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Rezension zu
Der Gott der Stadt

Das Leben ein Traum

Von: Frau Lehmann
12.10.2019

1995. Hochschule für Schauspielkunst Erwin Piscator Berlin. Die Erstsemester im Fachbereich Schauspielregie sollen gemeinsam ein Konzept für die Aufführung eines Faust-Fragments des Schriftstellers Georg Heym entwickeln. Angestachelt von Ehrgeiz, und grenzenloser Bewunderung für ihren Mentor, den Starregisseur Korbinian Brandner, und belastet mit diversen eigenen Problemen, gehen die Studenten dabei immer weiter an ihre Grenzen und darüber hinaus. Bis es zu einem Todesfall kommt. Weggesuchtet. Ein Wort, bei dem sich jedes Mal meine Nackenhaare hochstellen, wenn ich es in einer Rezension lese. Und doch ist es das erste, was mir in den Kopf kommt, wenn ich an diesen Roman denke. Einen Tag und eine Nacht habe ich mit diesem über 600 Seiten starken Buch verbracht, im letzten Drittel schon gewaltig mit dem Schlaf kämpfend, aber ich wollte es nicht weglegen, wollte unbedingt weiterlesen. Dabei könnte ich nicht einmal sagen, ob der Roman gut oder mittelmäßig ist. Ob jemand, der die darin beschriebene Welt nicht kennt, ihn genauso spannend fände, genauso plausibel. Ich habe gelesen und mich erinnert. An all die Tanzsäle, in denen ich Blut und Schweiß gelassen habe, an all die Lehrer, die wir grenzenlos verehrt haben, obwohl sie im Nachhinein betrachtet, das Wort Pädagogik vermutlich nicht einmal hätten buchstabieren können, an die Euphorie bei einem Lob, sei es auch noch so klein und im Vorbeigehen gemurmelt, an die weltenzerstörende Kraft einer Kritik, die selten fördernd, sondern meist einfach nur weit unter der Gürtellinie lag. Tanz, nicht Schauspiel. Aber so gleich in den Abläufen. Die Erwin Piscator-Hochschule gibt es nicht. Aber sicherlich ein Dutzend andere, die genau so funktionieren. In denen ehemalige Sänger/Tänzer/Schauspieler ihr Wissen weiter geben, mal im besten Sinne, indem sie es teilen und den Nachwuchs nach Kräften fördern und mal gedankenlos niedermachend, im Glanze ihrer eigenen Wichtigkeit, nicht ahnend, was ihr bedenkenlos verteiltes Gift anrichten kann. Erinnert habe ich mich auch an die Freude zu lernen. Wissen anzusammeln über mein Fachgebiet, intensiv ein Thema zu erarbeiten, Neuland zu erobern. Wie bei mir nicht anders zu erwarten, stapeln sich hier die Bücher zum Thema Theater, zu Tanz- und Theatergeschichte, Anatomie, Künstlerbiographien, Bildbände. Das alles findet sich in diesem Roman. Dazu kommt die Spannung der Wendejahre, als Osten und Westen in den Köpfen noch geteilt waren. Die Piscator liegt in Ostberlin, die Lehrer stammen noch aus den alten DDR-Theaterzeiten, Christiane Neudecker bindet sie sehr geschickt in die dortige Theaterlandschaft ein. Die Erstsemester sind zum Großteil aus dem Westen. Welten treffen aufeinander, Traditionen treffen auf Unverständnis. "Für mich ist "Der Gott der Stadt" ein großartiges Buch, das mich sprachlich und inhaltlich überzeugen konnte. Weggesuchtet.

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