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Rezension zu
Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle

Vorausschauend und raffiniert konstruierte Geschichte mit vielen Überraschungen!

Von: WriteReadPassion
23.05.2020

Bewertung: "Die Zukunft ist keine Warnung, mein Freund, sie ist ein Versprechen - eines, das wir nicht brechen werden. Genau das ist das Wesen der Falle, in der wir geraten sind." (Glücksspieler Daniel Coleridge zu Bankier Cecil Ravencourt, Seite 133) Das Cover ist zeitgemäß wirklich gelungen. Hervorragend gewählt zur Kulisse und Geschichte. Mich stört jedoch der Scannercode auf der Titelseite, wo es ihn doch auch wie üblich auf der Rückseite des Umschlages gibt. Wozu dieser noch vorne angebracht wurde ist mir ein Rätsel und macht das Bild etwas kaputt. Der Titel könnte ebenfalls nicht besser gewählt werden. In der Innenseite - vorne und hinten - der Buchklappen hat der Autor den Grundriss mit kleinen Dingen, die in der Geschichte vorkommen gezeichnet. Diese Übersicht ist nicht bloße Zeichnungskunst, sie dient eher als kleines Hilfsmittel, die Örtlichkeit besser bildlich vor Augen zu haben. Das versteht man aber erst, wenn man angefangen hat, die Geschichte zu lesen. Da tauchen dann nach und nach die vielen Räume und Dinge auf, die auf den zwei Seiten festgehalten werden. Bevor ich mit der Bewertung fortfahre, muss ich noch den Hinweis geben, dass diese Geschichte sehr schwer zu rezensieren ist, ohne zu spoilern. Viele Erläuterungen meiner Beurteilung sind Spoilerangaben und würden somit zu viel von dem Zauber der Geschichte verraten. Daher werde ich bei der Rezension etwas schwammig bleiben müssen ... leider ist es für dieses Buch einfach nicht möglich (habe ich auch bei den Rezensionen meiner Lesekameraden gesehen), die Geschichte ausführlich zu bewerten ohne die Fragen im Vornherein für kommende Leser zu klären. Da das sehr ärgerlich wäre, geht das also nicht mit dem Rezensieren auf übliche Art. Ich werde aber versuchen, so genau wie möglich zu sein, ohne anderen Lesern die Lesefreude zu nehmen! Der Autor erklärt während der ganzen Geschichte sehr genau den Zustand unseres Mannes, ebenso seine Gefühls- und Gedankenwelt. Dabei wird es nie schräg oder unglaubwürdig - ganz im Gegenteil; der Autor belebt die Charaktere und ihr Innenleben mit solch einer Intensität, dass es wirklich realistisch rüberkommt. Manchmal wusste ich nicht, wie ich reagiert hätte, an seiner Stelle - und in manchen Situationen konnte ich sein Vorgehen nicht verstehen. Manchmal ist er so blind und naiv, dass ich Schmerzen hatte. Was mich am Wirt Dr. Sebastian Bell stört, ist, dass er so gar nicht, wo er sich eigentlich dort befindet oder ob er dort lebt und wer dieser Mann ist, mit dem er sich ausgiebig unterhält. Er hat sein Gedächtnis und somit seine Erinnerungen verloren und stellt keine dieser relevanten Fragen?! Er nimmt das alles so als gegeben an, was wohl im realen Leben niemand tun würde. Das ist wirklich ein ziemlich unrealistischer Moment, den der Autor erstellt hat, sehr unglaubwürdig. Doch unser Mann ist manchmal auch clever und nutzt die Talente seiner Wirte, indem er sich Hilfe sucht, um das Rätsel der Ermordung von Evely Hardcastle zu lösen. Das hat mich wiederum überrascht. Ich kann spüren, dass meine Erinnerungen fast in Reichweite sind. Sie haben eine Gestalt, haben Gewicht, wie verhüllte Möbel in einem verdunkelten Zimmer. Ich habe einfach nur die Lampe verloren, mit deren Lichtschein ich sie betrachten könnte. (Erzählung von Dr. Sebastian Bell, Seite 34) Es bleiben dennoch Fragen unbeantwortet für mich: Welches Jahrhundert haben wir? Das wird nicht ein einziges Mal erwähnt. Ich selbst kann mir einfach keinen richtigen Reim aus der Erzählung dazu bilden ... die Kulisse, die Kleider, das Benimmverhalten, der Erzählstil wirken eher wie im 19. Jahrhundert oder gar dem 18. Jahrhundert. Dann wiederum aber tauchen Sätze in der Erzählweise auf und bestimmte Gegenstände (z. B.: Tattoos), die so gar nichts mit diesen Jahrhunderten zu tun haben. Dann wirkt das Ganze wie aus dem 20. Jahrhundert gespielt. Ich bin also noch nach Beendung des Buches im Unklaren, zu welcher Zeit ich mich befand, das nervt mich. Wut ist greifbar, sie hat ein Gewissen. Man kann mit den Fäusten auf sie einschlagen. Doch Mitleid ist ein Nebel, in dem man sich nur verirren kann. (Erzählung von Dr. Sebastian Bell, Seite 24) Fast alle Personen, die in der Geschichte ihre Rolle spielen, sind auf der Einladung zu Beginn des Buches aufgeführt. Ich glaube nicht, dass der Autor dies bloß als Schmuckstück wie die Übersichtszeichnung auf den Buchdeckeln reingenommen hat. Ich denke, dies soll dem Leser helfen, die Übersicht über die vielen Charaktere zu bekommen und zu halten. Mir hat die Einladung sehr geholfen. Ich habe etliche Male nach vorn geblättert und mir die Namen immer wieder durchgelesen. Nur drei oder vier Personen stehen nicht darauf und musste ich mir selbst aufschreiben. Es ist ganz so, als hätte man mich aufgefordert, ein Loch zu graben, und mir zu diesem Zweck statt eines Spaten lauter wild durcheinanderschwirrende Spatzen in die Hand gedrückt. (Erzählung vom Butler Roger Collins, Seite 264) Ich kann die Kritiken (zu der Verwirrung vom Hin- und Herspringen der Wirte) meiner Lesekameraden verstehen ... auf den ersten Blick wirkt es wirklich willkürlich und wirr. Aber wenn man sich genauer mit der Geschichte befasst, verfliegt dieser erste Eindruck. Ja, es spielen sehr viele Charaktere in der Geschichte mit. Aber diese sind - bis auf drei oder vier von ihnen - alle auf der Einladung vorne mit Status aufgeführt. Ja, der Autor lässt unseren Mann und uns immer zu den Wirten hin- und herspringen. Aber er nimmt die Fäden immer genau an der Stelle auf, wo sie zuvor endeten. In diesem Hin- und Hergerucke bleibt dennoch alles chaosfrei und geordnet. Der Autor wirft uns nicht in einen anderen Wirt zurück und lässt uns erst mal umherirren. Er erzählt an der zuvor geendeten Stelle des Wirtes weiter, sodass man als Leser immer sofort mitgenommen wird. Da kenne ich doch ganz andere Geschichten, bei denen das nicht so ist. Ebenso lässt er uns die Wirte geordnet verlassen; wir springen immer nur zu einem anderen Wirt, wenn der jetzige aus irgendwelchen Gründen (Tod, Bewusstlosigkeit, Müdigkeit) einschläft. Wenn du zu wenige Informationen hast, bist du blind, bei zu vielen wirst du geblendet. (Die Stimme im Kopf, Seite 533) Aus diesen Gründen finde ich es wirklich sehr schade, wenn einige meiner Lesekameraden die Geschichte als schlecht geschrieben bezeichnen. Das ist sie keinesfalls! Jedoch ist sie nicht nach gängigem Schema der üblichen Romane erzählt. Man muss sich hier genau mit der Geschichte und ihren Charakteren befassen. Hier braucht es Konzentration und auch eine gewisse Offenheit der ungewöhnlichen Erzählung gegenüber. Wenn man da dicht macht, ist es vorbei. Ich selbst konnte nicht immer konzentriert lesen, dann musste ich pausieren, da es so einfach keinen Sinn gemacht hat. Einmal war ich auch am Überlegen, ob ich einfach eine lange Pause einlegen soll ... Das lag aber keinesfalls an der Geschichte, sondern an mir selber. Ich war teilweise einfach unkonzentriert, und dann wird es schwer, dieser Geschichte mitsamt seinem Rätsel zu folgen und die Zusammenhänge zu verstehen. Ich habe mir also viele Notizen gemacht, mir jeden Wirt und am welchen Tag er erscheint, aufgeschrieben. Die Einladung vorne im Buch, die Ortsübersicht auf dem Buchdeckel und die Notizen haben mir un heimlich geholfen, das Rätsel der Geschichte zu verstehen. Ich behaupte einfach, dass es nicht ohne Notizen geht, wenn man nicht hochkonzentriert ist und sich nicht alle Namen merken kann. Für mich war es unverzichtbar! Mitsamt dieser Hilfsmittel liest man eine Geschichte, die voller überraschender Wendungen Lösungen ist. Der Autor hat dieses Rätsel um Evelyns Tod so wunderbar verstrickt konzipiert, dass ich als Leser immer wieder mal verwirrt war und meine Notizen zur Hand nehmen musste. Ich bin total begeistert über seine Fähigkeit, nicht selbst durcheinander gekommen zu sein ... jede noch so kleine Einzelheit, die ich als nicht ganz so wichtig genommen habe, hat er Stück für Stück zu einem ganzen Bild zusammengeknüpft. Bildlich vorstellen kann man sich die Geschichte wie einen großen Raum, der gefüllt ist mit Sachen. Und die Charaktere sind im ganzen Raum verstreut. Unser Mann und wir erleben den Tag durch jeden dieser Charaktere mitsamt ihren Sichtweisen. Die eine Person steht am Fenster und hat den Blick auf das Draußen gerichtet, eine weitere Person steht in einer Ecke an der Tür und beobachtet die Person am Fenster samt seiner Aussicht, wieder eine andere Person sitzt auf dem Sofa und hat einen Tisch mit einem Buch vor sich ... jede von ihnen hat ihre eigene Wahrnehmung, die unser Mann und wir Leser nach und nach alle aufnehmen - wie Puzzleteile, die am Ende ein ganzes Puzzlebild ergeben. Stück für Stück, Wirt für Wirt kommen wir dem Rätsel und den Antworten der aufkommenden Fragen näher. "Niemand macht sich auf den mühsamen Weg hinaus in die Dunkelheit, ohne über ein paar Kenntnisse zu verfügen, die ihm den Weg weisen." (Evely Hardcastle zum Künstler Gregory Gold, Seite 581) Die Geschichte bietet aber weit mehr als nur das Rätsel um Evelyns Tod. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr Rätsel tauchen noch auf; wer ist unser Mann eigentlich, der von Wirt zu Wirt springt? Warum ist er in Blackheath? Wer ist diese mysteriöse Anna, die ihm und uns zu Beginn den Verstand raubt? Wer ist dieser Pestdoktor? Was sind seine Beweggründe? Was hat es mit den Lakaien auf sich? Wieso überhaupt findet diese Dinnerparty statt? Es tauchen Fragen um Fragen und Personen um Personen auf, mit denen man als Leser zu Anfangs überhaupt nicht rechnet. Das Ganze ist wie ein Dominostein, der unkontrolliert gegen weitere stößt und somit eine Lawine an Ereignissen in Gang setzt. Es geht schon längst nicht mehr nur darum, die richtige Antwort zu finden, sondern darum, lange genug daran festzuhalten, um sie dem Pestdoktor auch überbringen zu können. (Erzählung vom Familienanwalt Edward Dance, Seite 307) Letzten Endes gilt nur folgendes zu bedenken: Nichts ist wie es auf den ersten Blick erscheint! Weder die Menschen, noch die Geschehnisse um sie herum. Fazit: Sie ist von dem fragilen Mut einer zum Tode Verurteilten erfüllt, die gerade die letzten Stufen zum Galgen hinaufsteigt. (Dr. Sebastian Bell über Evelyn Hardcastle, Seite 80) Zwei Logikfehler, eine unbeantwortete Frage zu Anna wie auch die ungeklärte Zeit des Geschehen lassen mich einen halben Stern abziehen. Dem Autor ist eine undurchschaubare Geschichte mit vielen Überraschungen gelungen, ebenso hat er unseren Mann eindrucksvoll die Wirte durchlaufen lassen und dabei Fragen aufgestellt, die am Ende alle - bis auf eine zu Anna - beantwortet werden. Der trockene englische Humor findet sich hier zwar wieder, ich hatte ihn mir aber viel präsenter vorgestellt. "Wissen Sie, woran man erkennen kann, ob es ein Monster verdient hat, wieder auf Erden zu wandeln? Ob sich ein Unmensch wahrhaftig von seiner schuld reingewaschen hat und Ihnen nicht einfach nur erzählt, was Sie hören wollen? Sie geben ihm einen Tag ohne jegliche Konsequenzen und beobachten dann, was er mit diesem Tag anfängt." (Der Pestdoktor zum Künstler Gregory Gold, Seite 537) Ich war sehr gespannt, wie der Autor das Gewirr an Rätseln entknoten würde ... und er hat es tatsächlich mit Logik glaubhaft geschafft. Ich persönlich war ja bei dem Buch auf alles vorbereitet; von langweilig auf der Stelle tretend, über gute Rätselerstellung bis hin zu verwirrende Erzählung ... Ich bin ganz unvoreingenommen an die Geschichte gegangen, weil ich schon anhand der Leseprobe gemerkt habe, dass diese Erzählung nicht für jeden Leser etwas ist. Und gerade eine Geschichte, deren Tag sich immer wiederholt ist heikel und schwer zu erzählen. Dem Autor ist dies aber in meinen Augen hervorragend gelungen. Aber wie bereits geschrieben; man muss auch dafür bereit sein, sich auf so eine Erzählung einzulassen und mitzuschwingen. Bloß die Geschichte runterlesen geht hier nicht. Dann bekommt man ganz schnell einen verwirrten und schlecht konstruierten Eindruck davon. Von mir gibt es 4,5 Sterne! Weitere Verlinkungen: https://www.krimi-couch.de/titel/20512-die-sieben-tode-der-evelyn-hardcastle/#comment69305 https://www.kriminetz.de/krimis/sieben-tode-evelyn-hardcastle#comment-6247 https://www.ebay.de/urw/success-review/10000000276764308?pageType=1&listingId=401858675167 https://www.pustet.de/shop/article/40141872/stuart_turton_die_sieben_tode_der_evelyn_hardcastle.html https://www.thalia.de/shop/home/rezensent/

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