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Rezension zu
Jesus: Das Interview

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

der hippe Sohn Gottes

Von: Michael Seiler
27.07.2015

Wenn der Messias spricht, hört man gerne zu. Es ist überliefert, dass gleich mehrere tausend Menschen Jesus zu seinen Zeiten auf der Erde begeistert gelauscht haben sollen. Eine gewaltige Zahl, auch für damals. Wie viele Menschen könnte er wohl erst heute mit den modernen Medien erreichen? Würde er sich in die Politik einmischen? Und wenn ja, auf welcher Seite? Unter anderem diesen Fragen geht Detlev F. Neufert in seinem neuen Buch nach. Sein fiktives Interview, das "Neues vom Auferstandenen" präsentieren soll, streift nahezu jedes denkbare Thema, zu dem man sich schon immer mal eine klare Ansage von Jesus oder seinem Vater gewünscht hat. Das Ergebnis? Durchwachsen. Positiv hervorzuheben ist in jedem Fall die leicht zugängliche Art, in der dieser muntere Schlagabtausch zwischen dem Erlöser und dem Fragesteller präsentiert wird. Obwohl das Buch mit Sicherheit in die Schublade "Religion und Spiritualität" gesteckt wird, findet sich hier keine Spur von besonders frommen staubtrockenen Texten oder verkappter Esoterik. Wir erleben einen überaus menschlichen Jesus, der zwar keinen Hehl aus seiner göttlichen Herkunft macht, aber sich dennoch nahbar und auskunftbereit gibt. Da wird kein Zeigefinger erhoben, eher angeregt und leise gehofft. Auch kontroverse Diskussionspunkte, um die man sich normalerweise auch gerne mal drückt, sind hier Thema. Warum lässt Gott Leid zu, obwohl er die Liebe in Person sein soll? Warum kann man sich auch für das Schlechte entscheiden? Dürfen Menschen die Schöpfung beeinflussen, indem sie im Genpool herumpfuschen? Und kann man eigentlich wirklich verdammt werden oder kommen am Ende möglichweise sowieso alle Leute in den Himmel? Jesus antwortet nicht nur bereitwillig auf diese Fragen, sondern gibt es auch zu, wenn Gott mal mehr weiß als er. Er zeigt Emotionen und outet sich ganz nebenbei auch als Gelegenheitsgenießer. EIgentlich ein durch und durch sympathischer Kerl. Letztendlich ist dieser Messias aber auch zu einem guten Teil das, was das Cover bereits andeutet - ein hipper Typ auf der Höhe der Zeit mit einem Hang zur Philosophie. Mit ein paar Ecken und Kanten, aber modischer Frisur, gestutztem Hipsterbart und Einheitsfensterglasbrille. Quasi von allem ein bisschen und das wird auch in einigen seiner Aussagen deutlich. Vor allem wenn Jesus sich wiederholt mit Buddha vergleicht, ihn als seinen legitimen Vorgänger anpreist und meint, dass er seinen Jüngern die Mission in Asien bewusst verboten hat, weil es dort eh schon ziemlich gut läuft, dann vermisse ich den Jesus, der so unbequeme Sätze wie "Niemand kommt zum Vater außer durch mich" geäußert hat. Auch wenn es um die Verdammnis geht, dann zieht er sich mit einem "Das hat mir später jemand untergeschoben" aus der Affäre, ohne klar Stellung zu beziehen. Würde der Autor eine nachvollziehbare Erklärung für diese Aussage liefern, könnte man diesen Satz vielleicht wenigstens halbwegs nachvollziehen. Leider kann man aber nicht einfach alle Bibelverse die nicht mehr zeitgemäß wirken weglassen. Jesus außerdem die Zusage, dass absolut niemand verdammt wird, in den Mund zu legen will auch nicht so recht zu den biblischen Aussagen passen. Gerade da wäre der unbequeme Jesus, der immer wieder versteckt angekündigt wird, an der richtigen Adresse. In diesem Buch darf er aber offenbar nur so unbequem sein wie es der Zeitgeist zulässt. Hier spricht eher das Wunschdenken des Autors, der laut Literaturliste neben der Bibel auch den einen oder anderen Guru mit unterbringt. Kann man machen, aber ob die Hauptfigur dann noch Jesus heißen muss ist mindestens diskussionswürdig. Auch einige sachliche Fehler haben sich eingeschlichen. "Am Anfang war das Licht" ist in keiner Bibelausgabe der erste Satz des Alten Testaments, sondern des Johannesevangeliums (ca. achthundert Seiten weiter hinten in der Bibel). Außerdem wurde das Alte Testament auf Hebräisch verfasst, nicht auf Griechisch, wie das Neue Testament. Dass Kain Adam (seinen Vater) erschlug ist ebenfalls falsch, denn es war vielmehr sein Bruder Abel. Dass Neufert das apokryphe Thomas-Evangelium für ein "authentisches Dokument" hält, kann man ihm zwar zugestehen, die Bibelforschung ist sich (im Gegensatz zu vielen anderen Punkten) aber darüber einig, dass es eben nicht so ist. Vielleicht hätte es geholfen, statt Google und Wikipedia, deren Verwendung als Quelle der Autor einerseits zugibt und andererseits jeden zum Lügner erklärt, der sie verschweigt, auch das eine oder andere seriöse Sachbuch zum Thema in die Hand zu nehmen. Aber um Wissenschaft geht es hier nicht. Selbst wenn das Buch als Lebenshilfe nicht wirklich taugt, liest es sich zumindest gut. Letztendlich hat man am Ende einen Berg möglicher Wahrheiten präsentiert bekommen, die teils Sinn machen und teils mit Jesus nur wenig zu tun zu haben scheinen. Zweifelhafte Aussagen zu überprüfen und genau jene kritische Reflektion anzuwenden, die der Autor von den Gläubigen fordert, sei zum besseren Verständnis empfohlen. Seitenzahl: 256 Format: 13,5 x 21,5 cm Verlag: Gütersloher Verlagshaus

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