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Rezension zu
Die geheimen Worte

Exakt gezeichnetes Gesellschaftsporträt

Von: Frau Goethe
11.08.2015

Frankfurt am Main im Mai 1923. Marlene gerät während eines Sonntagsausflugs mit ihrer Familie in ein Gewitter. Sie schützt sich in einer Höhle im Wald und trifft dort auf den Maler Adrian, der ebenfalls vor dem Unwetter flieht. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, sodass Adrian Marlene zu seiner Ausstellung einlädt. Alles könnte so schön sein, wenn nicht gerade die letzten Vorbereitungen für die bevorstehende Verlobung mit dem wohlhabenden Albert getroffen würden. Marlene muss sich zwischen einem gesicherten Leben in einer arrangierten Ehe und ihrer Zuneigung zu einem Künstler entscheiden. Kreuznach im Mai 1855. Die Schwestern Anne und Sophie sehen als Töchter des Arztes einem sorgenfreien Leben entgegen. Anne ist bereits verheiratet und kümmert sich um ihre sechsjährige Tochter Ada. Sophie wohnt noch zu Hause und hofft noch auf eine gute Partie. Als sie den Engländer James Bennett kennenlernen, der in dem Kurort sein Leiden kuriert, verlieben sich beide in ihn. Anne ist sich bewusst, dass sie schon allein wegen ihrer Ehe diese Gefühle nicht zulassen darf. Sophie hofft im Stillen, dass James ihr Avancen macht. Doch dieser hat ebenfalls ein Geheimnis und weist beide zurück. Die unter dem Pseudonym Rebecca Martin schreibende Autorin versetzt ihre Leser wieder einmal in zwei verschiedene Zeitebenen, die lediglich über mehrere Generationen miteinander verbunden sind. Beide Zeiten haben ihre eigenen Merkmale genau wie die Menschen, die in ihr leben. 1855 fing der Umbruch in Deutschland gerade erst an. Die Gesellschaft folgte strengen ethischen Richtlinien. Eine Ehefrau und Mutter, die sich mit einem ausländischen Kurgast einließe, wäre ein lebenslanger Skandal gewesen. Ebenso konnte sich Sophie nicht ohne Anstandsdame mit James zeigen, ohne dass sie in Verruf geraten wäre. Auf das Geheimnis von James stand auch 50 Jahre später noch ein mehrjähriger Aufenthalt im Zuchthaus. So wagen sich alle drei Beteiligten auf eine Gratwanderung, die sie mit ihrem Gewissen vereinbaren müssen. 1923 hingegen lockerten sich die Regeln nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs. Es wurde Neues ausprobiert und viele lösten sich von den alten Konventionen. So auch Marlene, die zwar durch den Vater in eine Ehe gedrängt werden soll, die sie nicht erfüllen würde, aber eben auch gesellschaftliche Sicherheit böte. Seinerzeit erreichte man die Volljährigkeit erst im Alter von 21 Jahren, sodass sie selbst wenig Einfluss auf ihr Leben nehmen konnte. Auch Marlene muss sich zwischen den Möglichkeiten entscheiden. Ihre Mutter erkennt das und überlässt ihr das Buch mit den geheimen Worten ihrer Vorfahrin. Damit schließt sich der Kreis der Familiengeschichte und rundet das Buch ab. Die Autorin versteht es, die vergangenen Zeiten näher zu bringen. Ihr inzwischen drittes Buch stellt die Situation der Frauen in der Vergangenheit dar und verdeutlicht, wie schwer es damals war, eigene Bedürfnisse und Träume zu verwirklichen. Diejenigen, die ihre Wünsche erkannt haben, sie aber denen des Vaters unterordnen mussten, lebten in ständiger Angst vor Entdeckung und Verstoß. Anna, Sophie und James sind bildhafte Beispiele für diese Situation. Das Umdenken in dieser Zeit ist für heutige Leser manchmal schwer nachzuvollziehen. Es lohnt sich aber, sich diese Reserviertheit ins Gedächtnis zu rufen, um dieses Buch mit den zum Teil recht spröden Figuren genießen zu können.

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