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Rezension zu
89/90

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

89/90 von Peter Richter

Von: 54books
17.07.2015

Peter Richter hat ein grandioses Buch über die Zeit der Wende geschrieben, dass ich trotzdem nicht zu Ende lesen kann. 042_87462_153640_xlEine kindlich unbeschwerte, pubertäre Stimmung herrscht in Dresden 1989. Man rebelliert ein bisschen und versucht doch angepasst genug zu sein, um die gewünschte Schulform besuchen zu dürfen. Jungsfreundschaften und zarte Mädchenbande sind der Rahmen, in dem sich das Leben des Protagonisten bewegt, doch der Zeitpunkt des Umsturzes rückt näher und wird Biographien verändern. Richter tritt aufs Gas und lässt wieder bedächtige Ruhe einkehren, er mischt kurze Viertelseiten-Episoden mit längeren Passagen. Der Autor ist ungeheuer klug, was man, wenn nicht aus Deutsches Haus oder Über das Trinken, dann zumindest aus seinen Texten für diverse Zeitungen, inzwischen der Süddeutschen Zeitung, weiß. "Und weil im Westen die ganzen alten Nazis schon wieder beziehungsweise immer noch in den Behörden, den Gerichten, den Schulen und den Universitäten saßen, während im Osten mal was Neues angefangen wurde. Und weil es ganz so aussah, als ob das auch das Bessere sei, wenigstens moralisch. Und weil Leute wie Anna Seghers oder Bertolt Brecht das auch so sahen. Weil damals die Deutsche Reichsbahn dafür sorgte, dass man nach einer Aufführung in Brechts Berliner Ensemble mit dem Spätzug noch nach Hause kam. Und natürlich, weil dieses Zuhause der absolut schönste Ort der ganzen Welt sein konnte..." Der Grund dafür, dass ich das Buch trotz solcher Passagen der Hellsichtigkeit und solcher des besten Humors nicht zu Ende lesen kann ist trivial. Mir fehlt, zu spät geboren, das Hintergrundwissen der kleinen DDR-Schnurren und großen -Sünden, die zwar allesamt in unterhaltsamen Fußnoten erläutert werden, aber meinen Lesefluss zu sehr bremsen. Gleiches gilt für die Marotte R.s seine Personen nicht mit vollen Namen zu benennen sondern grundsätzlich abzukürzen. Die Ungeduld hält mich von 89/90 ab. Ich habe nun aber das Buch meiner Mutter gegeben, sie wird es lieben, wie sicher viel andere, denen ich den Lesespaß von Herzen gönne. "[…] der Abschied von der Ideologie des Zweittaktmotors war damit eingeleitet. Der Zweitaktmotor war in jenem Land so sakrosankt gewesen wie der Führungsanspruch der SED. Dass jetzt hier Viertakter verbaut wurden, hätte einem im Prinzip schon Symbol genug sein müssen für das nahende Ende. Aber wir sahen das trotzdem nicht. Wir freuten uns auf Porschemotoren für den Trabant."

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