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Rezension zu
Das Kosmotop

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Kh'sm'TP

Von: ralfreitze
15.07.2015

“Hier ist ein Tropfen im Ozean der Zeit, und er enthält 14.721 Leben. Aber es werden immer weniger.” Weit in der Zukunft. Die Menschheit ist bis auf 14721 Leben ausgestorben. Nach drei Kriegen gegen die Incera, eine kriegerische Alienrasse, ist die Erde zu einem unbewohnbaren Mausoleum geworden, in dem die Menschen in Grüften beigesetzt werden. Diese haben zwar die Unsterblichkeit, durch Übertragung der Persönlichkeit in Klone, entdeckt, dadurch wurden sie aber auch unfruchtbar. Die Unsterblichkeit lastet schwer auf den Überlebenden, was Corwain Tallmaster, ein Pazifikator beim Besuch der Erde feststellen muss. “‘Warum wollen Sie sterben?’ ‘Weil….’ Der von leise summenden Adjus gestützte Greis zögerte und starrte in die leere Stasiskammer. ‘Weil…..’ Er blickte auf seine leeren, zitternden Hände, als enthielten sie die Antwort. ‘Weil ich zu viel gesehen, zu viel gehört, zu viel gefühlt und zu viel gesprochen habe. Die Erinnerungen, sie erdrücken mich. Es ist kein Platz mehr in meinem Kopf. Jeder einzelne Gedanke muss sich mühsam einen Weg suchen, er muss sich vorbeiquetschen an all dem jahrtausendalten Gerümpel, er muss in dunkle Ecken kriechen, denn nur dort kann er hoffen, noch ein wenig Bewegungsfreiheit zu finden. Sie verstehen das nicht, sie sind jung, kaum zweitausend Jahre Tallmaster, und jetzt lassen sie mich in Ruhe.'” Die Galaxis ist in Bereiche der Maschinenintelligenzen, sogenannte Koryphäen, und biologische Rassen, die sogenannte Kompetenz, die ein Zusammenschluss von 29 hochentwickelten Zivilisationen ist, aufgeteilt. Alle anderen Rassen werden von der Kompetenz und den Koryphäen beraten und bei dem Aufstieg der Zivilisationsstufen begleitet. Die kriegerischen Rassen möchten diese ‘Entwicklungsrassen’ auf ihre Seite ziehen um bei ihrem versteckten Krieg gegen die Kompetenz und die Koryphäen Verbündete zu haben. Es ist kein offener Konflikt, aber die Gesandten sind bei den Treffen und Verhandlungen gefährdet und bewegen sich auf einem schmalen Grat. So auch bei einem Treffen auf einem neutralen Planeten, auf dem der Berater Corwain Tallmaster und seine Freundin Solace in einen Hinterhalt der Mahé geraten. Corwain wird des Mordes an der Sängerin verdächtigt, dem religiösen Oberhaupt dieses Planeten, und aus seiner Funktion als Pazifikator entlassen. Alleine auf sich gestellt, gibt es für ihn nur einen Weg um seine Unschuld zu beweisen: die Veritas, eine der letzten überlebenden Menschen, die die Fäden und Muster der Gegenwart so liest, dass sie Jahrzehnte voraus sehen und planen kann. Ihre wichtigste Eigenschaft ist aber Wahrheit und Lüge voneinander zu unterscheiden. Doch die Veritas ist im Kosmotop, welcher ein riesiges, ja unmöglich großes Raumschiff ist (2 Lichtsekunden lang), ein riesiger Sammler einer anderen Zivilisation, von einer anderen Galaxie, der durch die Milchstraße zieht und wie ein Schmetterlingssammler, Proben der Zivilisationen einzieht. Der Auftritt dieses Kosmotops zeigt eine der großen Stärken des Autors, solche unmöglichen Bilder dem Leser vor Augen zu führen: “Draußen entschied der Juwelier endlich, seine Prachtstücke auf dem schwarzen Samt auszubreiten. Ein Riss zog sich durchs All, rot und violett, wie eine Wunde in Raum und Zeit, und Objekte in allen Formen und Größen schoben sich daraus hervor. […] …was dort zum Vorschein kam, sah zunächst nicht nach unterschiedlichen geometrischen Strukturen aus – Pyramiden, Kugeln, Zylinder, Oktaeder und andere -, sondern nach Ansammlungen von Kristallen, die das Licht der beiden nahen Sonnen einfingen und es millionenfach verstärkt wieder abstrahlten. Was dort aus dem Raum-Zeit-Riss kam, der noch immer länger und breiter wurde, waren Diademe, Stirnbänder, Haarreife und gewaltige Ketten und Bänder, eine strahlende, gleißende Pracht, die Solace einen begeisternden Ausruf entlockten.” In der Folgezeit wird der Leser von verwirrenden und spannenden Eindrücken überrollt, die bis zu einem atemlosen Finale führen. Brandhorst hat hier aber nicht nur einen SF – Thriller verfasst, er hat die beiden Hauptfiguren Solace und Corwain sehr deutlich in ihrer Liebe wie auch in ihren unterschiedlichen Charakteren dargestellt. Er einer der letzten, etwas lebensmüden Menschen, sie sterblich, halb Frau, halb Vogel. Und auch die Nebenfiguren gerieten ihm sehr plastisch, soweit dass bei diesen verschiedenen Rassen und auch Maschinenintelligenzen möglich ist. Sehr schön war das Bild der nahe beieinander liegenden vielen Steine, repräsentativ für die Personen in einem Spiel des Lebens, die als Vergleich herhielten, dass wenn sich einer unten bewegt, eine Kette in Gang gesetzt wird, die den oben weit entfernten Stein bewegt; man muss nur den richtigen Ansatz finden und das Muster sehen. Manche Autoren hätten aus dem Stoff eine ganze Serie gemacht, Brandhorst hat leider nur 560 prall gefüllte Seiten parat, die aber jeden SF-Fan verzücken lassen. Zu Recht auf der Auswahlliste für den deutschen SF Preis! Passende Musik zu dem Buch: Arcane, Album: Known-Learned. Lunatic Soul, Album: Walking on a flashlight Beam.

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