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Rezension zu
Genau richtig

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wenn der Horizont plötzlich begrenzt ist

Von: Barbara62
16.01.2020

Albert hat sich zufrieden in seinem erfüllten Leben als Ehemann, Vater eines erwachsenen Sohnes, Schwiegervater, stolzer Großvater einer elfjährigen Enkelin, Lehrer und Hobbyastronom eingerichtet. Die Diagnose einer unheilbaren Krankheit, die innerhalb kurzer Zeit zuerst zur Pflegebedürftigkeit, dann zum Tod führen wird, trifft ihn völlig unvorbereitet, während seine Frau Eirin auf einem Kongress in Melbourne weilt. Hals über Kopf verlässt er die Arztpraxis und begibt sich in die einsam gelegene Ferienhütte der Familie an einem Waldsee, dem zauberhaften Glitretjern, die so viele schöne Erinnerungen birgt. Mit Eirin ist er jungverliebt in diese Hütte eingebrochen. Zehn Jahre später stand die Hütte während ihrer einzigen Ehekrise zum Verkauf und die endgültige Inbesitznahme wurde zum rettenden Wendepunkt in ihrer Beziehung. Nun nutzt Albert das Hüttenbuch, um seine Gedanken zu ordnen und zu Papier zu bringen: "Ich stehe vor dem größten Aufbruch meines Lebens und verspüre kein Bedürfnis mehr, etwas für mich zu behalten." Eine freie Entscheidung 24 Stunden gibt er sich selbst Zeit, um sich darüber klar zu werden, ob er das Ende abwarten oder seine Freiheit für ein selbstbestimmtes Ende nutzen soll. Er schreibt für seine Familie, aber auch für sich selbst. Je länger die Nacht dauert, desto mehr gehen seine Überlegungen über ihn als Individium hinaus, hin zu den grundlegenden Fragen des Menschseins, des Universums und der Zeit. Nur knappe drei Stunden umfasst die vollständige Lesung des schmalen Romans auf drei CDs, denn es ist, wie der Untertitel sagt, „Die kurze Geschichte einer langen Nacht“ – oder „Eine kleine Erzählung über fast alles“ im norwegischen Original. Überwiegend ist es der Brief an seine Familie, nur selten wird die Briefform kurzzeitig verlassen. Nicht ganz so märchenhaft ist die Liebesgeschichte zwischen Albert und Eirin wie die in Josteins Gaarders unvergleichlichem Roman "Das Orangenmädchen", denn Albert verschweigt auch einen 27 Jahre zurückliegenden Ehebruch nicht. Sein Gedankensturm, sein Ringen um den richtigen Entschluss und die daraus resultierende Spannung haben mich jedoch durchgehend gefesselt. Eine überraschende Wende Mit dem Fortschreiten der Nacht verschwimmen die Konturen zwischen Realität und Traum. Als im Morgengrauen der alte, vermeintlich hellsichtige Mann mit dem weißen Bart wie eine biblische Erscheinung auftaucht, hatte ich kurz die Sorge, dass der Roman ins Mystische abgleiten könnte. Doch dann war es genau diese Begegnung, die die Geschichte zu einer ganz außergewöhnlichen für mich machte und mich zu Tränen rührte, ohne den geringsten Anklang von Kitsch. Thomas Loibl als kongenialer Sprecher Das sehr intensive Hörerlebnis verdanke ich zu einem nicht unerheblichen Teil dem herausragenden Sprecher Thomas Loibl, der den Text mit seiner warmen, klaren Stimme genau richtig liest. Vom ersten Satz an war er für mich Albert, mit seiner Verzweiflung, seiner Wut, seiner Wehmut, seiner Angst vor dem Verlust der Würde, seinem Schwanken, seinen philosophischen Exkursen und schließlich seiner wohlüberlegten Entscheidung nach einer langen, intensiv erlebten Nacht.

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