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Rezension zu
Den Tod muss man leben

Ein ermutigendes Buch

Von: Matthias Wenger aus Berlin
30.10.2018

Hat jemand aus Deinem Freundeskreis schon einmal freiwillig über den eigenen Tod gesprochen? Über ein Ende des jetzigen Lebens und die Frage, auf welche Weise sich der Übergang zu etwas Anderem vollziehen könnte? Nur wenige tun das aus eigenem Antrieb - und deshalb braucht man Menschen wie Angela Fournes, die einen dazu verleiten, ermutigen, vielleicht sogar antreiben. Tatsächlich scheint die Autorin dazu berufen zu sein: Aufgewachsen in einer Kultur, nämlich der mexikanischen, die einen freimütigen, ja fröhlichen Umgang mit dem Tod pflegt. Innig verbunden und vertraut mit einer Tradition wie der anthroposophischen Christengemeinschaft, die eine spirituelle Vertiefung des Christentums anstrebt. Und als Bestatterin erst nach langen Umwegen zu einem Beruf gelangt, der ihr erkennbar zur Berufung wurde. Wenn man ihren Tätigkeitsbericht und die vielen Erlebnisberichte der von ihr Betreuten liest, wird einem so manches klar über unsere Kultur, ihr Bild vom Tode und ihr Bild vom Menschen. Das Lesen löst Erkenntnisprozesse aus, die nicht unbedingt explizit vermittelt werden, die sich aber aufdrängen. Zunächst einmal ein Faktum äußerster Grausamkeit, das die nihilistische Tendenz des zeitgenössischen Materialismus überdeutlich macht: Ein Mensch, desser irdischer Leib in seinen Lebensfunktionen erloschen ist, wird als nicht mehr existent betrachtet. Er ist einfach nicht mehr da, denn er ist ja nicht mehr verfügbar und damit nutzlos geworden. Das ist nur konsequent, behandeln sich doch viele Lebende in ihrer wechselseitigen Ignoranz ähnlich respektlos. Deshalb leitet Angela Fournes andere dazu an, Menschen auch über den physischen Tod hinaus noch die Ehre zu erweisen, die man ihnen auch zu Lebzeiten zuteil werden ließ. Man nimmt Abschied, indem man noch Gemeinschaft mit Ihnen pflegt, sie umhegt, ihnen Gutes angedeihen lässt. Manche Bräuche, die noch in ländlich-traditionellen Gesellschaften auch in Europa vor drei Generationen üblich waren, lässt die Autorin wieder aufleben, beschreibt zwanglos und freimütig, wie man das gestalten kann. Wie der Weg des Menschen nach dem Tode auch immer verlaufen mag - ob man nun von einer Fortexistenz ausgeht oder nicht - was hier beschrieben wird, ist ein konsequenter Fortschritt des bewußten Umgangs miteinander, und wenn es nur die Einübung dessen ist, was ein Mensch dem andern schuldet. Und überlegen wir uns nur, wenn es wirklich ein Weiterleben gibt, wie unendlich deprimierend und erniedrigend es für den toten Menschen sein müßte, als nicht mehr existent behandelt zu werden. Damit kommen wir zur weiteren "Klientel" der Autorin: Diejenigen, die der Verstorbene in der physischen Welt zurückgelassen hat, vollziehen einen aussergewöhnlichen Bewußtwerdungsprozeß, wenn sie das praktizieren, was ihnen Angela Fournes anempfiehlt. Die vielen Berichte beschreiben eingehend und anrührend, wie gut es ihnen tut, den toten Menschen noch einmal mit ganzer Kraft wahrzunehmen, sich mit ihm auseinanderzusetzen, ihn ein Stück weit in das Andere hinein zu begleiten. Und wie sehr es ihren Schmerz und ihre Leiden lindert, den Toten nicht in die Mühlen einer gedankenlosen Beerdigungsindustrie abgleiten zu lassen. Am Rande beschreibt das Buch in vielfältiger Weise, in welcher Form man einem Verstorbenen Nichtachtung widerfahren lassen kann. Aber es geht der Autorin nicht darum, anzuklagen, sie will Alternativen aufzeigen, Anreize geben, es anders zu machen. Natürlich gehört dazu viel Mut, z.B. als Angehöriger bei der Waschung des toten Körpers mitzuwirken, einen Sarg zu bemalen und der Trauergemeinde selbst einige Worte über den Toten mitzugeben. Es ist nämlich ein Tabubruch, auf diese Weise gestaltend zu handeln, statt einfach nur eine Bestattung "zu kaufen". Die Träger der westlichen Zivilisation sind ja so stolz darauf, andere Menschen so besonders bewußt menschlich zu behandeln. In diesem Buch wird ihnen eine Leerstelle gezeigt, bei der das humanistische Paradigma noch nicht einmal ansatzweise angelangt ist. Es gibt Handlungsbedarf, lasst uns das Unausweichliche ins Auge fassen - vielleicht ist es wirklich so, worauf die Autorin immer wieder hinweist, dass der Tod eigentlich die Geburt in eine neue Art von Leben darstellt! Angela Fournes / Annette Bopp: Den Tod muß man leben, Eine Bestatterin hilft - denen, die gehen, und denen, die bleiben. München 2018 - 20,-€ Rezension von Matthias Wenger

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