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Rezension zu
HERKUNFT

Der Drachenhort

Von: Hans Neumann aus Hamburg
21.02.2021

Wie alle anderen Leser auf diesen Seiten bin ich begeistert von dem Buch. Nur mit dem Schlusskapitel „Der Drachenhort“ (S.289) hatte ich - wie die meisten älteren Leser, die keine Erfahrung mit interaktiven Computerspielen haben, -meine Schwierigkeiten. Erst als ich mir die Mühe machte, das Kapitel noch einmal zu lesen, dabei allen Filiationen brav zu folgen und sie schriftlich festzuhalten, glaubte ich den tieferen Sinn dieser Erzählstruktur zu verstehen. Es geht ja im Großen und Ganzen um zwei Handlungsstränge: In dem einen bleibt man näher am realen Leben der dementen Großmutter, man macht kleine Wanderungen durchs Heim. imaginiert gemeinsam Autofahrten, erlebt oder erinnert vergangene, auch mysteriöse Erlebnisse, kommt aber immer wieder vergleichsweise schnell an das „Ende“, das Sterben der Großmutter im Heim! Der andere Erzählstrang holt weiter aus: Großmutter und Enkel begeben sich auf eine abenteuerliche Reise, sie suchen Bekannte von früher auf, reiten auf den Vijirac, überstehen Gefahren und Versuchungen, begegnen dem mythischen Drachenhort, erreichen ihr eigentliches Ziel, das Totenreich des Großvaters, erbitten und erhalten seine Rückkehr für 48 Stunden und verbringen noch einige glückliche Stunden im Heim. Es besteht kein Zweifel, dass hier Fiktives vorgetragen wird, dass Enkel und Großmutter sich auf eine Fantasiereise einlassen, dass überlegt wird, ob man nicht doch abbrechen und ins Heim zurückkehren solle (S.331). Der Autor aber hört nicht auf zu erzählen, auch nach dem realen Tod der Großmutter nicht, er gönnt ihr post mortem noch die Wiederbegegnung mit ihrem Pero und das Glück, mit Mann und Enkel gemeinsam Kindheitserinnerungen von Sascha auszutauschen. Der tiefere Sinn der interaktiven Erzählstruktur wird klar, wenn man sich erinnert, dass an mehreren Stellen, z.B. gleich zu Anfang auf S. 293 der Leser sich an Saschas Stelle entscheiden soll, ob er lügen oder die Wahrheit sagen willl. Wenn man weiß, dass demente Menschen oft sehr empfindlich reagieren auf nicht authentisches Verhalten,auf leichtfertiges Beschönigen oder Lügen, ist man überrascht, dass man als Enkel mit der Wahrheit den desillusionierenden Rückweg ins Heim antritt, mit der Lüge dagegen, man sei der längst verstorbene Pero, die Tür öffnet zu den mysteriösen Wunschträumen Kristinas und den literarisch ausgearbeiteten Fantasieerzählungen Saschas. Mehr Klarheit in der Frage nach den Mischungen von Realität und Fiktion, von Wahrheit und Lüge, von Erinnerungen und Fantasie brauche ich nicht. Meiner Ansicht nach hebt sich allerdings - spätestens! - durch dieses Schlusskapitel des Romans „Herkunft“ aus der fast unüberschaubaren Reihe autobiografischer Romane heraus als modernes literarisches Meisterwerk. HN 21.2.2021

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