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Rezension zu
Corpus Delicti

Dystopischer Roman in guter Orwell-Tradition

Von: Sophie VERStand
10.06.2015

„Das Leben ist ein Angebot, das man auch ablehnen kann“ ist eines der Mottos dieses vielschichtigen, kurzen Romans von der deutschen Autorin Juli Zeh, die in ihrem Werk aufzeigt, wie sehr heutige Themen wie Überwachungsstaat und totale Kontrolle des Einzelnen aussehen kann. Wir begegnen Mia und Moritz Holl, die in einer Welt leben, in der alles aus Paranoia vor Krankheiten und übertriebener Hygiene besteht. Alles wird kontrolliert: Die Ernährung, der Blutdruck, die Ausscheidungen nach jedem Toilettengang – ein Chip im Arm macht die gesundheitliche Überwachung perfekt. Und dies geschieht natürlich alles zum Wohl der gesamten Menschheit, die in stetiger Angst leben. Eines Tages wird Moritz eines Verbrechens angeklagt, von dem Mia glaubt, dass er es unmöglich begangen haben kann, doch eine eindeutige DNA-Probe spricht dagegen. Während Mia versucht ihre zwiespältigen Gefühle zu verarbeiten, gerät sie immer weiter in den Strudel des Systems. An oberster Stelle steht Heinrich Kramer, der Erfinder der sogenannten METHODE, die es dem Staat ermöglicht sogenannte Gesundheitsterroristen ausfindig zu machen. Obschon der Mensch ein fehlbarer Mensch ist, glaubt der Staat daran, dass mit dieser Methode etwas Unfehlbares geschaffen wurde. Juli Zeh zeichnet in ihrem Roman ein grauenhaftes, totalüberwachtes, dystopisches System, in dem sich Mia Holl immer weniger wohlfühlt, obschon sie ihrer eigenen Meinung nach nichts falsches tut. Für alle, die eine Dystopie mit vielen Eigenheiten aus George Orwells „1984“ oder Huxleys „Schöne neue Welt“ lesen wollen, die auch keinerlei Liebesgeschichte brauchen und sich dem Grauen solch eines Systems stellen wollen, ist dieser Roman genau das richtige. Juli Zehs Sprache ist sehr lakonisch und direkt, sehr kühl und distanziert. Meiner Meinung nach passt dies auch zu dem Empfinden der meisten Figuren, die sich wie Maschinen fühlen. Jedoch bleibt dieses distanzierte Gefühl zu den Figuren sehr aufrecht bestehen, sodass ein Einfühlen kaum möglich ist. Es wird nicht chronologisch erzählt, was den Roman insgesamt spannend machen würde, wenn nicht oftmals einige Dinge vorweggenommen werden… der Roman beginnt auch so ziemlich mit seinem Ende. Dies ist ein sehr eigenwilliger Erzählstil. Insgesamt gefiel mir die bedrückende Atmosphäre des Romans sehr, genauso wie die zwei Wendungen, die Juli Zehs Werk eine wahnsinnige Spannung verliehen. Über einige Figuren hätte ich noch mehr erfahren wollen, zum Beispiel über die Richterin Sophie, die am Anfang als ein wunderbarer Charakter eingeführt wird, der trotz hoher Stellung immer mit ihren Idealen hadert, da sie viel zu menschlich ist. Es gibt eine kleine revolutionäre Gruppe, die R.A.K. (sicher in Anspielung auf die R. A. F.), welche als DIE Gesundheitsterroristen schlechthin gelten, aber leider bekommt man von ihnen keine großangelegte Aktion mit. Tatsächlich spielt der größte Teil der Handlung (zum Titel allerdings sehr passend) in einem Gerichtssaal oder in Mia Holls Wohnung oder dem Gefängnis. Von der Opposition hätte man sich etwas mehr Charakterisierung wünschen können. Insgesamt war dies für mich ein sehr angenehmer Roman, der durchaus 100-200 Seiten mehr hätte vertragen können, um noch ein umfassenderes Bild der gegeneinander arbeitenden Kräfte zu entwickeln. Für mich gibt es dafür 4 Sterne.

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