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Rezension zu
Der dunkle Grund des Sees

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Über den langen Weg aus dem Sumpf, bis endlich Flügel wachsen

Von: Lienz
24.07.2016

Isabel leidet, seit ihre große Liebe sie anscheinend grundlos verlassen hat. Ihre soziale Phobie hat sie derart verstümmelt, dass sie es nicht fertigbringt, ihrer sterbenden Adoptivmutter Elisa zur Seite zu stehen. Erst mit einer Therapie und motiviert durch Elisas ungewöhnliche Bitte kommt sie langsam auf die Beine. Jedoch nur, um in den schier unermesslichen Abgrund der Familientragödie zu stürzen. Alles einschließlich ihres nackten Lebens steht auf dem Spiel. „Der Tod und das Leben schmiedeten eine Allianz, um sein dunkles Geheimnis zu offenbaren.“ (S. 10) Der Kriminalroman beginnt mit einem Faustschlag in den Magen und weckt im Leser so den gewaltigen Hunger, alles bis zur letzten Silbe zu erfahren. Stefanie Kasper erzählt die Geschichte eines lang zurückliegenden, niemals gesühnten Verbrechens auf zwei Zeitebenen: In der Gegenwart kämpft Isabel gegen ihren innerer Konflikt und um die Wahrheit. Immer wieder wird sie in die Knie gezwungen. Aus der Vergangenheit kommend, hält sie jedoch Elisas letzter Wunsch nach Aufklärung auf den Beinen und lässt sie allen Widerständen zum Trotz ihrem Ziel entgegenstreben. „Der dunkle Grund des Sees“ ist kein herkömmlicher Kriminalroman, obwohl die Hauptfigur Isabel das ein Menschenleben zurückliegende Verbrechen aufzuklären vermag. Der Krimi ist die Reise des Lesers in die Vergangenheit zum Geheimnis am Seegrund und von dort zurück zur Oberfläche des Hier und Jetzt. Das macht ihn zu etwas sehr Besonderem. Die Erzählung auf den unterschiedlichen Zeitebenen hätte schief gehen können. Stefanie Kasper jedoch erzählt mit einer Eindringlichkeit, die den Leser gebannt „lauschen“ lässt. Am Ende stehen Erleichterung, aber auch eine kleine Traurigkeit: Es ist immer schade, wenn ein gutes Buch zu Ende ist … Vielleicht, könnte man sagen, ist die sich akut herauskristallisierende Gefahr für Isabels Leben im Gegensatz zur aufgedeckten ungeheuerlichen Wahrheit etwas blass dargestellt. Vielleicht. Der Krimi ist in meinen Augen eine schriftstellerische Glanzleistung. Zum Einen schöpft Stefanie Kasper alle Möglichkeiten der deutschen Sprache in einer Brillanz aus, die ihresgleichen nicht ohne weiteres finden wird. Die Sprache ist lebendiges Süddeutsch – nahezu durchgängig lässt rein die Lexik dies erkennen, ohne dass Mundart ins Spiel käme. Dies verleiht der Sprache eine besondere Eleganz und bleibt weit, weit weg von der spröden Schriftsprache. Kostprobe? Hier ein kleiner Dialog: „Alles in Ordnung?“ „Schon.“ (S. 22) Stefanie Kasper findet Sprachbilder, die den Leser umgarnen und ihn mit der Handlung zu einer Einheit verweben. Nur ein Beispiel: „…, um mit rotverquollenen Augen und vor Kummer aufgedunsenem Herzen unter der Bettdecke zu verschwinden.“ (S. 227) Seite an Seite mit der sprachlichen Bravourleistung stellt sich das „handwerkliche“ Schreibkönnen der jungen Autorin. Es fehlt nichts, aber auch wirklich nichts, was einen packenden Roman ausmacht. Die Protagonistin überrascht den Leser, erwischt ihn eiskalt. Sie fasziniert und geht unter die Haut. Die literarische Leistung gipfelt darin, dass das Ende des Romans den Kreis zum Anfang schließt und den Leser erschöpft ob der Spannung und zufriedengestellt ob der immanenten Logik das Buch schließen lässt. Selbst die leise Traurigkeit darüber, dass das Buch zu Ende ist, hinterlässt besondere Leserzufriedenheit. Nein, abstreiten kann ich es nicht: Dieser Krimi ist für mich das bisherige Lesehighlight 2016. Absolut. Was ich mir wünsche: Dass „Der dunkle Grund des Sees“ von Stefanie Kasper sämtliche Bestsellerlisten stürmt, zumindest auf der Shortlist des Friedrich-Glauser-Preises und/oder des Deutschen Krimipreises landet und in weitere Sprachen übersetzt wird (selbst wenn dabei die süddeutsche Lexik verloren geht), damit möglichst viele Besucher der Königsschlösser mehr als nur königliche Erinnerungen mit nach Hause nehmen können. Fünf Sterne, gern auch mehr.

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