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Rezension zu
Alexander von Humboldt

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Junggebliebener, neugieriger und weltoffener Er braucht …

Von: daslesendesatzzeichen
22.10.2018

… GELD! Man schreibt das Jahr 1827. Alexander von Humboldt ist bald 60 und pleite. Er zieht gerade von Paris zurück nach Berlin. Wie häufig in seinem Leben reist er aber nicht auf direktem Weg. Er macht einen Abstecher nach London, wo er – wie fast überall – begeistert empfangen wird. Durch seine überschäumende, wissbegierige Art nimmt er das Publikum für sich ein und begeistert die Menschen, egal wohin er kommt. Die Vorträge über seine Reisen sind ein gesellschaftliches Must! Das Schöne an Humboldt: Auch mit seinen fast 60 Jahren ist er kein arrivierter, gesetzter älterer Herr, sondern immer auf der Suche nach Neuem – sein Wissensdurst ist noch lange nicht gestillt. Die Engländer bauen zur Zeit seines Besuches gerade einen Tunnel unter der Themse. Durch seine Popularität kommt Humboldt in den Genuss so mancher besonderen Möglichkeit und so lädt ihn der Baumeister Marc Brunel zu einem echten Abenteuer ein. Alexander von Humboldt steigt mit ihm in eine Tauchglocke, tief hinunter zur Baustelle, um sich einen persönlichen Eindruck von diesem Jahrhundertprojekt zu machen. Wie immer auf seinen Reisen ist er mit sich selbst wenig zimperlich und setzt seine Gesundheit aufs Spiel: Er bekommt Probleme mit dem Druckausgleich und infolge heftigste Kopfschmerzen und blutet aus der Nase – doch das kümmert ihn wenig, denn er ist besessen von dem Drang, herauszufinden, wie die Natur beschaffen ist und wie der Mensch darauf Einfluss nimmt. Delikates Detail am Rande: Wenige Tage nach diesem Ausflug stürzt die Baustelle ein. Der Tunnel wird erst 1834 fertig … Zurück in Berlin arrangiert sich Humboldt mit dem Umstand, aufgrund seiner desaströsen finanziellen Lage nicht mehr in seiner Lieblingsstadt an der Seine leben zu können. Die Nähe zu seinem Bruder, Wilhelm von Humboldt, und der Austausch mit anderen Wissenschaftlern spornen ihn zu Höchstleistungen an: In wenigen Monaten hält er mehr als 60 Vorträge über seine große Reise nach Amerika (später niedergeschrieben in seinen sogenannten „Kosmos“-Bänden) an der Universität, die sein Bruder 1809 gegründet hat. „Reden statt reisen“ heißt jetzt die Devise. Der Erfolg der Kosmos-Vorlesungen weckt die Sehnsucht nach neuen Grenzen und Gipfeln. Reisen und forschen, kommunizieren und schreiben, die Welt als globales Geschehen am jeweiligen Ort durchdringen und immer in Bewegung sein, den Informationsfluss beschleunigen: Das ist die Humboldt-Formel.“ 2019 jährt sich der Geburtstag dieses umtriebigen Mannes zum 250. Mal – wer das vorliegende Buch liest, der wird jedoch bemerken, dass seine Motive und Überzeugungen moderner sind denn je. Mit 20 Jahren hat er eine Vision, die unglaublich aktuell ist und von der man nicht glauben mag, dass sie schon vor so langer Zeit formuliert wurde: Je mehr die Menschenzahl und mit ihr der Preis der Lebensmittel steigen, je mehr die Völker die Last zerrütteter Finanzen fühlen müssen, desto mehr sollte man darauf sinnen, neue Nahrungsquellen gegenüber den von allen Seiten einreißenden Mangel zu eröffnen. Wie viele, unübersehbar viele Kräfte liegen in der Natur ungenutzt, deren Entwicklung tausenden von Menschen Nahrung oder Beschäftigung geben könnte. Humboldt ist ein großer Menschenfreund und sein Wissen, seine Forschungen überdauern die Zeiten – sie wirken bis heute. Dabei begann alles gar nicht so spektakulär: Seine Schulzeit empfand er (wie ja so viele Freigeister) als ausgesprochen öde – er wird nicht genug gefordert und kränkelt. Ein merkwürdiges Kind, das bereits mit 12 Jahren seine Zeit am liebsten damit verbringt, Mineralien, Insekten und Pflanzen näher zu untersuchen. Sein Bruder wendet sich früh den Sprachen zu (darunter so exotisches wie Japanisch, Sanskrit und Baskisch), bei Alexander beginnt die Liebe zur Reise. Doch zuerst noch in der Theorie: Er verschlingt Reisebücher. Nebenbei malt er sehr talentiert Landschaften und Porträts. 1790 ist es endlich so weit: Humboldts erste Reise! Mit seinem Vorbild, dem Forscher Georg Forster, bereist er Belgien, Frankreich, die Niederlande und England. Das Ergebnis dieser Reise sind Niederschriften in drei Bänden „Ansichten vom Niederrhein“. Die Bände sind: […] voller Empathie für die unfreien, geknechteten Menschen, denen die Reisenden begegnen – ein kaum versteckter Aufruf zur Umwälzung. Im Jahr darauf beginnt Humboldt ein Bergbaustudium in Freiburg. Er schließt zwar nicht mit Examen ab, dennoch wird ihm das dort erworbene Wissen noch Türen und Tore öffnen. 1792 nimmt er eine Stelle im Berliner Ministerium an. Er besichtigt Minen und Hütten, er macht Verbesserungsvorschläge und sammelt Erfahrungen, von denen er in der Zukunft profitieren wird. Er ist wegweisend: Humboldt richtet eine Schule für die Söhne der Bergbauern ein, er möchte Bildung vermitteln und ist überzeugt, dass nur so die Produktivität auf Dauer zu steigern ist. 1796 stirbt Humboldts Mutter. Ihr Leiden hat ihn tief bewegt, daher kann er, als der Tod schließlich eintritt, nicht so trauern, wie das manch einer vielleicht erwartet hätte. Die Erbschaft gibt ihm zum ersten Mal eine große Freiheit. Er kann nun ungehindert seinen Interessen nachgehen – er quittiert umgehend den Staatsdienst und bereitet seine erste große Reise vor. In Paris lernt er Aimé Bonpland kennen – auch der möchte reisen, hat jedoch das Augenmerk auf der Botanik. Sie beschließen, gemeinsame Sache zu machen. Der erste Weg führt sie nach Spanien. Das dortige Königshaus braucht Geld und wittert die Chance, dass Alexander von Humboldt als Bergbau-Experte wertvolle Rohstoffe finden kann. Der spanische König finanziert ihm eine Reise nach Südamerika und stattet ihn mit sämtlichen Begleitbriefen aus, um auf der Reise von allen maximal unterstützt zu werden. Humboldt ist fassungslos: Welch ein Glück ist mir eröffnet! Mir schwindelt der Kopf vor Freude … Und so ist er schließlich 5 Jahre lang unterwegs: Spanien – Teneriffa – Neu Granada (heute Venezuela, Ecuador) – Peru – Neuspanien (heute Mexiko) – Kuba – Vereinigte Staaten. Natürlich immer mit Bonpland an seiner Seite. Die beiden Forscher erfahren viel Neues, doch sie müssen auch mit negativen Erlebnissen umgehen können: […] Wenn unser Haus in Cumana für die Beobachtung des Himmels und der meteorologischen Vorgänge sehr gelegen ist, so mussten wir dagegen zuweilen bei Tage etwas mit ansehen, was uns empörte. Hier wurden Schwarze verkauft, die von der afrikanischen Küste herübergebracht werden … […] Der Schock sitzt tief. Die Sklaventhematik wird zu seinem großen politischen Thema. Humboldt und Bonpland reisen weiter, die Fotografie ist noch nicht entdeckt, was festgehalten werden soll, wird skizziert und anderweitig dokumentiert. Als 1804 die Reise in den USA endet, trifft Humboldt Präsident Jefferson – er ist eben mittlerweile selbst eine Berühmtheit! Auch hier zeigt sich seine visionäre Ader: Er spricht mit dem Präsidenten über eine mögliche Wasserstraße zwischen dem Pazifik und dem Atlantik, lange bevor der Panama-Kanal Realität wird. 1808 schließlich erscheint sein Buch „Ansichten der Natur“. So ein Buch hat es bisher noch nie gegeben! Es ist ein Musterbeispiel für Populärwissenschaft, mit verständlichen und fesselnden Texten und reicher Bebilderung. Mit vielen Politikern und Staatsmännern kommt Humboldt in Berührung, mit den meisten kommt er bestens klar, auch wenn er nicht deren Ansichten teilen mag. Mit einem aber kann er so gar nicht – Napoleon. Als Preußen von ihm besetzt wird, reist Alexander mit dem Prinzen Wilhelm nach Paris, um zu verhandeln. Die Mission scheitert – Humboldt aber bleibt in der Stadt an der Seine. Er lebt dort – und hier schließt sich der Kreis – bis 1827, bis ihm das Geld ausgeht. Denn auch als berühmter Wissenschaftler und Autor kann es finanzielle Probleme geben. Die Kosten für seine Reisebücher explodieren aufgrund der nötigen Kupfertafeln. Die luxuriösen Ausgaben können sich nur Regierungen leisten – die Gesamtausgabe kostete umgerechnet für heutige Begriffe rund 50.000 Euro. Zurück in Berlin kann er wieder Atem schöpfen, Geld auftreiben und reist auch in den weiteren Jahren viel, z. B. nach Russland – bis zur chinesischen Grenze. Er findet Zinn und Diamanten – und schreibt danach wieder Bücher über seine Reisen. Als ihm irgendwann tatsächlich die Gesundheit zu schaffen macht, werden seine Aktivitäten zwar weniger, sein Geist aber bleibt klar. Er setzt sich für den Arbeiterführer Ferdinand Lassalle (ein Wegweiser der späteren Sozialdemokratie) ein und wird nicht müde, das Bürgerrecht für Juden zu fordern. Mit fast 90 Jahren stirbt dieser unermüdliche Geist, Forscher, visionäre Denker. Doch er hinterlässt überall Spuren. Seit 1883 thronen die Humboldt-Brüder auf hohen Marmorsockeln vor der Universität in Berlin – der Humboldt-Universität. Und dort, wo früher das Berliner Schloss stand, wird jetzt das Humboldt-Forum erbaut. Hier sollen die Ideen der beiden Humboldts vereint werden. Berlin und Deutschland wollen so den Geist der Wissenschaft würdigen. Diese Würdigung ist übrigens auch Rüdiger Schaper mit seinem vorliegenden Werk gelungen. Ganz in der Tradition seiner Hauptperson hat er ein im besten Sinne populärwissenschaftliches Buch mit verständlichen und fesselnden Texten geschrieben. Chapeau! „Alexander von Humboldt. Der Preuße und die neuen Welten“ ist im Siedler Verlag erschienen. Nähere Infos zum Buch auf der Verlagsseite.

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