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Rezension zu
Die Unvollkommenheit der Liebe

Eine uneingeschränkte Leseempfehlung

Von: Annika
09.10.2016

Die Geschichte wird aus der Sicht von der inzwischen sich in den mittleren Jahren befindenden Lucy Barton erzählt und spielt hauptsächlich in dem New York der achtziger Jahre. Sie geht zu der Zeit zurück, in der sie als junge Mutter einige Wochen im Krankenhaus liegt. Sie beschreibt die Sehnsucht nach ihren beiden kleinen Töchtern und dem schlechten Gewissen, momentan nicht für sie und ihren Ehemann da sein zu können. Dieser hat für sie ein Einzelzimmer besorgt, damit sie sich in Ruhe erholen kann. Der Grund für ihre Krankheit und ihre spätere Gesundung ist unbekannt, sie leidet unter Fieber und kann kaum Nahrung bei sich behalten. Eines Tages sitzt ihre Mutter, zu der sie schon länger keinen Kontakt hatte, an ihrem Bett, Lucys Ehemann hat sie gebeten, ihrer Tochter beizustehen. Langsam beginnt Lucy, dem Leser ihre Vergangenheit zu offenbaren. Sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen Ort in Illinois, sie und ihre beiden Geschwister wurden gemieden und gehänselt, das Verhältnis zu den Eltern war distanziert und von wenig Liebe geprägt. Das Mädchen verbringt so viel Zeit wie möglich in den Schulräumen, da es da im Gegensatz zu ihrem Elternhaus beheizt und ruhig ist. Dort macht sie gewissenhaft ihre Schulaufgaben und liest. Die Bücher geben ihr etwas, was sie zu Hause nicht hat. „Ich fühle mich weniger einsam durch sie. Darum geht es mir. Und ich dachte mir: Eines Tages schreibe ich auch Bücher, und dann fühlen die Menschen sich weniger einsam!“ Durch ihre sehr guten Schulleistungen erhält sie ein Stipendium, das es ihr ermöglicht zu studieren. Dadurch entfernt sie sich auch räumlich immer weiter von ihrer Familie, auch als sie heiratet und eigene Kinder bekommt hat sie kaum Kontakt, bis ihre Mutter zu ihr ins Krankenhaus kommt. Die beiden Frauen beginnen sich langsam anzunähern, doch das ist nicht einfach. Der Roman, dessen Originaltitel „My Name is Lucy Barton“ ist (den ich sehr viel besser und passender als finde als den sperrigen deutschen Titel), hat mich sehr beeindruckt. In schlichter, schnörkelloser Sprache lässt Strout Lucy aus ihrem Leben erzählen (allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge), zumeist kurze Episoden aus ihrer Vergangenheit, die doch als Sinnbild für alle anderen Ereignisse stehen und aufzeigen, dass ihre Herkunft sie immer noch belastet. „…und plötzlich tut sich in mir eine Dunkelheit auf, die so bodenlos ist, dass ich einen kleinen Japser ausstoße…“ Auch als erwachsene, studierte Frau trägt sie ihre Unsicherheit immer noch in sich, so versucht sie zum Beispiel Gesprächsthemen zu vermeiden, in denen es um Popkultur geht, da ihre Familie keinen Fernseher hatte und sie so beträchtliche Wissenslücken hat, für die sie sich schämt. Des Weiteren geht sie mit dem Wort „Liebe“ sehr inflationär um, so liebt sie ihren ehemaligen Lehrer Mr Hayes, der sie in der sechsten Klasse vor ihren Mitschülern verteidigt hat, sie liebt ihren New Yorker Nachbarn Jeremy, mit dem sie sich öfter unterhält, sie liebt den Krankenhausarzt, der an jedem Tag nach ihr sieht und sie liebt ihre Bekannte, die auf mich eher selbstbezogen und bevormundend wirkt. Es scheint so, als hätte sie in ihrer Herkunftsfamilie -insbesondere von ihrer Mutter- so wenig Liebe erfahren, dass sie gebräuchliche soziale Interaktionen mit anderen Menschen sofort mit dieser gleichsetzt. Vor allem aber möchte Lucy von ihrer Mutter Liebe erfahren, sie möchte, dass sie sich für ihr Leben, ihren Mann und ihre Kinder interessiert, doch anscheinend hat ihre Mutter wenig Interesse daran. Lieber redet sie über die unglücklichen Leben der Nachbarn oder auch über Elvis, statt sich mit den wirklich wichtigenThemen auseinanderzusetzen. Das schmerzt Lucy ebenso stark, wie sie die fehlende Nähe in ihrer Kindheit verletzt hat. „Aber ich kenne diesen Schmerz noch so gut, den wir Kinder mit uns herumtragen, diesen Schmerz, der unser ganzes Leben vorhält, eine Sehnsucht, so groß, dass selbst zum Weinen kein Platz bleibt.“ Abschließend bleibt zu sagen, dass Lucy Barton, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint -und sie es selbst vermutlich auch nicht von sich behaupten würde-, eine starke Frau ist, die ihren Lebensweg trotz der Widrigkeiten und vieler Probleme, die sich ihr im Laufe der Zeit in den Weg stellen, geht. Ein absolut lesenswerter Roman, den ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann.

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