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Rezension zu
Das Sexleben siamesicher Zwillinge

Gelungene Gesellschaftskritik

Von: Sophie VERStand
17.05.2015

Neben Chuck Palahniuk und Michelle Houellebecq zählt Irvine Welsh zu den großen Gesellschaftskritikern im literarischen Feld, die gewisse Themen gern einmal auf drastische Art und Weise angehen. In Welshs Romanen geht es häufig um Individuen, die durch übermäßigem Drogenkonsum versuchen einer Welt zu entfliehen, in der sie nicht bestehen können. Oftmals haben diese Figuren etwas traumatisches erlebt und versuchen es dementsprechend zu kompensieren. So stellt es sich auch in seinem neuen Roman "Das Sexleben siamesischer Zwillinge" dar. Wir lernen die übergewichtige Künstlerin Lena Sorenson und die knallharte Fitnesstrainerin Lucy Brennan kennen, die sich eines Nachts begegnen, als Lucy gerade einen vermeintlichen Amokläufer zur Strecke bringt und Lena dies filmt. Daraufhin finden die beiden zusammen, denn Lena möchte bei Lucy ein Personal Training beginnen. Die beiden Protagonistinnen repräsentieren zwei extreme! Seiten einer (amerikanischen?) Gesellschaft - auf der einen Seite Menschen, die an extremen Esssüchten leiden und auf der anderen Seite Menschen, die sich in totalen Fitnesswahn versteigen und einen regelrechten Hass schieben auf jedes Gramm Fett. Auf Lucy trifft letzteres zu, sie schafft es in keinem Satz einen nicht ihren Idealen entsprechenden Menschen einmal nicht auf sein primäres Geschlechtsorgan zu reduzieren. Der Autor hält sich dahingehend mit Beschreibungen und Beschimpfungen nicht zurück, ebenso wenig wie mit sexuellen und gewaltvollen Handlungen. Pikante Details sind Welshs Spezialgebiet und das findet man spätestens auf Seite 50 heraus. Als die beiden Frauen aufeinandertreffen, die sich so enorm unterscheiden, muss es einfach zum totalen Crash kommen und wie das aussehen wird, lohnt sich zu entdecken. Welsh hält den Spannungsbogen der Geschichte immer aufrecht. In den Kapiteln der Geschichte begegnen uns nicht nur Lena und Lucy aus der Ich-Perspektive, sondern auch tagebuchartige Einträge, Reflexionen und Email-Korrespondenzen. Die Darstellung von Sex und Gewalt ist stets sehr explizit. Homosexualität wird auf Seiten beider Frauen dargestellt, recht natürlich und normal zwar, aber dank Welshs Hang zu Details auch sehr spezifisch und zu genau. Seine Kritik an diesen beiden Extremen in der Gesellschaft empfand ich als überaus gelungen, jedoch störte es mich etwas, dass er sich am Ende doch für eine Seite entscheidet. Ein offenes Ende hätte ich hier durchaus für passend gehalten, um den Leser zum Nachdenken anzuleiten. Nichtsdestotrotz steckt hinter der oft vulgären und saloppen Oberfläche vom Roman ein Aufruf für ein gesünderes Körpergefühl. Weder Medien noch die Gesellschaft sollten einen bei der Wahl des eigenen Wohlfühlgewichts reinreden können. Zu seinem ungewöhnlichen Titel gelangt das Buch im Übrigen durch eine Sendung, die im Fernsehen des Romans läuft. Dort geht es um siamesische Zwillinge, deren Geschichte erzählt wird und deren alsbaldige Trennung bevorsteht - diese Geschichte verfolgen auch Lena und Lucy, sie reflektieren darüber und tauschen sich ebenso aus. Eine gut angelegte Parallelhandlung! Meine Wertung: 3,5-4,0 Sterne

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