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Rezension zu
Die Schwestern von Marzahn

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Das Leben ist eigenbrötlerisch

Von: Stage Reptiles
05.07.2019

Fabian Krüger hat alles verloren. Seinen Sohn, seinen Job, seine Frau. Mit dem Untergang der DDR ging sein Leben zugrunde. Seitdem sitzt er in den Plattenbauten von Marzahn. Versäuft sein weniges Geld, hadert mit seinem Schicksal. Bis er eines Tages die Töchter einer Nachbarin kennen lernt, die sich um den Haushalt alleine kümmern müssen. Aus anfänglicher Ablehnung wird eine seltsame Freundschaft. Marzahn, kein Ort, der berühmt für wohlbehütet aufwachsende Kinder und niedrige Arbeitslosenzahlen ist. Wer hier lebt, ist ganz unten angekommen – und doch hat man Stolz, manche haben eine Beschäftigung, der sie nachgehen und zwischen all der gegenseitigen Ablehnung zwischen den Menschen, die hier leben, gibt es Bekanntschaften und zarte Freundschaften. Für die meisten ist der Weg zur Tafel wie ein Spießrutenlauf; wer zum ersten Mal dorthin geht, weint, schämt sich, hofft, nicht erkannt zu werden. So ergeht es auch Fabian Krüger. Der Mann hat außer seinen Saufkumpanen nichts mehr, woran sein Herz hängt. Sein Sohn starb vor vielen Jahren, er verlor seinen Job, als die Grenze geöffnet und alles durch moderne Technik ersetzt wurde. Dann verließ ihn seine Frau, die Liebe seines Lebens. Krüger wohnt alleine in der Platte, seit über 30 Jahren in der gleichen Wohnung, die einmal so teuer und wertvoll gewesen ist und nun verwaist nur noch einen einzigen Bewohner beheimatet. Er ist verbittert, was vollkommen verständlich ist, und schichtet die Münzen auf kleine Türmchen auf, so viel hat er noch, so viel kann er in Bier investieren. Doch dann sitzen eines Tages die zwei Mädchen aus dem achten Stock auf der Treppe, morgens, mittags und abends und Krüger hat tief in sich ein Herz, Mitgefühl, Empathie. Die Mutter ist ins Krankenhaus gekommen, die Mädchen haben keinen Schlüssel, Krüger öffnet die Wohnungstür. Der Beginn einer Freundschaft. Sie lassen Drachen fliegen, sie lernen und spielen zusammen, sie kochen. Langsam heilen jahrzehntealte Wunden – und doch ist keine Freude von Dauer. Gleichzeitig gibt es zwei Ordensschwestern, die sich in Marzahn um die hungernden Seelen kümmern, auch um Krügers Frau, die nach langer Zeit, nach vielen Tränen, Schreien, Wut und Enttäuschung endlich ihre Geschichte erzählen kann. Die Geschichte ihrer Ehe, ihres Sohnes, ihres Lebens davor und danach. Die Schwestern von Marzahn ist ein empathisches Werk, das Hoffnungslosigkeit spürbar werden lässt. Perspektiven gibt es keine, zu eingefahren ist man im Trott aus Geld zählen und über die Runden kommen, dass man den Blick nicht heben kann – wohin auch? Gleichzeitig ist der eigene Kummer zu groß, die Enttäuschungen und Wunden sind tief, so dass man nicht auf andere achtet, weil man es einfach nicht kann – und es ist immer besser, sich nicht einzumischen. Wie es an anderer Stelle heißt: „Marzahn ist überall„, das gilt auch hier, denn die Botschaft ist klar: Aufeinander zu achten, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, damit Wunden heilen können – und manches gar nicht erst passiert. Statt die Nase zu rümpfen und wegzuschauen, ist die (Lebens-)Geschichte hinter den Menschen ausschlaggebend. Das Buch ist flüssig geschrieben und nimmt den Leser mit nach Marzahn, in die trostlose Siedlung der Hoffnungslosigkeit.

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