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Rezension zu
Adolf total

Skurrile Abenteuer im gewohnten Moers-Stil, leider mit schwächelndem Film-Teil

Von: Nerd-Gedanken.de
16.02.2017

Die Gegenwart. Neonreklamen erhellen die Nacht und verkünden ihre Botschaften des Kommerz. Ein Gullydeckel schiebt sich beiseite und aus den Tiefen unter der Stadt klettert ein Mann an das Tageslicht, der vor mehr als fünfzig Jahren den zweiten Weltkrieg begonnen und dann verloren hat: Adolf Hitler. Benommen von den grellen Lichtern und der klaren, frischen Luft, die nicht durch die Schächte des Bunkers vorgefiltert wird, stolpert der ehemalige Führer in die Praxis des Dr. Furunkel und vertraut ihm seine existenziellen Sorgen an. Dr. Furunkel nutzt seine Beziehungen und verschafft Hitler einen Gastauftritt in Alfred Bioleks Kochshow, der allerdings schrecklich scheitert, als der Möchtegernkoch über seiner Grünkernsuppe feststellt, dass Biolek Jude ist und im Fernsehen eskaliert. Auch der Versuch, eine Beziehung zu einem Tamagotchi aufzubauen, stößt durch die Herkunft des japanischen Plastikspielzeugs schnell an ihre Grenzen. Als Hitler bei einem von Dr. Furukel verschriebenen Schäferstündchen auf der Reeperbahn schließlich noch auf einen alten Weggefährten seiner Kriegszeiten trifft und seine ersten Erfahrungen mit Crack macht, folgt der totale Absturz – doch Hitlers Odyssee durch die modernen und vergangenen Zeiten hat erst begonnen … Der 270 Seiten starke Comic von Walter Moers ist sicherlich nicht für jedermann etwas – denn die Art und Weise, wie das Thema ‚Adolf Hitler in moderner Zeit‘ behandelt wird, erfordert eine grundlegende Toleranz für verschiedenartigste Sexpraktiken, skurrile Gedankengänge und eine dermaßen abgedrehte Storyline, dass beim Lesen durchaus der ein oder andere WTF-Moment entsteht. Aber wenn man es gerne mal ein bisschen deftig und durchgedreht mag, dann ist die Mischung aus verrückten Ideen und Wortwitz sicher mehr als ein guter Lacher. Die seit 1997 erstmalig im Satire-Magazin TITANIC erschienenen Cartoons zu Adolf Hitlers Rückkehr in die moderne Welt folgen ganz der Maxime von Walter Moers: »Darf man sich über Nazis lustig machen? Nein, man muss!« Und das tut der Zeichner auch hemmungslos: was dem ehemaligen Führer so alles passiert, zieht ihn und die Parolen der Nazizeit dermaßen kräftig durch den Kakao, dass am Ende nur noch eine Witzfigur übrigbleibt, von der die ursprünglichen Parolen und Abneigungen nach und nach abgeschält wurden. Der Rest-Hitler ist dann eine gar nicht mal so unsympathische Person, die mit allerlei Problemen und Feinden aus der Vergangenheit konfrontiert wird und schließlich eine Art Happy Ending bekommt – natürlich auf die ziemlich kranke Art. Der Zeichenstil von Moers dürfte wohlbekannt sein – sehr comichaft reduzierte Gestalten, bei denen die riesigen Nasen das hervorstechendste Merkmal darstellen. An diesen Figuren dürften sich die Geister scheiden: während bei vielen Zeichnern Ästhetik ein wichtiges Ausdrucksmittel ist, ist die Optik hier ein der Story untergeordnetes Element. Man sieht den schwungvollen Strich des Zeichners gerade bei den Nasen deutlich, der vermuten lässt, dass Moers tatsächlich noch traditionell mit Pinseln und Tusche arbeitet anstelle feinteiligerer und weniger ausdrucksstarker Liner. Auch die handgeletterten Sprechblasen und Textboxen vermitteln den runden, urtümlichen Eindruck eines Produktes aus ‚einer Hand‘, der sich bis zum reduzierten Coloring durchzieht. Die klassische Panelstruktur zweier Abschnitte, die in zwei bis vier Einzelbilder unterteilt sind, wird nur selten aufgebrochen und lässt an manchen Stellen den Wunsch zurück, gerade bei sehr skurrilen Momenten dies auch durch die Bildstruktur gespiegelt zu sehen. Neben den Comicstrips im ersten Teil des Buches, welche die zwischen 1998 und 2006 in den Publikationen ‚Adolf – Äch bin wieder da‘, und ‚Äch bin schon wieder da‘ erschienen sind, folgt ab Seite 149 »Adolf – Der Bonker« mit einem illustrierten Theaterstück in drei Akten, bei dem der Fokus eindeutig auf die Texte gelegt wurde und den gewohnten Wortwitz mit einen bunten Reigen seltsamer Protagonisten hervorbringt. Der letzte Teil umfasst ab Seite 228 die Storyboards, 3D-Bilder und Hintergrundinformationen zum lange geplanten, aber nie verwirklichten ‚Adolf‘-3D-Film, die dem computeranimierten YouTube-Clickhit »Ich hock in meinem Bonker« folgten. Auch wenn der Einblick in die Profuktion interessant gestaltet ist, war dies der für mich am wenigsten interessante Teil, da nur Bruchstücke zu sehen sind, die nicht abgeschlossen wurden und damit in der Luft hängen. Die ganze Filmstory, auch wenn die einzelnen Teile des Boards den erhofften Witz zeigen, wird dem Leser wohl bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich ein Produzent an Moers‘ Adolf-Variante herantraut, vorenthalten bleiben und hinterlässt damit ein unbefriedigendes Gefühl, da nicht abzusehen ist, ob das jemals passiert. Ob man Unfertiges in eine ansonsten gelungene Publikation packen muss, ist eine schwierige Entscheidung, immerhin erhebt das Buch den Anspruch, alles über Moers Adolf gesammelt zu bieten - dennoch, als Verantwortlicher hätte ich mich wohl dagegen entschieden, um Leser-Frust zu vermeiden. Für echte Fans ein Muss-Kauf, man kann sich aber auch als Nichtfan gut über Adolfs mannigfaltige Abenteuer amüsieren, dafür ist die Story auf jeden Fall abwechslungsreich genug. Vielleicht ist es gerade in der heutigen Zeit besonders wichtig, dass man sich der allgegenwärtigen, zunehmend radikalisierten Thematik auf die humoristische Weise nähert – dafür war Moers der Zeit wieder um einiges voraus. Fazit: Sehr witziger erster Teil des Comic-Bandes mit schwächelndem Filmeinblick in gewohnter Moers-Optik und skurrilem Humor. Vier von fünf möglichen Punkten.

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