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Rezension zu
Mauerpost

Mauerpost | von Maike Dugaro & Anne-Ev Ustorf

Von: stella_reads
06.12.2019

Seit März lag dieses gute Stück auf meinem SuB… Schande über mich! Aber nicht, weil mich die Thematik nicht interessierte (sonst hätte ich es ja nicht angefragt), sondern irgendwie wollte die passende Stimmung einfach nicht aufkommen. Dann nährten wir uns dem 30. Jahrestag des Mauerfalls und welcher Zeitpunkt hätte sich besser für dieses Buch eignen können?! Ohne große Erwartungen ging ich also an die Geschichte über Julia und Ines heran, denn der Klappentext machte den Anschein, dass ich mit meinen 30 Jahren schon weit über die eigentliche Zielgruppe dieses Buches hinaus bin und es mir eventuell „zu einfach“ geschrieben sein könnte. Aber was man hier an deutsch-deutscher Geschichte zu bieten bekommt ist wirklich spannend und großartig, auch für erwachsene Leser und Leserinnen, die sich für das Thema Mauerfall und DDR interessieren bzw. die aufgrund ihres damaligen jungen Alters die Geschehnisse eher nur flüchtig mitbekommen habe. Ich muss gestehen, dass ich mich noch nie so wirklich detailliert mit der damaligen Teilung unseres Landes und dem Symbol des Kalten Krieges auseinandergesetzt habe. Man weiß zwar davon, aber mein Interesse galt dann doch eher den „wichtigereren“ historischen Ereignissen, wie z.B. dem 2. Weltkrieg und dem Nationalsozialismus, dem Mittelalter und der Inquisition und Hexenverfolgung. Dabei sollte das Errichten der Mauer, die Entzweiung Deutschlands und die damit einhergehenden schrecklichen Lebensumstände (überwiegend auf der östlichen Seite des Landes) doch viel näher und demnach auch greifbarer für uns sein, oder? Durch Julia und Ines bekommen die jungen Mädchen in der damaligen Zeit eine Stimme und die beiden Autorinnen machen deutsch-deutsche Geschichte auf eine besondere und einzigartige Weise lebendig. Das in Briefform geschriebene Buch spielt sich im Zeitraum von Februar 1988 bis zum 09. November 1989 ab und endet also mit dem Tag des Mauerfalls. Wir befinden uns im damaligen Berlin, wo die fünfzehnjährige Julia mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder im Osten der Stadt wohnt und die dreizehnjährige Ines mit ihrem Vater in Westberlin. Als Julia durch ihre Nachbarin „Oma Ursel“, die gleichzeitig die Großmutter von Ines ist, eine Kassette von Ines geschenkt bekommt, ist dies der Beginn einer Brieffreundschaft, die streng geheim bleiben muss. Denn Julias Vater ist gegen Westkontakte und auch Ines’ Mutter, die aus der DDR floh, will nichts mehr mit der anderen Seite der Mauer zu tun haben. In den Briefen tauschen sich Julia und Ines zum einen über die typischen Dinge aus, mit denen man sich als Mädchen im Alter zwischen 13 und 15 nun einmal auseinandersetzen muss: Familie (Eltern und kleine Geschwister sind aber auch wirklich nervend in diesen Lebensjahren!), Hobbys, Schule und natürlich Jungs. Aber davon abgesehen vermitteln sie sich gegenseitig die Perspektive, wie es ist, auf der jeweils anderen Seite der Mauer zu leben. Und schon bald kommen die beiden Mädchen gemeinsam einem großen Geheimnis auf Seiten von Iris’ Familie auf die Spur, welches dringend aufgeklärt werden muss und das Schicksal der beiden für immer verändern wird. Chapeau an die Autorinnen, dass sie es mit „Mauerpost“ geschafft haben, ein so unglaublich wichtiges Stück Geschichte so eindrucksvoll und einnehmend zu erzählen. Als Leser fühlt man sich direkt in die damalige Zeit des politischen Umbruchs zurückversetzt. Man fiebert mit Julia und Ines mit, die so authentisch sind, dass ich das Gefühl hatte, als habe es genau diese beiden Mädchen tatsächlich gegeben. Man erfährt, welche Auswirkungen die Teilung eines Landes für den jeweils Einzelnen mit sich bringt und dieser Aspekt war für mich vollkommen neu. Ich erfuhr zum ersten Mal, dass das Stellen eines Ausreiseantrages dazu führte, dass man kriminalisiert, bespitzelt und überwacht wurde, seine Arbeit verlor und/oder das Recht, zu studieren. Man galt dadurch als Gefahr für den Staat und nicht zuletzt litten darunter auch die eigenen Kinder in der Schule, indem sie gemobbt wurden und schlechte Noten bekamen. Die sogenannte FDJ (Freie Deutsche Jugend) und das Fahnenappell erinnert einen an die Hitlerjugend, Jugendwerkshöfe lassen einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Das Frauengefängnis auf Burg Hoheneck in Sachsen war das damalige größte und abscheulichste seiner Art und ich frage mich, wie man davon fast nichts gewusst haben kann oder es gekonnt ignorierte?! Ihr merkt sicher schon, dass mich dieses Buch auch sehr aufgewühlt und fassungslos gemacht hat aufgrund der für mich neuen Erkenntnisse. Durch Julia und Ines wurden mir die damals schrecklichen Umstände erst so richtig bewusst und „Mauerpost“ hätte ich mir in meiner eigenen Schulzeit gerne als Schullektüre gewünscht. Denn abgesehen von der Geschichte befindet sich im Anhang eine komplette Chronik der geschichtlichen Ereignisse rund um die Mauer, beginnend mit dem Ende des 2. Weltkrieges am 08. Mai 1945 bis hin zum eigentlichen Mauerfall und somit dem Ende der DDR. Diese wird begleitet von einem Stadtplan Berlins, der die wichtigsten Grenzübergänge, den Verlauf der Mauer und wichtige örtliche Punkte der Geschichte aufzeigt. Außerdem ein Glossar, welches die jeweils fett geschriebenen Begriffe, Orte und Personen detailliert erklärt und im Kontext der Romanhandlung diese wieder das geschichtliche Wissen vertiefen und an Bedeutung gewinnen. Fazit: Absolute Leseempfehlung, wenn ihr mehr über deutsch-deutsche Geschichte lesen wollt. Julia und Ines sind zwei unglaublich sympathische, starke und mutige Charaktere auf Ihre jeweils ganz eigene Art. Ein Jugendroman, welcher einem die prekäre Situation von Ost- und Westberlin mit geschichtlichem Tiefgang vor Augen führt, der außerdem unterhält, informiert und auch für Erwachsene viel Diskussionspotential bietet.

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