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Rezension zu
Neue Heimat

IST DAS WIRKLICH HEIMAT?

Von: Lotta
12.06.2019

Nachdem ich ja bereits das erste Werk dieser Rubrik von Mälzer bewertet habe und damals mehr als positiv überrascht war, dass dieser sonst so derbe und rohe Kerl so ein schönes Buch zu Stande bekommt, muss natürlich auch der Nachfolgeband "Neue Heimat" (mosaik Verlag) dringend eingehend begutachtet werden. Nettes Cover - schön, dass es in Stoff eingefasst ist - und recht dick das Ganze. Die ersten Seiten mit Collagen und Multi-Kulti machen neugierig. Aufgeteilt ist das Buch in 11 Rubriken wie "Salat", "Hack", "Suppe", "Wurst", "Pasta" und "Süß". Na, dann mal los. Vorab wird natürlich nochmal auf den Begriff "Heimat" eingegangen, den Mälzer diesmal weiter fasst als im ersten Band, da auch Deutschland seiner Meinung nach bunter geworden ist. Dass dabei dann natürlich viele Gerichte auf den Tellern landen, die wir jetzt nicht sofort mit "Heimat" verbinden würden, ist klar. Deswegen, so Mälzer, zeigt er in der Rubrik "Meine Mudda, deine Mudda", dass es typisch deutsche Gerichte auch in Variation in anderen Ländern gibt. Kochen sollen wir mit dem Herzen, denn "wahre Heimatküche ist eine Küche, die satt macht, körperlich und emotional". Schön gesagt.Wir starten mit "Salat mit Sauerampferdressing und Granatapfel", "Knödelauflauf mit Bohnen-Tomaten-Salat", "Ziegenkäse und Avocado mit Zitronengras-Vinaigrette", "Endiviensalat mit Himbeerdressing", "Salat von gegrillten Zucchini mit Erbsen, Bohnen und Minze" und "Kartoffelsalat nach Art des Winzers". Abgesehen davon, dass das teils nicht wirklich was mit Salat zu tun hat, sind das nette Rezepte. Was mich allerdings irritiert - ja, das mag perfekt zu der bunt gemischten Einflüssen der deutschen Küche passen, gefällt mir aber einfach nicht - ist der Stilmix der Umsetzung. Da gibt es stylische Foodfotografie, Retrofotos, Collagen, Modern Art-Fotos mit Streetstyle, Zeichnungen und Pop-Art-Bilder. Alles ein bisschen viel. Außerdem sind manche Schriften kaum lesbar und manche Texte in gelb auf weißem Untergrund kaum zu entziffern - nicht so gut. Da Hack ja quasi so eine Wunderwaffe in der Küche ist, dürfen auch "Kartoffel-Hack-Torte", "Handrolle von Spitzkohl und Kalb mit Meerrettich-Joghurt", "Käse-Hackbraten mit Dörrpflaumen und cremigem Lauch", "Cevapcici vom Lamm mit Kichererbsenpüree [Hummus]", "Steckrüben-eintopf mit Hackbällchen" und "Königsberger Klopse nach Art der Abruzzen mit Olivenreis" nicht fehlen, wobei letztere so gar nichts mit Königsberger Klopsen gemein haben, da sie ohne Kapern und helle Sauce serviert werden. Stattdessen gibt es Parmesan und Tomatensauce. Das ist quasi wie veganer Fleischsalat... Bei den Suppen geht es quer durch die Bank von Rote Bete zu Linsen, Tomaten-Paprika, Pilz, Kartoffel usw. Alles natürlich entsprechend in raffinierten und gepimpten Varianten. Auch hier sind es wieder durch die Bank schöne Rezepte, aber diese kunterbunte Umsetzung stört mich einfach. Da ermüdet man beim Blättern schnell, weil es einfach anstrengend ist. Erinnert mich ein wenig an Berlin komischerweise. einfach ein wenig too much. Als erstes Beispiel für "Meine Mudda <3 Deine Mudda" gibt es Milchreis, den es unter den Begriffen "Sütlac", "Arroz con Leche", "Risalamande" und anderen zum Beispiel in der Türkei, in Spanien und in Dänemark gibt. Süße Info, aber zwischen Suppe und Wurst irgendwie leicht deplaziert, oder? Aber ich würde "Hühnerfrikassee mit Bérnaise gratiniert" auch nicht unbedingt zu Suppen zählen. Aber ich versuche mal, nicht ganz so kleinlich zu sein. "Grützwurst mit Rosenkohl und Apfel", "Bratwurst Asia", "Kurz geschmorter Grünkohl mit Chorizo und karamellisiertem Apfel", "Kartoffelsalat mit gebratenem Kürbis und knuspriger Blutwurst", "Pfälzer Wurst mit Sauerkraut und Birne" - ja, da ist durchaus das ein oder andere, was ich als typisch bezeichnen würde, allerdings kaum in diesen Kombinationen. Dennoch muss ich echt sagen, dass die Bilder trotz der sehr deftig derben Zutaten lecker aussehen. Und dann geht Mälzer nochmal auf den Begriff der "Heimat" ein, erklärt, dass der Mensch heute mehr Individualist denn je ist und eher unter Heimweh denn Fernweh leidet. Dass es schick ist, sich regional ernährt und an der Nordsee urlaubt statt beim Spanier zu essen und nach Italien zu reisen. Ganz so radikal würde ich das nicht sehen, aber regional ist sicher sehr im Trend. "Essen hat das Potenzial, Gemeinschaft zu stiften. essen ist Heimat auf dem Teller" ist Mälzers Fazit und sein Buch ein Werk der Integration verschiedenster Einflüsse. So betrachtet ist das eigentlich eine richtig schöne Idee und definitiv zeitgemäß. Ob für mich der Döner irgendwann Deutscher ist als Königsberger Klopse weiß ich persönlich allerdings nicht. Vegetarisch tischt Mälzer uns "Gegrillter Grüner Spargel mit Parmesanbröseln", "Pochierte Eier mit Blattspinat und Kartoffelpü", "Rote Bete mit Portwein und Gorgonzola", "Kürbisrisotto" und "Buchweizen-Bowl mit Zitronen-Buttermilch" auf, beim Fisch landen "Saibling mit Radieschen-Apfel-Salat", "Frittierte Baby-Calamari mit Mango, Gurke und Chiliflocken" oder auch "Miso-Lachs mit dicken Bohnen", "Schollenröllchen mit Rahmpinat und sauren Pilzen" und "Backfisch mit Pommes" auf dem Teller. Alles ausgefallen, schön angerichtet und wie gehabt kunterbunt. Bei knapp 300 Seiten gibt es da natürlich noch weitaus mehr, wobei ich das hier dann doch ein wenig abkürzen muss. Beim Fleisch gibt es natürlich Schnitzel, Steak, Kalbskoteletts", Tafelspitz, Rouladen, Lamb Chops,  sowie einen ganz ausführlichen Bericht Mälzers über den "Geschmack seiner Kindheit" mit Wackelpudding und Dosenravioli. Sehr sympathisch. Und in der fliegenden Abteilung Hähnchenkeulen, Curry-Huhn, Entenbrust, Maispoularden und und und - natürlich alles in leckere Kompositionen verpackt. Ein kurzes (sieben Rezepte) Kapitel zu Nudeln und ein kurzes Kapitel zum Thema "Grillen" mit Ideen wie "Cheese-Steak", "Marinierte Lammkeule vom Grill á la Döner", "Tzaziki", "Krautsalat", "Gegrillte Portobello-Pilze mit Lethscho", "Currybutter", "Kapernbutter" und "Nackensteaks mit Bier-Honig-Marinade" und dann sind wir bei meiner Lieblingsrubrik "süß". Dort erwarten uns "Schokokonfekt", "Topfenknödel", "Brot-und-Butter-Pudding à la Florentiner", "Baklava", "Zimtschnecken" oder auch "Griesschnitten". Schöne Rezepte, schöne und leckere Bilder - passt. Alles in allem eben ein vielfältiges, vielschichtiges und farbenfrohes Mixwerk. Muss man mögen, den Stil. Auf all Fälle ziemlich individuell. Vermutlich so wie unsere Gesellschaft aktuell und eben unser Ess-Stil. Von daher sehe ich hier schon den Roten Faden, der Inhalt und Umsetzung verbindet. Haut mich nicht ganz so um wie Heimat, aber wird mit jedem Blättern definitiv besser :)

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