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Rezension zu
Straight White Male

Hinreißendes Vokabular

Von: Thomas Lawall
02.01.2017

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Welches ist wohl das kleinere Übel, sechs Tage Knast oder, noch schlimmer, eine Therapie vielleicht? Kennedy Marr, erfolgreicher Romanautor aus Irland, wählte den schwierigeren Weg und bereut es immer wieder aufs Neue, sich nicht für das Gefängnis entschieden zu haben. Somit muss er sich mit dem "Seelenklempner" herumschlagen - was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht. Doch das sind bei weitem nicht die einzigen Probleme, die Kennedy Marr plagen, der als Drehbuchautor in Hollywood Fuß fassen konnte. Mit derlei Beschäftigungen lässt sich viel Geld verdienen, zumindest wenn den jeweiligen Aufträgen, die allesamt terminlich gebunden sind, auch nachgekommen wird. Die Zuverlässigkeit des Erfolgsverwöhnten lässt jedoch Wünsche offen, was im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen erhebliche Kosten zu verursachen droht. Wenn dann noch die Kosten für den Lebenswandel des Autors die Einnahmen bei weitem übertreffen, sind gewisse Komplikationen vorprogrammiert. Doch damit nicht genug, denn private Verpflichtungen, zwei Ex-Frauen der nicht gerade preiswerten Sorte, nagen ebenfalls an seinem sehr bald nicht mehr vorhandenen Vermögen. Nicht zuletzt setzen ihm auch seine zahlreichen Affären zu, und das nicht nur in finanzieller Hinsicht. John Niven stellt uns die Figur eines Schriftstellers vor, der in seiner eigenen Dekadenz zu scheitern droht. Dies jedenfalls prognostizieren ihm sein Manager, sein Agent sowie Vermögens- und Rechtsberater. Deren pragmatische Erwägungen prallen jedoch zunächst auf eine Mauer aus arroganter Gleichgültigkeit. Schließlich gibt es Wichtigeres im Leben. Die Breitseite gegen den Literaturbetrieb und die Filmindustrie skizziert John Niven mit einer spitzfindigen Lässigkeit, die einem die gelegentlich entstehenden tiefen Sorgenfalten mit ebenso spontanen wie unerwarteten Lachsalven wieder glattbügeln. Herrlich, wie sich seine Hauptfigur, einem Überschuss an Testosteron nicht abgeneigt, in immer neue Affären stürzt. Verwunderlich, dass nicht wenige seiner Angebeteten jeweils immer zu allem bereit waren und sind. Seine Ehefrauen ausgenommen. Mitunter ergibt sich aus dem Vollzug der Liebschaften urkomische Situationskomik, die der Autor mit hinreißendem Vokabular wahrhaft bildlich in Szene setzt. Als Beispiele seien hier eine zum eigenen Vergnügen veranstaltete Internetsession mit drei geöffneten Fenstern erwähnt, die zu einem ebenso unerwarteten wie hohen Sachschaden führt, oder jener Seitensprung, der auf der ganz und gar falschen Hochzeit stattfindet! John Niven kann aber auch ganz anders. Das ganz große Theater zaubert er eher in stillen Momenten der Einkehr, dann, wenn Kennedy sein Leben Revue passieren lässt und die Dinge, die ihm verhasst sind, Zuhören oder gar Familienleben, kurz im Licht des Erstrebenswerten aufblitzen. Große Momente entstehen auch, wenn er in Rückblenden die tragische Existenz seiner Schwester "Gerry" Geraldine reflektiert und ganz aktuell beim Gespräch mit seiner im Sterben liegenden Mutter, jenem Besuch, den er nach zahlreichen Absagen endlich wagt. Man kann diesen literarischen Rundumschlag gegen alles und jeden, auch gegen sich selbst, aber auch gegen falsch verstandene Männlichkeit ganz allgemein, mögen oder man hasst ihn einfach. Herzerfrischender Sarkasmus ist eben nur gut verträglich, wenn man es zulassen kann, mitunter selbst ein paar Federn zu lassen. Faszinierend, wie sich das Lesetempo mit fortschreitender Lektüre von "Straight White Male" immer mehr verlangsamt und einem wahrhaftigen Genuss weicht, verbunden mit der verzweifelten Hoffnung, dass dieses Buch niemals enden möge! In gewisser Weise geht dieser Wunsch sogar in Erfüllung. Ambivalent, emotional, dekadent, tränenreich und ein großer Spaß zugleich.

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