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Rezension zu
Palmen in Dublin

Sprache und Migration

Von: Letteratura
01.08.2020

Nicht nur, wenn man eine oder mehrere Fremdsprachen fließend spricht, sondern auch schon beim Erlernen einer Sprache stößt man früher oder später auf die vielen feinen semantischen Unterschiede. Unterschiede zwischen Muttersprache und Fremdsprache, aber auch zwischen verschiedenen Fremdsprachen. Seien es Kleinigkeiten, wie die Verwendung verschiedener Präpositionen in verwandten Sprachen, sei es der maskuline Artikel hier, wo es dort der feminine ist, oft zitiertes Beispiel etwa „der Mond“, im Deutschen maskulin, im Italienischen und Französischen feminin „la luna“ bzw. „la lune“ und umgekehrt „die Sonne“ im Gegensatz zu „il sole“, „le soleil“. Mir machen solche Beobachtungen immer großen Spaß. In Hugo Hamiltons gerade neu bei Luchterhand erschienenem Roman „Palmen in Dublin“ gibt es immer wieder kleine Beobachtungen zur Sprache und zu Unterschieden zwischen ihnen, in diesem Fall zwischen dem Englischen, dem Deutschen und dem Gälischen. „Knapp bei Kasse zu sein, heißt auf Gälisch, nackt zu sein. Derjenige, der Geld gibt, setzt sozusagen auf die mittellose Person, die die Hose runterlassen muss. In der Sprache meiner Mutter heißt es, dass man Geld schuldet – im Deutschen lädt man Schuld auf sich. Auf Englisch ist man verpflichtet, gebunden, verantwortet, belastet, säumig. In der Sprache der Straße waren wir Tausende säumig.“ S. 180 Das Leben des Ich-Erzählers spielt sich zwischen diesen drei Sprachen ab. Wir befinden uns in Irland. Die Mutter ist Deutsche, der Vater war Ire. Dieser sprach nie Englisch, sondern nur Gälisch, das wiederum lernte die Mutter nie, so dass der Vater Deutsch lernte. Englisch war zu Hause verboten, aber eben „die Sprache der Straße“, und somit ein Stück weit minderwertig. Die Folge war, dass jede Sprache zu einem Kampf, einer Festung, einem Versteck wurde. Wenn ich als Kind aus dem Haus ging, hatte ich stets das Gefühl, zu emigrieren. Auf der Straße sah ich ständig über die Schulter, hielt nach Wörtern Ausschau, in denen ich mich heimisch fühlte.“ S. 12 Inzwischen ist der Ich-Erzähler ein junger Mann, verheiratet mit Helen, deren Eltern nach Kanada ausgewandert sind und Vater von zwei kleinen Töchtern. Helen unterrichtet Yoga, während er für ein Kulturinstitut arbeitet, das sich dem Erhalt des Gälischen widmet. Doch er erträgt die Arbeit im Keller nicht, entwickelt merkwürdige Symptome, hat Angst, ist müde, fühlt sich ziel- und heimatlos und weiß nicht, warum und was er dagegen tun kann. Er gibt die Arbeit auf und öffnet mit seiner Frau ein Café, plant, ein Buch zu schreiben, doch der Plan geht nicht auf. „Palmen in Dublin“ ist eines dieser Bücher, die sich nicht leicht greifen lassen, die einem zwischen den Fingern zu zerrinnen scheinen. So ziellos, wie sein Protagonist, so diffus ist oft auch der Roman. Es sind immer wieder einzelne Szenen, die wir mit dem Ich-Erzähler erleben, Schilderungen seines Lebens mit Helen und den Kindern, Rückblenden in die Kindheit, Überlegungen zu den Sprachen, zwischen denen sich das Leben des Protagonisten bisher abgespielt hat. Auch das Verhältnis, das er zu den Sprachen hat, die Tatsache, dass es die eine Sprache zu Hause, in der alle kommunizierten, nicht gab, hat zu der Wurzellosigkeit, unter der er leidet, beigetragen. Und auch Helen ist das Kind einer Familie mit Migrationserfahrung. Wie sollen sie da Wurzeln schlagen, wo gehören sie hin? So sind die großen Themen des Romans Migration und Sprache und die Frage, wie diese beiden zusammenhängen. „Palmen in Dublin“ ist weniger von einer spannenden, einer ereignisreichen Geschichte geprägt, sondern kommt eher episodenhaft daher, lebt von Reflexionen und bildet Alltag ab. Das kann sehr fesselnd sein und es hängt von vielen Kleinigkeiten ab, ob solch ein Text beim Leser zündet. Ich habe das Buch immer wieder zur Seite gelegt, habe mit ihm gehadert, weil ich den Roman als zu wenig stringent empfunden habe. Mit einigem Abstand aber hallt die Lektüre nach und findet der namenlose Protagonist samt seinen Empfindungen zurück in meine Gedanken. Und das ist bestimmt nicht das Schlechteste, was man über eine Lektüre sagen kann.

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