, die in der Natur gefunden wurden und weiterverarbeitet werden. Diese Szene lässt sich gut mit den, in der Wandmalerei dargestellten Szenen vergleichen und liefert zahlreiche Anknüpfungspunkte, um über die vielschichtige und doch einfache Lebenswelt der Steinzeit zu sprechen. Über die Hochkulturen zur klassischen Kunstgeschichte Auf diese bildnerische Erzählung der steinzeitlichen Lebenswelt als Ursprung unserer Kultur folgen drei Bilder der Hochkulturen: Ägypten, Griechen, Römer. Mit Szenen aus dem Alltag, der Kunst, der großen Architekturen aber auch der jeweils eigenen Schriften und Götterwelten sind diese Bilder ein toller Ausgang, um mehr über diese vergangenen Kulturen zu erfahren, die die Wiege unserer heutigen Kulturgesellschaft bilden (besonders die der Griechen und Römer). Dem Mittelalter und damit der Romanik und Gotik ist ein Bild gewidmet, bei dem es um Bildgeschichten an den Wänden geht. Dargestellt ist eine romanische Basilika mit einfachen Rundbögen und Gewölben. In ihren Arkadengängen findet das klösterliche Leben statt. Mönche sind mit Büchern dargestellt, die prachtvolle Illustrationen und auffällige Initialien enthalten. Zwischen en Mönchen befinden sich vereinzelte Edelfrauen und Edelmänner in kostbaren Gewändern, die Stifter. Aber auch eine Szene mit Rittern findet sich, bei der ein Ritter in melancholischer Position sitzt und von anderen verlacht wird. Vielleicht ein kleiner Hinweis auf den Minnesang. Das auffälligste dieses Bildes sind die Gewölbemalereien, die sich in der angedeuteten Vierungskuppel und in den Kreuzgängen und Arkadengängen des Klosters befinden. Typische Ikonografien zeigen biblische Szenen und Motive des Alltagslebens der Mönche. Darauf folgt die Zeit der Renaissance. Bei diesem Bild gibt es zahlreiche Skizzen bekannter Werke der Kunstgeschichte. Sie wirken stark vereinfacht, geradezu comicartig aber wer diese Werke kennt wird sie zweifelsfrei sofort erkennen. Das Bild ist auch ohne dieses Hintergrundwissen spannend. Es zeigt wie sich das Alltagsleben dank neuer Wissenschaftsmethoden, Forschungen und Entdeckungen verändert hat und vor allem welche neuen Kunsttechniken entstehen: Auftragsporträts, technische Zeichnungen, Proportionsskizzen, wissenschaftliche Abhandlungen aus Wort und Zeichnung. Es wird dunkel und wir machen Licht Dieser Satz überschreibt die nächste Seite. Er irritiert mich. Bisher lief alles weitgehend chronologisch, eher an historischen Momenten orientiert, denn an künstlerischen Epochen. Oder hing das bisher nur einfach untrennbarer zusammen? Die Niederländer und das Spiel mit Licht in Schatten, wie bei Vermeer und Rembrandt sind Thema des Bildes. Erstmals ist die Szene auch lokalisiert, im Hintergrund verweist die flache Landschaft und die Windmühle auf die Niederlande. Die dargestellte Altstadt mit ihren engen Häusern und Treppengiebeln wirkt ebenfalls niederländisch. Darauf folgt ein Bild, das ebenfalls mit der chronologischen Reihenfolge bricht. Es zeigt den Louvre, oder zumindest eine Gemäldegalerie. Die Bilder sind in enger Petersburger Hängung gezeigt, das heißt sie engen „wimmlig“, eng auf eng, kaum mehr Wandfläche ist zu erahnen. Gezeigt sind Bilder und Skulpturen, die bereits auf den Seiten zuvor auftauchten aber auch einige andere aus den vorausgegangenen Epochen. Der Impuls „Erinnerst du dich? Hier entdeckst du alte Freunde wieder?“ regt zum Suchen an. Anschließend folgt der Impressionismus. „Findest du alle Maler im Blumenmeer?“ regt dazu an nach Abgrenzungen im Bild zu suchen: Afu den ersten Blick wirkt das Bild einheitlich und stimmig. Die Malstile der Künstler wurden dafür leicht angepasst, dennoch ist ihre eigene Handschrift noch immer erkennbar. Kleinere Kinder suchen hier Maler, die sich durch Pinsel und Leinwände verraten, Größere Kinder suchen die konkreten Künstler wir van Gogh, Monet, Manet, Renoir, Seurat oder Merritt Chase. Darauf folgt ein Bild für den Expressionismus. Toll, dass hier nicht nur Macke und Marc Beachtung fanden, sondern auch „der russische Rembrandt“ Marianne von Werefkin. Darauf folgt eine Seite, die sich thematisch mit Bauhaus und Werkbund beschäftigt. Diese ist in Rechtecke unterteilt, ähnlich den Bildkompositionen Theo van Doesburgs. Dadurch schwindet etwas der Wimmelbucheffekt und das Bild überrascht zunächst. Bei den kleineren Kindern wird es wohl eher nicht die Lieblingsseite werden, weil es kaum einen Erzählfluss aufweist – gerade im Vergleich zur steinzeitlichen Szene, die deutlich homogener ist. Für größere Kinder, die bereits einiges an Vorwissen haben und schon einige Ausstellungen besucht haben, ist dies aber eine tolle Seite, die den Kunstbegriff weitet: Von der bisherigen Begrenzung auf Skulptur und Malerei wird sich hier verabschiedet; Alltagsgegenstände werden zur Kunst, Spielzeug, Performances und Kompositionen. Die nächste und abschließende Seite knüpft daran an. Als Ideenfabrik der Kunst überschrieben zeigt sie Werke von Andy Warhol, Jackson Pollock, Niki de Saint Phalle, Claes Oldenburg oder auch Duane Hanson. Es ist mehr als löblich, dass die Kunstgeschichte dieses Wimmelbuches nicht mit dem Expressionnismus endet. Die Moderne Kunst ist schwierig im Bild darzustellen, da es sich eben oftmals nicht mehr um zweidimensionale Bilder handelt. Auch wenn die letzten beiden Seiten in ihrer inhaltlichen Tiefe für Kinder schwer zu erfassen sind, runden sie das Buch gut ab. Sicher bedarf es speziell für diese beiden Seiten den erklärenden Text, der sich anschließt und mit jeweils etwa einer halben Seite (auf dieses riesige Format gemessen entspricht das immerhin ca einer Din A4 Seite) auch recht umfassend informiert. Bilderbuch für größere Kleine und Große Dieses Wimmelbuch der Kunst hatte ich bereits schon einmal für Grundschulkinder empfohlen. Für jüngere Kinder ist das Buch durchaus zu nutzen, es kann – besonders die ersten Seiten – als reine Erzählung zur Geschichte der Menschen spielerisch angeschaut werden. Dennoch würde ich das Buch frühestens ab dem Grundschulalter empfehlen, auch wenn es sich um ein Bilderbuch mit offizieller Empfehlung ab 4 handelt. Durch die vielen visuellen Eindrücke und die damit verbundenen geballten Informationen sind schon Grundschulkinder stark gefordert. Kinder mit 4 werden aus meiner Sicht überfordert und verlieren schnell das Interesse. Es lohnt sich lieber noch 1-2 Jahre zu warten und dann mit wirklicher Neugier an der Thematik und einem gemeinsamen Entdecken belohnt zu werden. Gemeinsam ist ein wichtiges Stichwort! Das Buch ist kein Buch, um es allein anzuschauen. Es tauchen viele Fragen auf, die beantwortet werden wollen. Aber genau das ist die beste Methode um spielerisch Wissen zur Kunst zu vermitteln und vor allem weiteres Interesse zu wecken. Kinder, die schon einige Museen gesehen haben und einige der klassischen Kunstwerke kennen, werden in diesem Buch viel Freude haben, da sie viele Bekannte wiedertreffen und sich freuen, wenn sie diese Information teilen können. ​ Ich empfehle dieses Buch immer wieder gern, vor allem aufgrund seiner langen Relevanz. Ab dem Grundschulalter bis zum Teenageralter bietet das Buch immer wieder Anreiz es in die Hand zu nehmen und zu entdecken. Ob nach einem bestimmten schulischen Thema, das hier noch einmal visuell aufbereitet werden kann, oder vor einem Urlaub in Griechenland oder nach dem Museumsbuch. Das große Format macht es schwer das Buch mal schnell für unterwegs, den Urlaub usw einzupacken. Allerdings sind die detaillreichen Bilder nur so zu erkennen und das große Format eine super Wahl. Ebenso der sehr stabile Einband, der deutlich haltbarer ist als andere Papp-Wimmelbücher. Das Buch signalisiert schon mit seiner Größe, dass es Zeit möchte, um in Ruhe in die Hand genommen zu werden und in gemütlicher Umgebung – am besten auf Couch oder weichem Teppich – gemeinsam entdeckt zu werden.

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