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Rezension zu
Über Menschen

Kristallklares Gesellschaftsbild, das ans Herz geht

Von: Mohammed T.
08.04.2021

Übermenschen, über Menschen: Bereits der Titel von Juli Zehs Roman hat es in sich. Als erster Roman, der sich eingehend dem Coronaalltag widmet, beschreibt er gleichsam eine äußere Monotonie, Ereignislosigkeit, Banalität und die erhöhte innere Unruhe, ein ewiges Zerdenken, auf Hochtourenlaufen. Juli Zeh lädt uns in Doras Kopf ein, der nicht recht weiß, was er denken soll. Doras Gedanken zeichnen sehr deutlich unterschiedliche, einander entgegengesetzte Meinungen nach und verharren dazwischen. Schlichtweg, weil Dora nicht weiß, wie und ob sie sich positionieren soll, z.B. eben zu Coronafragen, die sie als Nicht-Expertin nicht zu beurteilen vermag. Wenn es aber um Fragen geht, wie die, ob es ok sei, die AfD zu wählen oder Nazi zu sein, hat Dora eine klare Position: Nein, auf keinen Fall. Und doch stehen hinter diesen schwierigen Ansichten Menschen und in der Begegnung mit ihnen beginnen selbst diese Meinungen mehrdimensional als bisher angenommen. Darf man den Nazinachbarn mögen, wenn er 1. Nazi, 2. verurteilter Gewaltverbrecher und 3. extrem hilfsbereit und zwischendurch sogar geradezu liebenswürdig ist? „UnterLeuten“ porträtierte differenzierte Seelenleben und beschrieb auf beeindruckende Weise interpersonale Beziehungen. „ÜberMenschen“ befasst sich mit einem Blick auf die Gesellschaft und geht dabei tief ins Herz, ins ganz Persönliche und regt zum Nachdenken an. Sich nicht mit dem zu befassen, was einen stört, es schlichtweg abzutun und auszublenden, das ist keine Lösung für irgendein Problem. „ÜberMenschen“ erzählt von der Gefahr, sich für etwas Besseres zu halten und auch von der Gefahr des Beharrens. Enorm liebevoll, ab und an grotesk und immer bestechend klar gelingt es Juli Zeh, einerseits Mitgefühl für einen Nazi und Verständnis für AfD-Wähler zu wecken und andererseits die scheinbare Bedingungslosigkeit von Meinungsbildung und die eigenen Positionierungen zu hinterfragen. Ganz ehrlich: Wer will schon auf dem Dorf leben? Wen interessieren die Lebenswelten von Brandenburger_innen? „ÜberMenschen“ schafft ein Interesse, wo vorher keines war, rückt ins Sichtfeld, was bisher außerhalb davon lag und gibt einen Impuls, in ungeahnte Richtungen über den eigenen Tellerrand hinauszusehen und dabei tief in sich selbst hineinzublicken. Ohne Kitsch oder Verharmlosung, mit viel Verstand und Gefühl - unbedingte Leseempfehlung!

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